Wirtschaftsausblick | Niederlande
Konjunkturerholung im Ausland soll die Wirtschaft stimulieren
Die niederländische Wirtschaft wächst. Exporteure hoffen auf eine stärkere internationale Nachfrage.
23.01.2025
Von Michael Sauermost | Bonn
Top-Thema: Niederländische Chemieindustrie kann sich behaupten
Die Aussichten für den wichtigen niederländischen Chemiesektor sind für das Jahr 2025 besser als die Entwicklungen im Vorjahr: Der Branchenverband Koninklijke Nederlandse Chemische Vereniging (KNCV) erwartet ein Produktionswachstum von 3 Prozent, etwa 2 Prozentpunkte mehr als 2024. Vom hohen Level der Produktion zu Jahresbeginn 2022 sei die Branche noch weit entfernt, konstatiert der KNCV. Die Kapazitätsauslastung beliefe sich etwa um ein Fünftel unterhalb der registrierten Höchstwerte aus 2022.
Die Chemiebranche hofft auf einen Konjunkturaufschwung in Europa, wo rund 80 Prozent der Kunden angesiedelt sind. Die Branchenerlöse außerhalb Europas wachsen, aber ohne das Niveau der Erlöse in Europa zu erreichen.
Die Rahmenbedingungen für den Sektor bleiben schwierig. Vor allem die hohen Energiepreise bremsen das Wachstum: Die Gaspreise liegen in Europa weiterhin um ein Vielfaches über dem Niveau in den USA. Auch der Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgt mit Blick auf Lieferketten für Verunsicherung. Hinzu kommt, dass die hohen Produktionskosten die Wettbewerbsfähigkeit belasten.
Im Chemiesektor werden der Pharmasparte die stabilsten Wachstumschancen eingeräumt: Von 2019 bis 2023 erzielte die niederländische Arzneimittelindustrie Produktionssteigerungen von 8 Prozent im Jahresdurchschnitt.
Wirtschaftsentwicklung: Inlandsnachfrage schürt vorsichtigen Optimismus
Die EU-Kommission prognostiziert eine "Normalisierung" des Wachstumstempos des niederländischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit einem Plus von 1,6 Prozent für das Jahr 2025. Es folgt auf eine reale Steigerung von 0,8 Prozent im Jahr 2024 und geht einem erwarteten Wachstum von 1,5 Prozent für 2026 voraus.
Die Vorhersagen decken sich mit denen der Zentralbank, De Nederlandsche Bank (DNB): Sie geht für 2025 und 2026 jeweils von einem realen BIP-Wachstum von 1,5 Prozent aus. Experten der Zentralbank bewerten die Inflation in Höhe von 3,2 Prozent in den Niederlanden weiterhin als zu hoch und erwarten nicht, dass in den kommenden Jahren die Schwelle von 3 Prozent deutlich unterschritten wird.
Der öffentliche und private Konsum werden auch im Jahr 2025 die Hauptwachstumsquellen sein, so die Experten der Bank ING. Angetrieben wird er durch eine expansive Fiskalpolitik und eine Steigerung der Markteinkommen.
Analysten der Bank ABN AMRO erwarten, dass sich die europäische Nachfrage tendenziell erholt. In Bezug auf den Handel mit Deutschland zeigen sich die Experten skeptisch, was vor allem auf die Konjunkturschwäche der Kfz-Industrie zurückzuführen sein dürfte. Außerdem trüben die befürchteten Schutzzölle der neuen Trump-Regierung die Aussichten für den Handel mit den USA. Sie waren 2023 mit einem Anteil von mehr als 10 Prozent zweitwichtigstes Lieferland der Niederlande. Als Abnehmerland belegten sie Rang 5.
Investitionen der Unternehmen weiterhin unter Druck
Laut dem Investment Radar des niederländischen Statistikamts CBS hat sich das Investitionsklima in den Niederlanden im Oktober und November 2024 im Vergleich zu den Vormonaten leicht verbessert. Durch das Lohnkostenwachstum steht die Rentabilität der Unternehmen weiterhin unter Druck. Eine Abschwächung in wichtigen Exportmärkten dämpft zudem die Nachfrageerwartungen. Die Unternehmen bauen ihre Lagerbestände weiter ab, wenn auch weniger als zuvor. Als Lichtblick wurde die Verfügbarkeit finanzieller Mittel genannt.
Das verarbeitende Gewerbe zeigt sich halbwegs erholt vom Nachfrageeinbruch in Europa, allerdings bleibt die Kapazitätsauslastung niedrig. Die EU-Kommission erwartet für 2025 einen leichten Aufschwung bei den Käufen von technischen Ausrüstungen. Für 2025 kalkuliert sie mit einem bescheidenen Plus im Bausektor von 0,6 Prozent.
Die Wirtschaft profitiert vom expansiven Finanzkurs der niederländischen Regierung. Die Ausgaben richten sich hauptsächlich auf das Gesundheitswesen sowie die öffentliche Verwaltung. Die Staatsverschuldung soll im Jahr 2024 auf einen Anteil von 43,3 Prozent am BIP sinken. Allerdings dürften höhere Defizite danach die Schuldenquote auf 44,3 im Jahr 2025 und dann 45,6 Prozent im Jahr 2026 erhöhen.
Deutsche Perspektive: Neuer Zeitplan für den Delta-Rhein-Korridor
Die niederländische Regierung will weitere Verzögerungen beim Bau des Delta-Rhein-Korridors vermeiden. Ursprünglich sollten in diesem grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekt unterirdische Pipelines für den Transport von Wasserstoff, CO2, Ammoniak und Gleichstrom zeitgleich angelegt werden. Dies erwies sich jedoch als zu komplex. Nun wird der Fokus auf Wasserstoff und CO2 liegen.
Das Projekt soll den Hafen Rotterdam mit Unternehmen im Ruhrgebiet und bis zu BASF nach Ludwigshafen verbinden. Die Fertigstellung des Vorhabens ist für 2031 bis 2033 geplant. BASF, Gasunie, OGE und Shell haben dazu eine Kooperationsvereinbarung zur Entwicklung des Pipelinesystems unterzeichnet.
Deutschland ist traditionell der größte Handelspartner der Niederlande. Der von Destatis ermittelte deutsch-niederländische Außenhandel zeigt allerdings deutliche Abwärtstendenzen. Diese dürften unter anderem auf die Bereiche Kfz sowie Chemie zurückzuführen sein. Demnach passierten im Zeitraum von Januar bis Juni 2024 Waren im Wert von rund 49,9 Milliarden Euro die Grenze von den Niederlanden nach Deutschland. Das entsprach im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum einem Minus von 9,9 Prozent. Umgekehrt sanken die deutschen Exporte in das Nachbarland im Vergleichszeitraum um 3,9 Prozent auf etwa 57,6 Milliarden Euro.
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