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Grüne Wasserstoffprojekte kommen unterschiedlich voran
Vorhaben zur Produktion von grünem Wasserstoff stehen in Namibia ganz oben auf der Agenda. Nicht alle kommen gleich gut voran, wie eine umfassende Projektübersicht zeigt.
13.11.2024
Von Marcus Knupp | Berlin
Deutschland braucht grünen Wasserstoff, um seine Industrie zu dekarbonisieren. Wüstenstaaten wie Namibia verfügen über eine sehr hohe Sonneneinstrahlung und große Flächen für Solarkraftwerke. An der Küste können Windkraftanlagen die Energieversorgung ergänzen. Daher die Idee, den Wasserstoff in Namibia zu erzeugen, in Ammoniak umzuwandeln und nach Deutschland zu transportieren. Das Land im Südwesten Afrikas sieht darin die Chance für eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung.
Wachsende Zahl an Vorhaben
Die Regierung in Windhoek hat den neuen Energieträger deshalb ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Aber auch private Unternehmen erkennen die Möglichkeiten der Wasserstoffwirtschaft in Namibia. Die Ideen reichen von kleinen Pilotprojekten bis zu Megavorhaben, vom reinen Export des Wasserstoffs bis zur lokalen Nutzung. Vor einigen Jahren haben die ersten Planungen begonnen. Seither sind nicht nur etliche weitere Projekte hinzugekommen. Es zeigt sich auch eine deutliche Diskrepanz in der Umsetzung.
Während einige Vorhaben weiterhin nur auf dem Papier stehen, kann die Produktion bei anderen in Kürze anlaufen. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Neben der Größe der Projekte und dem damit verbundenen Planungs- und Finanzierungsaufwand spielt der gewählte Standort eine wichtige Rolle. Welche Infrastruktur ist bereits vorhanden? Was muss alles neu gebaut werden? Und vor allem: Gibt es vor Ort ausreichend Wasser? Schließlich zeigt die bisherige Erfahrung, dass das Zusammenspiel privater und öffentlicher Akteure, lokaler und internationaler Partner wesentlichen Einfluss auf die Verwirklichung hat.
Am bekanntesten ist das Projekt Hyphen bei Lüderitz, eines der weltweit größten Vorhaben zur Produktion von grünem Wasserstoff. Das Investitionsvolumen von fast 10 Milliarden US-Dollar (US$) entspricht rund drei Vierteln des namibischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ziel ist hier vor allem der Export. Weit fortgeschritten sind Pilotprojekte zur Produktion von grünem Ammoniak als Kraftstoff und grünem Wasserstoff für die Eisenverhüttung in der Region zwischen dem Hafen Walvis Bay und dem Bergbaustandort Arandis.
Drei Entwicklungsregionen mit unterschiedlichen Voraussetzungen
Die nationale Wasserstoffstrategie definiert drei Entwicklungsregionen, die alle an der Küste liegen. Die nördliche existiert bislang nur als Idee. Neben Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien und zur Elektrolyse von Wasserstoff sind hier ein neuer Hafen und eine Pipeline in die zentrale Region um Walvis Bay geplant. Dort sind die bisherigen Pilotprojekte angesiedelt, die neben der Elektrolyse auch Anwendungen im Hafen, in der Eisenverhüttung und in der Stromversorgung vorsehen. Die südliche Region schließlich wird dominiert vom Hyphen-Projekt als Teil der Southern Corridor Development Initiative (SCDI), die ein Gebiet von rund 26.000 Quadratkilometern in der Region IIKharas umfasst.
Je näher die Realisierung der Projekte rückt, desto deutlicher werden auch die Interessenkonflikte, vor allem zwischen den Projektbefürwortern und den Naturschützern sowie einigen Vertretern der lokalen Bevölkerung.
In der Kritik steht vor allem der Bau von zum Teil flächenintensiven Anlagen zur Energieerzeugung innerhalb von Nationalparks, die seltene Tier- und Pflanzenarten gefährden könnten. In Anspielung auf Arten, die auf der roten Liste stehen, hat der Umweltverband Namibian Chamber of Environment (NCE) den Begriff "roter Wasserstoff" in die Diskussion eingebracht.
Der langsame Fortschritt einiger Projekte führt zudem dazu, dass bisher nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Insbesondere lokale Gemeinschaften fühlen sich hierdurch nicht ausreichend beteiligt. Die Regierungsagentur Namibia Green Hydrogen Programme nimmt die Kritik offenbar ernst und hat im Juli 2024 eine Gegendarstellung in Form einer Broschüre mit dem Titel Demystifying Green Hydrogen veröffentlicht.
Große Pläne für die Wasserstoffwirtschaft
Namibia hat mit nur etwa 3 Millionen Einwohnern einen begrenzten Energiebedarf. Dem stehen eine Fläche von rund 824.000 Quadratkilometern, eine hohe Sonneneinstrahlung und eine rund 1.600 Kilometer lange Küstenlinie mit kräftigen Winden gegenüber. Die namibische Regierung hat im November 2022 eine Namibia Green Hydrogen and Derivatives Strategy veröffentlicht. Zentrales Argument ist das große Angebot an erneuerbaren Energien und damit geringe Produktionskosten für grünen Wasserstoff. Diese beziffert das Papier auf 1,2 bis 1,3 US$ pro Kilogramm im Jahr 2030.
Den Kostenvorteil gegenüber anderen Anbietern will Namibia nutzen und Wasserstoff oder seine Derivate wie synthetisches Methanol oder Kerosin exportieren. Absatzmärkte liegen vor allem in Europa und Ostasien (China, Japan, Korea). Den eigenen Anteil am Welthandel mit Wasserstoff schätzt Namibia auf 5 bis 8 Prozent. Nach 1 bis 2 Millionen Tonnen im Jahr 2030 soll das Exportvolumen bis 2040 auf 5 bis 7 Millionen Tonnen und bis 2050 auf 10 bis 15 Millionen Tonnen steigen.
Lokale Nutzung oder Export
Der Transport von Wasserstoff über große Distanzen ist sehr aufwendig. Während er auf kurzen bis mittleren Strecken durch speziell dafür ausgelegte Pipelines fließen kann, ist für den Transport mit dem Tankschiff die vorherige Umwandlung in Ammoniak notwendig. Aus diesem kann der Wasserstoff am Zielort dann wieder extrahiert werden. Angesichts des Aufwandes und der Kosten stellt sich die Frage, ob eine Nutzung vor Ort nicht sinnvoller ist.
Auch in Namibia fällt die Antwort auf diese Frage unterschiedlich aus. Auffällig ist, dass Projekte mit dem Ziel lokaler Nutzung zum Teil schneller verwirklicht werden. So steht die Eisenverhüttung im Direktreduktionsverfahren mit grünem Wasserstoff bei HyIron bei Arandis kurz vor dem Start. Im Dezember 2024 kann voraussichtlich auch die Produktion von grünem Ammoniak in einer Pilotanlage in Walvis Bay starten, den Cleanergy Solutions als Treibstoff für Schiffe anbieten will.
In beiden Fällen ist ein wesentliches Problem vieler Wasserstoffprojekte bereits gelöst: die garantierte Abnahme. Bei HyIron wird der Wasserstoff direkt vor Ort verbraucht. Am Joint Venture Cleanergy ist neben der lokalen Holding Ohlthaver & List auch die belgische Reederei CMB beteiligt, die ihre Flotte auf den Betrieb mit Ammoniak umstellen will.
Insbesondere bei exportorientierten Großprojekten ist die Abnahmesicherheit ein Stolperstein. Potenzielle Abnehmer zögern, sich auf einen Preis und feste Liefermengen festzulegen. Die Produzenten können in der Folge ihren Geldgebern keine festen Verkaufsmengen garantieren, was wiederum Investitionen verzögert.
Projektübersicht: Vorhaben unterschiedlich weit fortgeschritten
Projekt | Beschreibung | Beteiligte Unternehmen | Stand |
---|---|---|---|
Hyphen | Produktionsanlage für grünen Wasserstoff und Ammoniak; Wind- und Solaranlage auf 4.000 km² mit 7 Gigawatt (GW), Wasser wird durch Meerwasserentsalzung gewonnen; ab 2027 zunächst 1 Mio. Tonnen (t) Ammoniak für den Export, 2 Mio. t ab 2029; Beteiligung der namibischen Regierung mit 24 Prozent angekündigt | Nicholas Holdings (NAM), Enertrag (DEU) | Vorbereitungen laufen (Environmental and Social Impact Assessment, Wetterstationen); Abnahme ist ungeklärt |
Cleanergy Solutions Namibia | Pilotanlage zur Elektrolyse von Wasserstoff mit Solarenergie (5 Megawatt/MW); Herstellung von Ammoniak als Schiffstreibstoff in Walvis Bay; Perspektivisch Upscaling mit größerer Anlage in Arandis (2029, 1 GW); Teilfinanzierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) | Ohlthaver & List (NAM), CMB.TECH (BEL) | Produktionsstart Ende 2024 vorgesehen |
HyIron Oshivela | Pilotanlage zur Eisenverhüttung im Direktreduktionsverfahren; Elektrolyse von Wasserstoff, Solaranlage 25 MW; Ausbau auf 18 MW Wind- und 140 MW Solarkraftwerk geplant; Teilfinanzierung durch das Bundeswirtschaftsministerium | TS Group (DEU), LSF Energy (DEU), CO2Grab (DEU) | Produktionsstart Ende 2024 vorgesehen |
HyRail Namibia | Entwicklung und Test von Wasserstoff-Diesel Dual-Fuel-Lokomotiven; Wasserstoff von Cleanergy; Teilfinanzierung BMBF | TansNamib (NAM), CMB.TECH (BEL), Hyphen Technical (NAM) | Im September 2024 angehalten |
HDF Renewstable | Vorhaben zur Herstellung von grünem Wasserstoff bei Swakopmund; Ziel ist durchgängige Stromversorgung, Wasserstoff als Speichermedium ergänzt Solarkraftwerk mit 85 MW, gespeicherte Energie wird in Brennstoffzellen wieder in Elektrizität umgewandelt; Teilfinanzierung durch die Europäische Investitionsbank | Hydrogène de France (HDF) (FRA) | Baubeginn 2025 vorgesehen |
Daures Green Hydrogen Village | Prototyp einer klimaneutralen Siedlung, Fläche von 30.000 ha, Nähe Brandbergs in der Provinz Erongo; Produktion von grünem Wasserstoff auf Basis von Wind- und Solarenergie; Produktion von Ammoniak und Dünger für lokale Verwendung; Universitäten aus NAM und D als Partner; technische Beratung von Fichtner; Teilfinanzierung BMBF | Enersense Energy Namibia (NAM), Daure Daman Traditional Authority (NAM), Tsiseb Conservancy (NAM) | Anlagen im Bau, Testbetrieb ab 2024 |
Zhero Green Hydrogen | Produktionsanlage für 500.000 t/Jahr grünes Ammoniak ab 2029, circa 70 km von Walvis Bay | Zhero Molecules (ITA), Envision Energy (VRC) | Planung, finale Investitionsentscheidung 2026 |
Elof Hansson Hydrogen Namibia | Produktionsanlage für 430.000 t/Jahr grünes Ammoniak mit 2.500 MW Solarkraftwerk und Batteriespeicher, Meerwasserentsalzungsanlage; Region Walvis Bay | Elof Hansson (SWE) | Planung |
NeoGreen Hydrogen Namibia | Produktion von grünem Ammoniak als Teibstoff; Solaranlage und Produktionsanlagen in der Region IIKharas; NeoGreen hatte auch für Projekt im Rahmen der Southern Corridor Development Initiative (SCDI) geboten (Preferred Bidder war Hyphen) | Alpha Namibia Industries Renewable Power (ANIREP) (NAM), NeoGreen Hydrogen (CAN), Bunker Holding (DNK) | Planung |
GreenGo Energy | Entwicklung von Solar- und Windkraftwerken; Energie für Produktion von grünem Wasserstoff; Verwendung in der Eisenverhüttung möglich | GreenGo Energy (DNK), InnoSun Energy Holdings (NAM), Lodestone (NAM) | Planung |
Zusätzliche Förderung erhält Namibia im Rahmen der Global Gateway Strategie der Europäischen Union. Kernstück ist eine Roadmap für eine strategische Partnerschaft im Bereich nachhaltiger Rohstofflieferketten und grünem Wasserstoff.