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Branche kompakt | Niederlande | Chemische Industrie

Die Chemiebranche ist sehr forschungsintensiv

Im niederländischen Chemiesektor dominieren Basischemikalien und Raffinerieprodukte. Hervorragende Geschäftschancen eröffnet der Umbau zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit.

Von Torsten Pauly | Berlin

  • Markttrends

    Umweltgerechte Chemieprodukte gewinnen rasch an Bedeutung.

    Chemiemarkt ist einer der größten Europas

    In den Niederlanden fallen etwa 12 Prozent des gesamten europäischen Umsatzes mit chemischen Erzeugnissen an. Diese Angabe macht der kontinentale Branchenverband cefic. Der niederländische Anteil ist damit annähernd so hoch wie der französische (14 Prozent), obwohl dort fast viermal so viele Einwohner leben.

    Auch der Transithandel mit chemischen Erzeugnissen spielt in den Niederlanden eine große Rolle. Laut Statistikamt CBS waren 2020 etwa 37 Prozent des entsprechenden Außenhandels nicht für den eigenen Binnenmarkt, sondern zur Weiterleitung in andere Länder bestimmt.

    Basischemikalien sind wichtigstes Segment

    Etwa 66 Prozent des Marktumsatzes in Höhe von 61 Milliarden Euro (2019) entfallen auf Basischemikalien. Dabei wiederum sind anorganische Grundstoffe und Chemikalien (44 Prozent) sowie Kunststoffe in Primärform (38 Prozent) die bedeutendsten Sparten. Eine große Rolle spielt auch die Mineralölverarbeitung, insbesondere im Raum Rotterdam, da der dortige Hafen der größte für Rohölimporte in der Europäischen Union (EU) ist.

    Der hohe Anteil von Basischemikalien und Mineralölerzeugnissen bringt große Umsatzschwankungen mit sich, da deren Absatz stark von der Gesamtkonjunktur abhängt. So war der kalendertagbereinigte Umsatz mit chemischen Erzeugnissen 2020 wegen der Coronakrise um 10,1 Prozent gesunken. Ab dem Frühjahr 2021 gab es aber eine kräftige Erholung, sodass der Index im dritten Quartal um 37,6 Prozent höher war als im selben Vorjahreszeitraum.

    Niederländischer Umsatz mit chemischen Erzeugnissen (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

    NACE Rev.2

    Sparte

    2018

    2019

    Veränderung 2019/18

    19

    Mineralölverarbeitung, Kokerei

    37.252

    35.835

    -3,8

    20

    Chemie, darunter

    63.766

    60.945

    -4,4

    20.1

      Basischemikalien, darunter

    42.285

    39.968

    -5,5

    20.14

        anorganische Grundstoffe und Chemikalien

    20.521

    17.692

    -13,8

    20.16

        Kunststoffe in Primärformen

    14.359

    15.170

    5,6

    20.15

        Düngemittel

    2.371

    2.441

    3,0

    20.3

      Farben

    3.122

    3.220

    3,1

    20.5

      Sonstige chemische Erzeugnisse

    6.241

    5.136

    -17,3

    21

    Pharmazeutika, davon

    6.107

    6.868

    12,5

    Quelle: CBS 2021

    Auch der niederländische Markt für Arzneimittel zählt zu den größten Europas. Im Jahr 2019 lag der Umsatz bei 6,9 Milliarden Euro. Laut dem laut europäischem Pharmaverband efpia lagen die Niederlande beim Umsatzvolumen in der EU 2019 an sechster Stelle.

    Gute Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum

    Eine Chance und Herausforderung ist die klimaschonende Produktion. Der Umbau in der niederländischen Wirtschaft insgesamt eröffnet vielen Chemieerzeugern gute Wachstumschancen, etwa durch die Forcierung der Wasserstoffenergie und der CO2-Speicherung. Die Voraussetzungen zur Entwicklung neuer Produkte sind dank der hohen Forschungs- und Innovationskraft gut. Auch in der Chemieindustrie selber wird es in den kommenden Jahren große Veränderungen geben. Der Chemieverband VCNI hält eine Reduzierung des branchenweiten Ausstoßes von Treibhausgasen um 90 Prozent bis 2050 für möglich. Dies eröffnet auch deutschen Lieferanten von Umwelttechnik und energieeffizienten Ausrüstungen hervorragende Geschäftschancen. Der Verband VCNI sieht in der Entwicklung nachhaltiger Produkte und in Lösungen für die Kreislaufwirtschaft aber auch hervorragende Wachstumschancen für seine Mitglieder.

    Investitionen eröffnen gute Geschäftschancen

    Eines der größten Investitionsvorhaben ist eine Raffinerie für Biokraftstoffe des finnischen Mineralölkonzerns Neste in Rotterdam. Exzellente Auftragsmöglichkeiten verspricht auch der stark forcierte Ausbau der Wasserstoffwirtschaft. Hierzu finden sich Großprojekte in vielen Landesteilen, etwa in Südholland und insbesondere in Rotterdam, aber auch in weiteren Provinzen wie Zeeland, Gelderland, Nordbrabant und Limburg. Das mit 9 Milliarden Euro teuerste Wasserstoffprojekt befindet sich jedoch in Noord-Nederland. Damit einher gehen weitere Investitionen, etwa in die Stickstofferzeugung in Zuidbroek in Noord-Nederland.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in den Niederlanden (Investitionen in Millionen Euro)

    Projekt

    Investitionssumme

    Projektstand

    Anmerkung/Ansprechpartner

    Wasserstoffanlage in Noord-Nederland

    9.000

    Planung

    Realisierung bis 2030 geplant, https://www.provinciegroningen.nl/fileadmin/user_upload/Documenten/Beleid_en_documenten/Documentenzoeker/Klimaat_en_energie/Energie_transitie/Investeringsplan_Waterstof_Noord_-_Nederland_2020.pdf

    Bioraffinerie von Neste in Rotterdam

    1.500

    Planung

    Neben nachhaltigen Kraftstoffen sollen auch Rohstoffe für die Chemieindustrie erzeugt werden https://www.neste.com/en

    Bioraffinerie von UPM in Rotterdam

    550

    Planung

    Geplante jährliche Kapazität: 500.000 t; https://www.upm.com/

    Stickstoff-Anlage in Zuidbroek

    502

    Planung

    Investor ist Gasunie https://zuidbroek.gasunie.nl/het-project

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen

    Öffentliche Ausschreibungen publizieren die Niederlande auf dem Portal Expertisecentrum Aanbesteden.

    Importbedarf ist sehr hoch

    Als großer Produktionsstandort führen die Niederlande auch viele chemische Erzeugnisse ein. Im Jahr 2020 hat sich der entsprechende Import auf 43,8 Milliarden Euro summiert. Die größte Bedeutung hatten dabei Industriechemikalien (37 Prozent), gefolgt von Kunststoffen in Primärform (13 Prozent) und Waschmitteln und Kosmetika (11,8 Prozent). Darüber hinaus beziehen die Niederlande sehr viele Arzneimittel aus dem Ausland. Dieser Import hat 2020 etwa 30,7 Milliarden Euro erreicht.

    Deutschland ist dabei das wichtigste Bezugsland, aus dem 2020 etwa 21 Prozent aller chemischen und 17,4 Prozent aller pharmazeutischen Importe gekommen sind. Wichtigste Sparte bei den deutschen Chemielieferungen waren dabei die Industriechemikalien mit einem Anteil von 28,4 Prozent. Bedeutend waren ferner Kunststoffe in Primärform (16,7 Prozent) und als Halbwaren (11,3 Prozent).


    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Branchenstruktur

    Der Chemiesektor ist eine der wichtigsten niederländischen Industriebranchen.

    Forschungsnetzwerke sind hervorragend

    Ein Vorteil der Niederlande sind die kurzen Wege, die hervorragende Infrastruktur bei Pipelines und allen anderen Verkehrsträgern sowie die räumliche Nähe von Erzeugern und öffentlichen sowie privaten Forschungseinrichtungen. Die niederländischen Chemieunternehmen wenden laut Verband VCNI jährlich 1,5 Milliarden Euro für ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auf. Darüber hinaus gaben die niederländischen Pharmaanbieter 2018 etwa 640 Millionen Euro für ihre Forschung und Entwicklung aus. Die hohe Innovationstätigkeit begünstigt auch die Entwicklung von Startups, von denen in den Niederlanden viele in den letzten Jahren gegründet wurden.

    Auch die geographische Lage im Herzen Nordwesteuropas ist ein Standortvorteil. Die Niederlande sind mit den Häfen in Rotterdam - dem größten des Kontinents -, in Amsterdam und in der Provinz Seeland für viele europäische Regionen ein „Tor zur Welt“ und eine wichtige Logistikdrehscheibe. Dies gilt insbesondere für die großen Chemiecluster an Rhein und Main sowie in Antwerpen. Die Niederlande sind auch ein sehr attraktiver Standort für ausländische Unternehmen. Laut der öffentlichen Investitionsförderagentur Invest in Holland sind 19 der 25 weltgrößten Chemiekonzerne in den Niederlanden präsent. Ein zunehmendes Problem ist allerdings der Fachkräftemangel, sowohl in der Forschung und Entwicklung als auch in der Produktion.

    Die Chemieindustrie im engeren Sinne hat 2020 etwa 11,1 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe erbracht. Bedeutend sind auch der Pharmasektor und die Mineralölverarbeitung mit Anteilen von 3,6 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent. In den Niederlanden gab es 2019 insgesamt 1.055 Unternehmen in der Chemieindustrie. Diese hatten 46.030 Mitarbeiter. Darüber hinaus existierten 389 Pharmaunternehmen mit 13.629 Beschäftigten. In der Mineralölverarbeitung waren 38 Unternehmen mit 5.647 Mitarbeitern tätig.


    Wichtige Branchenunternehmen in den Niederlanden (Umsatz in Millionen US$)

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2020

    Yara Sluiskil B.V.

    Agrarchemikalien, Pflanzenschutzmittel

    730

    Teijin Aramid B.V.

    Synthetische Kunststoffe, Fasern, Filamente

    637

    Norit International B.V.

    Diverse chemische Erzeugnisse

    386

    Basell Benelux B.V.

    Synthetische Kunststoffe, Fasern, Filamente

    373

    Linde Gas Benelux B.V.

    Industriegase

    84

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Unternehmensangaben

    In räumlicher Hinsicht konzentriert sich die niederländische Chemie- und Mineralölindustrie daher in den Hafenstädten Rotterdam, Amsterdam und Terneuzen, in Noord-Nederland mit dem Cluster Delfzilj und dem Chemiepark Getec sowie in der Provinz Limburg, wo das Cluster Chemelot seinen Sitz hat. Die Pharmaindustrie ist ebenfalls stark in den Provinzen Nord- und Südholland, Limburg, Noord-Nederland sowie in den Provinzen Noord-Brabant, Gelderland, Utrecht und Flevoland ansässig.

    Der Sektor ist besser durch die Coronakrise gekommen als andere niederländische Industriebranchen. So ist die Produktion 2020 in der Chemieindustrie um 0,2 Prozent und in der Pharmabranche um 1,6 Prozent gestiegen, während es im verarbeitenden Gewerbe insgesamt einen Rückgang um 5,9 Prozent gegeben hat. Auch im dritten Quartal 2021 war der saisonbereinigte Ausstoß der Chemieunternehmen um 2,8 Prozent und derjenige der Pharmafirmen um 5,5 Prozent höher als im selben Vorjahreszeitraum. Im vierten Quartal 2021 erwarten 40 Prozent der Chemieunternehmen steigende Umsätze für 2022. Nur 6 Prozent rechnen mit Rückgängen. In der Pharmaindustrie sind 20 Prozent bezüglich der Umsatzentwicklung optimistisch und 2 Prozent pessimistisch.

    Unternehmen sind sehr exportstark

    Die niederländischen Chemieerzeuger sind stark exportorientiert und erzielen jährlich hohe Ausfuhrüberschüsse. Diese haben sich 2020 auf 18,1 Milliarden Euro summiert. Den größten Anteil hatten dabei Kunststoffe in Primärform (41,4 Prozent), gefolgt von Industriechemikalien (23 Prozent). Auch mit Arzneimitteln haben die Niederlande 2020 einen Exportüberschuss von 14,4 Milliarden Euro generiert. Deutschland ist der wichtigste Auslandsmarkt, der 2020 etwa 21,8 Prozent aller chemischen und 16 Prozent aller pharmazeutischen Erzeugnisse abgenommen hat.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Rahmenbedingungen

    Die Standortbedingungen in den Niederlanden sind gut.

    Es gibt keine Beschränkungen für Lieferanten und Investoren

    In den Niederlanden finden Anbieter aus Deutschland und anderen EU-Staaten keine Hemmnisse beim Marktzugang vor. Wie in anderen Mitgliedsstaaten gelten auch in den  Niederlanden Chemikalienzulassungen der europäischen Chemieagentur ECHA. In der Niederlanden selber ist die Gesellschaft SGS zuständig. Bei Pflanzenschutzmitteln obliegt diese Funktion der Einrichtung CTGB und bei Arzneien der Agentur CIBG.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht zur Verfügung sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Deutsch-Niederländische Handelskammer

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerie van Volksgezondheid, Welzijn en Sport

    Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport

    SGS Nederland B.V.

    Zuständig für die Zertifizierung von Chemikalien

    College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden (CTGB)

    Zuständig für die Zertifizierung von Pflanzenschutzmitteln

    CIBG

    Zuständig für die Zertifizierung von Arzneien u.a. Gesundheitsprodukten

    Koninklijke Vereniging van de Nederlandse Chemische Industrie (VNCI)

    Verband der Chemieindustrie

    Verbond van Handelaren in Chemische Producten (VHCP)

    Verband der Händler mit chemischen Erzeugnissen

    Koninklijke Nederlandse Chemische Vereniging (KNCV)

    Verband der Chemiker

    Nederlandse Vereniging voor Farmaceutische Geneeskunde (NVFG)

    Verband der Pharmaindustrie

    Nederlandse Cosmetica Vereniging (NCV)

    Verband der Kosmetikindustrie

    ChemistryNL

    Internetportal, auf Englisch

    Petfec

    Messe für die Petrochemie in Rotterdam; nächster Termin: 08. bis 09.06.2022


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