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Polen: Öffentliche Aufträge
Das polnische Vergaberecht regelt Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, insbesondere über Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen.
27.12.2024
Von Yevgeniya Rozhyna, Marcelina Nowak, Dmitry Marenkov | Bonn
Ausschreibungsinformationen
In Polen sind sämtliche ausgeschriebene öffentliche Aufträge über das Internetportal des polnischen Vergabeamtes (Urzad Zamówien Publicznych) abrufbar. Über die Suchmaske des als Biuletyn Zamówien Publicznych (BZP) bezeichneten Portals, können die ausgeschriebenen Aufträge nach Art, Datum oder Ort der Ausschreibung recherchiert werden.
Zu beachten ist dabei, dass in Polen eine Ausschreibung erst als Ausschreibung im vergaberechtlichen Sinn gilt, wenn sie einem Betrag in Höhe von 30.000 Euro entspricht oder diesen Schwellenwert überschreitet (130.000 Zloty oder mehr beträgt). Geregelt ist dies in Art. 2 Punkt 1 des polnischen Vergabegesetz (Prawo zamówien publicznych). Umgerechnet wird nach dem aktuellen Wechselkurs der polnischen Nationalbank (Narodowy Bank Polski).
Darüber hinaus haben auch die jeweiligen (Groß-) Städte ihre eigenen Internetportale, über die Ausschreibungsinformationen eingeholt werden können. So zum Beispiel:
Überschreiten die öffentlichen Ausschreibungen die europäischen Schwellenwerte (beispielsweise Liefer- und Dienstleistungsaufträge, Bauaufträge), finden sich Informationen darüber auch auf europäischer Ebene. Die wichtigste Informationsplattform hierfür stellt das Tenders Electronic Daily dar. Die Nutzung des TED bedarf einer vorherigen Anmeldung.
Hinweis: Weiterführende GTAI-Informationen zum GPA finden Sie unter: WTO und öffentliche Beschaffung. Einen Überblick über Projekte und Ausschreibungen in Polen mit Informationen über aktuelle staatliche und ausgewählte private Vorhaben, inklusive Finanzierer, Auftragsvolumen und Fristen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit stellt GTAI online bereit (auf Deutsch).
Vergabeverfahren
Die im polnischen Vergaberechtsgesetz vorgesehenen Arten der Vergabe entsprechen im Wesentlichen den deutschen Verfahren. Die zwei grundlegenden Vergabeverfahren in Polen sind das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren.
Offenes Verfahren (przetarg nieograniczony)
Das offene Verfahren, geregelt in Art. 132 bis 139, stellt das polnische Pendant zur öffentlichen Ausschreibung beziehungsweise zum offenen Verfahren (EU-Begriffsregelung) in Deutschland dar.
Charakteristisch für diese Art der Vergabe ist auch in Polen, dass sie öffentlich bekannt gemacht wird und sich an alle interessierten Teilnehmenden richtet. Das heißt, jede Person, die sich in der Lage sieht, den Auftrag auszuführen, kann ein Angebot abgeben.
Nichtoffenes Verfahren (przetarg ograniczony)
Das nichtoffene Verfahren, geregelt in Art. 140 bis 151, stellt das polnische Pendant zu der beschränkten Ausschreibung beziehungsweise dem Nicht-Offenen-Verfahren (EU-Begriffsregelung) in Deutschland dar.
Diese polnische Art der Vergabe unterscheidet sich aber erheblich von ihrem deutschen Gegenüber: In Deutschland stellt die beschränkte Ausschreibung/das Nicht-Offene-Verfahren eine Ausnahme dar. Es darf nur in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen zur Anwendung kommen.
Wahl des Verfahrens
In Polen hat der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich das Recht, zwischen przetarg ograniczony und przetarg nieograniczony zu wählen. Bei dem przetarg ograniczony kann der öffentliche Auftraggeber allerdings einige Einschränkungen im Hinblick auf den Teilnehmerkreis vornehmen: So kann er beispielsweise bestimmen, dass Angebote nur von solchen Teilnehmenden abgegeben werden können, die bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. In diesen Fällen hat der potentielle Teilnehmer vor der Abgabe seines Angebots zunächst einen Antrag auf Teilnahme an dem Vergabeverfahren zu stellen. Erfüllt der Antragsteller in einem ausreichenden Maß die vorgegebenen Voraussetzungen, wird er zur Abgabe seines Angebots aufgefordert.
Rechtsschutzsystem
Teilnehmende an einem polnischen Vergabeverfahren haben die Möglichkeit, eine Verletzung ihrer Rechte beziehungsweise die Verletzung von Verfahrensregeln gerichtlich zu beanstanden. Die dem Teilnehmer zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten hängen allerdings davon ab, ob es sich um Ausschreibungen unterhalb oder oberhalb der (europäischen) Schwellenwerte handelt.
Bei Ausschreibungen des öffentlichen Auftraggebers, die unterhalb der (europäischen) Schwellenwerte liegen, steht dem Teilnehmer nur gegenüber bestimmten Handlungen des Auftraggebers Rechtsschutz zu. Zu diesen Handlungen zählen:
- Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, der statt einer der beiden grundlegenden Vergabeverfahren das Freihändige Verfahren (zamówienie z wolnej reki), die Verhandlung ohne Veröffentlichung (negocjacja bez ogloszenia) oder die Preisanfrage (zapytanie o cene) gewählt hat.
- Eine unkorrekte Beschreibung der Auswertungsmethodik im Hinblick auf die Erfüllung des Anforderungsprofils des Teilnehmers.
- Der Ausschluss des Teilnehmers aus dem Vergabeverfahren.
- Die Zurückweisung des Angebots des Teilnehmers.
- Die Beschreibung des Vergabegegenstandes.
- Die Auswahl des günstigsten Angebots.
Bei Vergabeverfahren, die oberhalb der (europäischen) Schwellenwerte liegen, steht dem Teilnehmer der Rechtsschutz gegenüber sämtlichen Handlungen oder Unterlassungen des öffentlichen Auftraggebers zu, die er nach dem polnischen Vergaberechtsgesetz hätte vornehmen oder unterlassen müssen.
Zuständiges Gericht erster Instanz für Vergaberechtsstreitigkeiten ist die sogenannte Krajowa Izba Odwolawcza (KIO). Dieses Gericht stellt allerdings kein ordentliches Gericht dar, sondern ist vielmehr mit einem Schiedsgericht vergleichbar. Die Kammer (Izba) besteht derzeit aus 34 Mitgliedern, die keine Berufsrichter sind, sondern vielmehr als ausgewiesene Experten in vergaberechtlichen Fragestellungen gelten. Gegen Entscheidungen der KIO steht sowohl dem öffentlichen Auftraggeber als auch dem sich in seinen Rechten verletzt fühlenden Teilnehmer das Rechtsmittel der Beschwerde (skarga) zur Verfügung, die beim zuständigen Bezirksgericht (Sad Okregowy) erhoben wird. Gegen Entscheidungen des polnischen Bezirksgerichts steht nur dem Vorsitzenden des Polnischen Vergabeamtes (Prezes Urzedu Zamówien Publicznych) das Rechtsmittel der sogenannten Kassationsbeschwerde (skarga kasacyjna) zum obersten polnischen Gericht (Sad Najwyzszy) in Warschau zu.