Rechtsbericht | Mexiko | Verfassungsrecht
Die Reform des mexikanischen Justizsystems
Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen der im September 2024 beschlossenen Justizreform in Mexiko.
04.11.2024
Von Dr. Julio Pereira | Berlin
Mit der Justizreform vom 15. September 2024 will Mexiko seit langem bestehende Probleme wie die Langsamkeit der Justiz, die mangelnde Gleichstellung von Frauen und Männern in richterlichen Ämtern und die schwache strukturelle Justizorganisation überwinden. Darüber hinaus führt die Reform eine noch nie dagewesene Änderung des mexikanischen Rechtssystems ein, die sich auf das Funktionieren der Justiz insgesamt auswirken wird: die Volkswahl von Richterinnen und Richtern. Die wichtigsten Änderungen werden im Folgenden erläutert.
Neue Struktur der Bundesjustiz
Die Justizreform 2024 in Mexiko verändert die Grundstruktur des Justizsystems erheblich. Die Änderungen wirken sich mittelbar auf alle Organe der Justiz und unmittelbar auf den Obersten Gerichtshof (SCJN) und den Bundesjustizrat (CJF) aus.
Änderungen am Obersten Gerichtshof
Es gibt drei wesentliche Änderungen, die speziell den SCJN betreffen. Erstens wird mit der Reform die Zahl der Richter des Obersten Gerichtshofs von elf auf neun reduziert. Außerdem wird die Dienstzeit dieser Richter von 15 auf 12 Jahre verkürzt. Zudem werden die lebenslangen Richterpensionen für ehemalige Mitglieder des Obersten Gerichtshofs abgeschafft, um Sparmaßnahmen zu ergreifen und Privilegien abzubauen.
Abschaffung des Bundesjustizrates
Mit der Reform wird der Bundesjustizrat (Consejo de la Judicatura Federal - CJF) aufgelöst, der bis dahin für die Verwaltung der Mittel und für die Überwachung der Verhaltensweise der Richter zuständig war. An seiner Stelle werden zwei neue, getrennte Organe geschaffen:
- Justizverwaltungsorgan (Órgano de administración judicial - OAJ): Es ist für die administrative Leitung des gesamten Justizwesens zuständig, einschließlich der Bestimmung der territorialen Zuständigkeit der Bezirksgerichte und der Leitung des Wahlgerichts.
- Gericht für richterliche Disziplinarangelegenheiten (Tribunal de Disciplina Judicial - TDJ): Es hat die Aufgabe, Ermittlungen gegen Beamte der Bundesgerichtsbarkeit (einschließlich Richter aller Instanzen) wegen Fehlverhaltens, Korruption oder sonstiger verwaltungs- oder strafrechtlich relevanter Tatbestände durchzuführen und Sanktionen zu verhängen. Jede Person oder Behörde kann sich mit Beschwerden an den TDJ wenden, der unabhängig entscheiden muss.
Volkswahl für Richterstellen
Die umstrittenste Änderung der Justizreform betrifft zweifellos das neue Ernennungsverfahren für die Bundesrichterposten. Die Reform sieht vor, dass alle Bundesrichter, einschließlich der Richter der Appellationsgerichte und der Richter des Obersten Gerichtshofs, in einer Volksabstimmung gewählt werden müssen. Mit dieser Änderung wird die bisherige Ernennungsmethode abgeschafft, die vom Präsidenten der Republik vorgenommen und vom Senat (im Falle der Richter des Obersten Gerichtshofs) bestätigt worden war, und die vom inzwischen aufgelösten Bundesjustizrat (im Falle der Bundesrichter der ersten und zweiten Instanz) durchgeführt wurde.
Mit der Einführung der neuen Ernennungsmethode für Richterstellen hat sich auch das Auswahlverfahren für das Richteramt in Mexiko grundlegend geändert. Vor der Reform basierte das Auswahlverfahren auf Prüfungen, die vom Bundesjustizrat (CJF) durchgeführt wurden. Um in das Richteramt berufen zu werden, mussten die Kandidat:innen strenge mündliche und schriftliche Prüfungen bestehen, um ihre fachliche Kompetenz nachzuweisen. Darüber hinaus mussten sich die Richter:innen regelmäßigen Bewertungen unterziehen, um ihre Eignung für das Amt zu bestätigen, und konnten nur im Falle eines schweren disziplinarischen Fehlverhaltens abgesetzt werden. Die Notwendigkeit, ein Examen zu bestehen, wurde abgeschafft. Obwohl die Reform von den Kandidat:innen nach wie vor eine solide juristische Ausbildung, Berufserfahrung und besondere akademische Verdienste (zum Beispiel hohe Durchschnittsnoten) verlangt, hängt ihre Ernennung nun im Wesentlichen vom Wahlverfahren ab.
Nach den offiziellen Daten der Nationalen Volkszählung über die Bundesjustizverwaltung, die 2023 vom Nationalen Institut für Statistik und Geografie (Instituto Nacional de Estadística y Geografía - INEGI) veröffentlicht wurde, gibt es in Mexiko 1.658 Bundesrichter:innen, einschließlich derjenigen am Obersten Gerichtshof. Für die Jahre 2025 und 2027 sind bereits Wahlen zur Besetzung aller Richterposten vorgesehen. Das bedeutet, dass die Bundesjustiz in den nächsten drei Jahren durch Volksabstimmung massiv erneuert werden soll.
Fristen für Gerichtsentscheidungen und Gerichtsgebühren
Um die Schnelligkeit und Effizienz der Justiz zu verbessern, sieht die Reform vor, dass die Richter:innen innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnisnahme des Falles eine Entscheidung treffen müssen. Wenn diese Frist abläuft und die Entscheidung noch nicht ergangen ist, muss die zuständige richterliche Instanz unverzüglich das Gericht für richterliche Disziplinarangelegenheiten (TDJ) informieren und die Gründe für die Verzögerung darlegen. Das TDJ ist für die Bestrafung von ungerechtfertigten Verstößen verantwortlich. Neben dem Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren sieht die Reform vor, dass der Zugang zur Justiz unentgeltlich sein muss, wobei Gerichtsgebühren ausdrücklich verboten sind. Genaue Einzelheiten über mögliche verlängerte Fristen für komplexe Fälle oder außergewöhnliche Kosten müssen noch gesetzlich festgelegt werden.
Geschlechterparität bei der Besetzung von Richterstellen
In der Justizreform 2024 wird die Geschlechterparität als grundlegendes Verfassungsprinzip für das Funktionieren der Gerichtsbarkeit verankert, so dass eine ausgewogene Besetzung der Gerichte mit Frauen und Männern gewährleistet sein muss. Dieser Grundsatz findet sich in mehreren Artikeln, darunter auch in den verfassungsrechtlichen Übergangsbestimmungen zum außerordentlichen Wahlverfahren, das bereits 2025 neue Richter:innen auswählen wird. So ist beispielsweise ausdrücklich festgelegt, dass fünf Frauen und vier Männer in den Obersten Gerichtshof gewählt werden müssen.