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Großprojekte erhöhen Ausbildungsbedarf in Namibia
Anlagen für grünen Wasserstoff, Ölförderung vor der Küste, neue Bergbauvorhaben: In Namibia werden viele Fachkräfte gebraucht. Das erweitert den Markt für Bildungsanbieter.
07.11.2024
Von Marcus Knupp | Berlin
Der aktuelle Boom bei Großprojekten in Namibia verspricht tendenziell viele neue Jobs. Auf den Baustellen, bei Transport und Logistik, bei nachgelagerten Dienstleistungen und natürlich in den Produktionsanlagen selbst. Die Tätigkeiten verlangen aber oft sehr spezielle Qualifikationen. Die Strukturen, um diese auszubilden, müssen zum Teil erst aufgebaut werden. Hier gibt es Potenzial für Ausbildungsträger, Ausstatter von Bildungseinrichtungen oder Anbieter digitaler Lernkonzepte.
Berufliche Bildung hat Priorität
In Namibia gibt es bisher nicht sehr viele Ausbildungsgänge. Die National Training Authority (NTA) führt auf ihrer Internetseite 144 Qualifikationstitel auf, die sich grob 68 Berufen zuordnen lassen. Neben Berufsfeldern wie Landwirtschaft, Handel, Finanzen, Tourismus, Gesundheit, Telekommunikation und Logistik entfallen die meisten registrierten Ausbildungsgänge auf den Bereich Kfz und vor allem Bergbau und Energie.
Die Ausbildung in den Berufsbildungseinrichtungen ist nach wie vor stark schulisch geprägt. Praktische Kenntnisse werden nur in geringem Umfang vermittelt. Ansätze zu einer dem deutschen dualen System ähnlichen Ausbildung mit theoretischen und praktischen Elementen gibt es im Bereich der Büroberufe sowie in einzelnen Sparten des Handwerks. So unterstützt die Handwerkskammer Frankfurt am Main die Ausbildung in der Fertigung orthopädischer Schuhe. Generelles Problem ist, dass es nur wenige Betriebe gibt, die geeignet und interessiert daran sind, Lehrlinge aufzunehmen.
Deutsch-Namibische Zusammenarbeit
Einen Impuls zur Stärkung des dualen Systems in Namibia könnte der 2024 beschlossene Aufbau eines Ausbildungszentrums in der Hauptstadt Windhoek geben, den die Industrie- und Handelskammer Berlin fachlich begleitet. Hintergrund ist hier zwar vor allem die Ausbildung junger Namibier nach deutschen Standards, um mit ihrer Hilfe Lücken auf dem Berliner Arbeitsmarkt zu schließen. Doch nicht alle Absolventinnen und Absolventen werden den Weg nach Deutschland antreten. Sie stehen somit auch Betrieben in Namibia zur Verfügung. Nebeneffekt: Das Modell der dualen Berufsausbildung wird vor Ort bekannt und kann Nachahmer finden.
Mit der Ausbildung nach deutschem Standard entfällt das Problem der Anerkennung der Abschlüsse in Deutschland. Umgekehrt könnten junge Menschen aus Namibia in Deutschland ausgebildet werden. Auch dann wäre die Qualifikation gleichwertig. Ein entsprechendes Modell ist 2023 gestartet. Anfang 2024 organisierte das Goethe-Institut in Windhoek eine Ausbildungsmesse, auf der deutsche Unternehmen auf namibische Bewerberinnen und Bewerber treffen konnten. Ein klarer Engpass waren allerdings die häufig zu geringen Deutschkenntnisse. Denn für eine Ausbildung in Deutschland müssten die Auszubildenden zunächst die deutsche Sprache erlernen. Bei den Ausbildungsgängen des geplanten Ausbildungszentrums in Windhoek könnte das parallel während der Ausbildung geschehen.
Das Problem der Zertifizierung
Langfristig wäre es wünschenswert, fehlende Ausbildungsgänge von Grund auf einzuführen. Eine kurzfristig umsetzbare Alternative wäre, zusätzliche Qualifikationen in Aufbaulehrgängen zu vermitteln. Das böte auch die Chance, sehr spezielle Kenntnisse schnell zu vermitteln, wie sie bei den eingangs erwähnten Großprojekten benötigt werden, etwa auf Bohrinseln, bei der Installation von Windrädern und Solaranlagen oder bei der Wartung hydraulischer Teile von Maschinen im Bergbau.
Gerade für den Einsatz in diesen hochtechnisierten Bereichen bei internationalen Unternehmen ergibt sich jedoch eine weitere Schwierigkeit: Für die Arbeit etwa auf einer Bohrinsel müssen aus versicherungstechnischen Gründen international anerkannte Zertifikate vorgelegt werden. Die Ausbildung zum Schweißer an einer namibischen Berufsschule reicht hierzu nicht aus. Bisher gibt es in Namibia aber kein entsprechendes Testzentrum. Die Kandidaten müssten dafür nach Kapstadt in Südafrika reisen. Mit Reisekosten, Unterkunft und Kursgebühren kann das schnell umgerechnet 5.000 Euro kosten – für die meisten zu viel.
Welche Rolle für lokale Arbeitskräfte?
Die Einrichtung eines Zentrums für die Vergabe entsprechender internationaler Zertifikate wäre also eine wichtige Aufgabe, um lokalen Arbeitskräften eine größere Teilhabe am aktuellen Projektboom zu ermöglichen. Andernfalls rekrutieren die Unternehmen ihr Personal auf dem internationalen Markt. Dies kann die Akzeptanz von Großprojekten vor Ort erheblich beeinträchtigen. Denn lokal spürbare Wohlstandsgewinne sind oft ein wesentlicher Anreiz.
Im Rahmen des Markterschließungsprogramms (MEP) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist für 2025 eine Markterkundungsreise im Bereich Aus- und Weiterbildung nach Namibia und Angola geplant. Die Reise wird vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft durchgeführt. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben.
Für die Publikation Green Hydrogen Monitor des Institute for Public Policy Research (IPPR) in Windhoek hat Robin Sherbourne die Aussagen zu möglichen Beschäftigungseffekten der aktuell geplanten Wasserstoffprojekte in Namibia analysiert. Insbesondere die Angaben der Regierung sind oft sehr optimistisch. So hält die Green Hydrogen Strategy einen Gesamteffekt auf den namibischen Arbeitsmarkt von 600.000 Arbeitsplätzen zwischen 2022 und 2040 für möglich. Auf dem Global African Hydrogen Summit in Windhoek im September 2024 präsentierten offizielle Vertreter dann Wirtschaftsmodelle, die von 250.000 Stellen im Wasserstoffsektor bis 2040 ausgehen.
Nur wenige der Konsortien, die derzeit am Aufbau der Wasserstoffwirtschaft in Namibia beteiligt sind, haben Zahlen zu möglichen Beschäftigungseffekten veröffentlicht. Eine Ausnahme ist das Hyphen-Projekt im Süden des Landes. Selbst dieses vom Umfang her größte Vorhaben schätzt, dass während der Bauphase 15.000 Menschen gebraucht werden und für den endgültigen Betrieb lediglich 3.000. Viel hängt davon ab, inwieweit benötigte Komponenten wie Solarpaneele, Elektroteile oder Baustoffe lokal gefertigt werden können. Hier bestehen Chancen für mehr Beschäftigung. Voraussetzung ist allerdings die Ausbildung entsprechender Fachkräfte.