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Pharmaproduktion in Mexiko expandiert
Mexiko ist ein wichtiger Standort für die Produktion von Pharmazeutika. Boehringer Ingelheim und Bayer bauen derzeit ihre Werke im Land aus.
29.07.2024
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Mexiko ist zweitgrößter Pharmaproduzent in Lateinamerika hinter Brasilien und steht im weltweiten Vergleich auf Rang 10. Der Sektor investierte in den vergangenen Jahren kräftig. Der Produktionswert von Pharmazeutika stieg daher 2023 inflationsbereinigt und in Pesos berechnet um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, etwas stärker als das Bruttoinlandsprodukt insgesamt (3,2 Prozent). Eine Schwäche ist allerdings die Abhängigkeit von meist aus China oder Indien importierten Wirkstoffen (active pharmaceutical ingredients, API).
Generika kommen auf 80 Prozent der nachgefragten Mengen
Trotz der Budgetkürzungen im staatlichen Gesundheitssystem sollte sich die Nachfrage nach Medikamenten und deren Produktion in den kommenden Jahren gut entwickeln. Das Bevölkerungswachstum und die alternde Gesellschaft treiben den Bedarf an. Chronische und altersbedingte Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Gebärmutter- und Darmkrebs greifen weiter um sich. Das Gesundheitsministerium (Secretaría de Salud) schätzt, dass allein 30 Millionen Mexikaner an Bluthochdruck leiden - fast ein Viertel der Bevölkerung. Entsprechend groß ist das Interesse der privaten und öffentlichen Krankenkassen an Medikamenten, die den Ausbruch dieser Krankheiten verhindern beziehungsweise die Krankheiten therapieren.
Rund die Hälfte der Verkäufe von Pharmazeutika entfällt in Mexiko auf Patentarzneien, Generika kommen auf 35 Prozent und OTC-Produkte (Over-the-Counter) auf 14 Prozent. Was die verkauften Stückzahlen betrifft, überwiegen allerdings Generika. Hier erzielen die Nachahmerpräparate nach Angaben der Zulassungsbehörde COFEPRIS einen Anteil von 80 Prozent.
2018 | 2019 | 2020 | 2021 *) | |
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Marktvolumen | 12,5 | 12,7 | 12,5 | 14,4 |
Lokale Produktion | 9,4 | 9,4 | 9,0 | 10,7 |
Importe | 4,6 | 4,8 | 5,0 | 5,2 |
Exporte | 1,5 | 1,5 | 1,5 | 1,5 |
Rund 13 Prozent der importierten Verpackungsmaschinen gehen an den Pharmasektor
Nach Angaben des Statistikamtes INEGI waren im Jahr 2023 insgesamt 972 Hersteller in Mexiko tätig, hauptsächlich in der Metropolregion Mexiko-Stadt sowie in den Bundesstaaten Jalisco, Puebla, Morelos und Baja California. Die Herstellung konzentriert sich auf Generika. Patentmedikamente hingegen werden häufig importiert. Zahlen des Verbandes der Pharmahersteller AMELAF (Asociación Mexicana de Laboratorios Farmacéuticos) zufolge entfielen 2021 rund 50,6 Prozent der landesweiten Pharmaproduktion auf Antibiotika, gefolgt von Analgetika/Schmerzmitteln (17,7 Prozent), dermatologischen Arzneimitteln (6,4 Prozent), Krebsmedikamenten (5,9 Prozent) und Antiparasitika (4,2 Prozent).
Laut dem nordamerikanischen Verband der Verpackungsindustrie PMMI (The Association for Packaging and Processing Technologies) waren 2020 rund 13 Prozent der gesamten mexikanischen Importe von Verpackungsmaschinen für den Pharmasektor bestimmt. Die Investitionen des Pharmasektors in Mexiko werden dank Nearshoring mittelfristig zulegen, so PMMI.
Deutsche Unternehmen erweitern Produktionskapazität
Boehringer Ingelheim vergrößert derzeit sein Werk im Stadtteil Xochimilco in Mexiko-Stadt, wie Augusto Muench, Geschäftsführer des Unternehmens in Mexiko gegenüber GTAI berichtet. Boehringer Ingelheim produziert am Standort seit 1973 Human- und Tierarzneimittel.
Bayer investiert Presseberichten zufolge zwischen 2023 und 2025 rund 200 Millionen US$ in den Ausbau verschiedener Werke in Mexiko. Dazu gehört die Produktionsstätte in Lerma (Bundesstaat México), wo Bayer Alka Seltzer und Aspirin herstellt. Auch das Werk in Orizaba (Bundesstaat Veracruz) wird ausgebaut. Hier produziert das Unternehmen pharmazeutische Wirkstoffe für Verhütungsmittel, die nach Deutschland geliefert werden. Mit 5.000 Angestellten ist Bayer eines der wichtigsten Pharmakonzerne in Mexiko, wobei dazu auch die Sparte für Agrarchemikalien zählt.
Eine größere Investition kündigte Ende 2022 der mexikanische Hersteller Grupo Neolpharma an. Für rund 44,5 Millionen US$ errichtet das Unternehmen zwei neue Werke zur Herstellung von Impfstoffen, Medikamenten für Krebs und Autoimmunkrankheiten sowie Spritzen und Kanülen im Industriepark Industrial Vallejo im Norden von Mexiko-Stadt. Zu der Investition gehört auch ein Forschungs- und Entwicklungslabor. Die neuen Werke sollen sowohl den heimischen Markt als auch die USA und andere Länder Lateinamerikas bedienen.
Unternehmen | Herkunftsland | Umsatz 2021 1) |
---|---|---|
Genomma Lab Internacional | Mexiko | 762 |
Sanofi México | Frankreich | 723 |
Roche México | Schweiz | 526 |
Pfizer México | USA | 545 |
Bayer de México2) | Deutschland | 426 |
Boehringer Ingelheim México | Deutschland | 366 |
Novartis México | Schweiz | 310 |
AstraZeneca | Vereinigtes Königreich | 296 |
Farmacéuticos Maypo | Mexiko | 294 |
Bausch Health México | Kanada | 256 |
Merck México | Deutschland | 246 |
Erneuter Wechsel bei der öffentlichen Beschaffung von Medikamenten
Im Dezember 2023 eröffnete die Regierung im Bundesstaat México die staatliche Großapotheke Megafarmacia del Bienestar. Über sie soll die Verteilung von Medikamenten und medizinischem Verbrauchsmaterial für den öffentlichen Sektor laufen. Die Medikamente werden vom staatlichen Labor Birmex (Biológicos y Reactivos de México) beschafft (öffentliche Ausschreibung Compra Consolidada 2024). Birmex erhielt dafür 2024 einen Etat in Höhe von 10,2 Milliarden mexikanischen Pesos (mex$), umgerechnet rund 610 Millionen US$. Inflationsbereinigt ist dieser Etat um 49 Prozent höher als im Vorjahr.
Die neue Großapotheke soll unter anderem die öffentlichen Krankenhäuser der verschiedenen Gesundheitskassen (IMSS, ISSSTE und IMSS Bienestar) mit Pharmazeutika beliefern. Branchenkennern zufolge kommt dieses Vorhaben jedoch sehr schleppend voran. Die Regierung unter Präsident López Obrador hatte die öffentliche Beschaffung von Medikamenten zunächst an das Finanzministerium (Secretaría de Hacienda) übertragen und danach an das staatliche Gesundheitsinstitut INSABI (Instituto de Salud para el Bienestar), das wiederum das Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen (UNOPS) mit der Aufgabe betraute. Birmex wird bei der Aufgabe vom Militär unterstützt.
Gesundheitsministerium | |
Instituto Mexicano del Seguro Social (IMSS) | Sozialversicherung der privaten Arbeitnehmer |
Instituto de Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado (ISSSTE) | Sozialversicherung der Staatsbediensteten |
Asociación Mexicana de Industrias de Investigación Farmacéutica (AMIIF) | Mexikanischer Verband der forschenden Pharmaindustrie |
Cámara Nacional de la Industria Farmacéutica (Canifarma) | Nationale Kammer für Pharmazeutika |