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Branchen | Norwegen | Wasserstoff

Die norwegische Formel für Wasserstoff

Norwegen investiert erheblich in Wasserstoffprojekte. Es gibt zahlreiche Abnehmer und Anwendungsgebiete. Auch an den Export wird gedacht - jedoch vor allem von blauem Wasserstoff.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Norwegen stellte Mitte 2020 seine Wasserstoffstrategie vor. Darin wird die Bedeutung des Energieträgers für Transport, Industrie und den Energiesektor unterstrichen. Ein konkretes Ausbauziel nennen die Verfasser jedoch nicht. Deshalb sprechen Experten eher von einer Bestandsaufnahme als einem Aktionsplan. Der Entwicklung der Branche tut dies keinen Abbruch.

Laut der Beratungsfirma Multiconsult war der Wasserstoffsektor 2021 eine kleine, aber schnell wachsende Nische der norwegischen grünen Energiewirtschaft. Die Technologielieferanten, Zulieferer und Dienstleister generierten 60 Prozent ihrer Umsätze in Höhe von knapp 150 Millionen Euro im Ausland. Während außerhalb Norwegens drei Viertel der Einnahmen mit Geräten und Ausrüstung erzielt wurden, war es im Inland die Hälfte. Aufträge für Beratung und andere Dienstleistungen aus Norwegen brachten zugleich etwa 20 Millionen Euro ein.

Zur Initiierung dieser Entwicklung beauftragte die Regierung im Oktober 2022 Sintef, Greensight, NTNU und Oslo Economics mit der Erstellung einer Analyse zum "Aufbau einer kohärenten Wertschöpfungskette für emissionsarmen und emissionsfreien Wasserstoff". "Produktion, Vertrieb und Nutzung müssen gemeinsam betrachtet und parallel entwickelt werden“, unterstrich Öl- und Energieminister Terje Aasland.

Die Schifffahrt wird Großkunde

Einen positiven Beitrag leistet die breite Förderung. So laufen bereits zahlreiche Vorhaben in der Schifffahrt. Neben Norled, das eine Fähre mit Flüssigwasserstoff-Antrieb seit Oktober 2022 testet, arbeiten auch Havyard, Samskip, Selfa oder Flying Foil an entsprechenden Lösungen. Sie alle erhielten Unterstützung aus dem Pilot-E-Programm der Innovationsagentur Enova. Im November 2022 gab es eine weitere Mittelzuteilung: Halten Bulk erhält etwa 14 Millionen Euro zum Bau von zwei Wasserstoffschiffen zum Transport von Wasserstoff.

Zur Lieferung bestimmt sind fünf Produktions- und Betankungshubs, die einige Monate früher eine Förderzusage in Höhe von 65 Millionen Euro erhielten. Für ein ähnliches Projekt - ebenfalls mit Enovas Hilfe - tätigte das nicht einmal zwei Jahre alte Unternehmen Norwegian Hydrogen im November 2022 den ersten Spatenstich. Ein Jahr soll der Bau der Anlage und die Installation des 3 Megawatt (MW) großen PEM-Elektrolyseur der deutschen FEST dauern. Die Schiffe  sollen durch ein Tankstellennetzwerk entlang des Geirangerfjords versorgt werden - spätestens ab 2026 sollen dort keine fossil angetriebenen Wasserfahrzeuge mehr verkehren.

Weitere Anwendungsbereiche geplant

Norwegian Hydrogen will ferner in Zusammenarbeit mit Inseanergy bei der Umstellung von Lachsfarmen von Dieselgeneratoren auf erneuerbare Energien zusammenarbeiten. Laut Angaben der Unternehmen sind noch etwa 400 Betriebe nicht elektrifiziert. Ihr Angebot setzt hauptsächlich auf Sonnenenergie aus lokal installierten Anlagen von Inseanergy. Können diese nicht genug Strom liefern, ergänzen Brennstoffzellen das Angebot. Auf "etwa 10 Tonnen grünen Wasserstoff jährlich je Fischfarm" schätzt Norwegian Hydrogen den Bedarf.

Ebenfalls im Bereich der Offshore-Elektrifizierung ist das Projekt Deep Purple beheimatet. Dieses soll aus Offshore-Wind und Meereswasser Wasserstoff produzieren, der die Erdöl- und Erdgasförderung elektrifizieren soll. Laut dem Beratungsunternehmen Westwood Global Energy Group gehört der norwegische Öl- und Gassektor zu den am wenigsten umweltbelastenden weltweit - mit 7 Kilogramm CO2 je Ölbarrelequivalent. Demnach sollen bis 2025 sieben weitere Förderhubs elektrifiziert werden.

Ende 2021 versprach Enova 100 Millionen Euro für drei Industrieprojekte. Horisont Energi errichtet nahe Hammerfest eine Ammoniakproduktionsanlage mit jährlichen Kapazitäten von 1 Million Tonnen. TiZir pilotiert den Ersatz von Kohle mit Wasserstoff in seiner Hütte in Tyssedal. Im Demonstrationsprojekt des Düngemittelherstellers Yara soll derweil der bisher genutzte Wasserstoff auf Erdgasbasis durch Wasserstoff auf Elektrolysebasis ersetzt werden.

Nachfrage soll stärker als das Angebot steigen

Neben diesen grünen Anlagen plant Norwegen aber zumindest mittelfristig größere Kapazitäten für blauen, also mit Erdgas gewonnenen Wasserstoff. Wobei die Regierung nicht von "blau" spricht, sondern von "emissionsarm". Denn die Herstellung soll mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) verbunden werden. Bereits im Frühjahr 2022 hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein Joint Statement mit Ministerpräsident Jonas Gahr Støre zur engeren Zusammenarbeit in Energiefragen unterschrieben. Da die Bundesregierung laut Medienberichten im Rahmen der geplanten Klimaschutzverträge zumindest mittelfristig nicht ausschließlich auf grünen Wasserstoff setzen will, könnte blauer Wasserstoff aus Norwegen auch für deutsche Abnehmer interessant werden. Der norwegische Pipelinebetreiber Gassco soll bereits den Bau einer entsprechenden Verbindung prüfen. Sie könnte 2030 fertiggestellt werden und jährlich 4 Millionen Tonnen gen Süden transportieren.

Wann sie mit grünem Wasserstoff befüllt werden kann, ist momentan unklar. Die bisher dominierende Wasserkraft hat ein stark begrenztes Ausbaupotenzial. Onshore-Windkraft könnte nach der gescheiterten Strategie mit zusätzlicher Besteuerung weiter an Attraktivität verlieren. Die Offshore-Gewinnung von Windenergie geht mit einem Förderprogramm, das ihre technologische Entwicklung auch für den Export attraktiver machen soll, in die nächste Realisierungsphase. Jedoch ist der Zeithorizont der Umsetzung unklar.

Zudem könnte laut dem Übertragungsnetzbetreiber Stattnett die Stromnachfrage das Angebot bereits 2027 übersteigen. "In den kommenden fünf Jahren wird der Verbrauch voraussichtlich um bis zu 24 Terawattstunden (TWh) steigen, während die Stromerzeugung um etwa 6 TWh erhöht werden soll. Dies wird zu einer negativen Energiebilanz in Südnorwegen von 7 TWh und 2 TWh in ganz Norwegen führen", prognostiziert das Unternehmen. An einen Überschuss für die Produktion von Wasserstoff ist also kaum zu denken.

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