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Rechtsbericht | WTO | GPA

WTO und öffentliche Beschaffung

Das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) soll offene, faire und transparente Wettbewerbsbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge gewährleisten.

Von Nadine Bauer | Bonn

  • Einführung in das GPA

    Die Welthandelsorganisation widmet dem Bereich Vergabe ein eigenes Abkommen: das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen. Derzeit gehören dem Abkommen 22 Parteien an.

    Die wohl bekanntesten Übereinkommen der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation - WTO), sind das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) und das General Agreement on Trade in Services (GATS). Allerdings ist das öffentliche Beschaffungswesen ausdrücklich von den wichtigsten Liberalisierungen dieser beiden Übereinkommen ausgenommen (Art. III:8a GATT und Art. XIII:1 GATS). Daher hat die WTO ein weiteres Regelwerk geschaffen: das Government Procurement Agreement (GPA). Das erste WTO-GPA trat bereits 1996 in Kraft. Im Jahr 2012 wurde dann die derzeit gültige überarbeitete Fassung angenommen - das GPA 2012.

    Die Grundregeln des GPA

    Durch das Abkommen öffnen die GPA-Parteien ihre Beschaffungsmärkte für den internationalen Wettbewerb. Ziel ist es, die unternehmerischen Geschäftschancen zu erweitern und den Auftraggebern ein größeres Angebotsspektrum zur Verfügung zu stellen. Daher regelt das GPA die Kriterien für die Vergabe und das Auswahlverfahren. Das Abkommen bezieht sich dabei ausdrücklich auf Waren wie auch auf Dienstleistungen. Das bedeutet konkret: Anbieter aus Staaten, die GPA-Partei sind, dürfen Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen anbieten. Das GPA stützt sich hierbei im Wesentlichen auf zwei Teile: den Wortlaut des Abkommens und die jeweiligen Listen der Parteien für den konkreten Marktzugang.

    Das GPA enthält im allgemeinen Teil Regeln, die offene, faire und transparente Wettbewerbsbedingungen im öffentlichen Beschaffungswesen gewährleisten sollen. Es ist durch die Grundprinzipien der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verfahrensgerechtigkeit geprägt. Die wichtigsten materiellen Regelungen enthalten folgende Artikel:

    • Artikel IV: allgemeines Diskriminierungsverbot und Mindeststandards für nationale Vergabeverfahren,
    • Artikel VI und VII: möglichst weite Veröffentlichung von beschaffungsbezogenen Regelungen sowie Bekanntmachungen beabsichtigter Beschaffungen,
    • Artikel VIII: Verbot unnötiger Teilnahmebedingungen,
    • Artikel XI: Gebot angemessener Fristen,
    • Artikel XV: Gebot der Fairness, Unparteilichkeit und Vertraulichkeit,
    • Artikel XVI: Transparenz hinsichtlich der Entscheidung und
    • Artikel XVIII: Gebot des effektiven Rechtsschutzes.

    Allerdings gelten diese Regeln nicht automatisch für alle Beschaffungsaktivitäten der einzelnen Parteien. Vielmehr sind die in Anlage I enthaltenen Listen (coverage schedules) der einzelnen GPA-Parteien ausschlaggebend: Sie regeln, ob eine Beschaffungstätigkeit unter das Abkommen fällt oder nicht. Die Anhänge zu den Listen setzen sich grundsätzlich wie folgt zusammen: Die Parteien erklären, welche öffentlichen Auftraggeber aus ihrem Gebiet konkret an die Regeln des GPA gebunden sein sollen (Anhänge 1 bis 3). Außerdem legen sie fest, für die Beschaffung welcher Güter und Dienstleistungen die Regelungen gelten (Anhänge 4 bis 6). In Anhang 7 finden sich sodann allgemeine Hinweise. Die Listen einschließlich der jeweiligen Anhänge sind auf der Webseite der WTO abrufbar (auf Englisch).

    Geltungsbereich des Abkommens

    Das GPA ist ein internationales plurilaterales Abkommen. Das bedeutet, es bindet nur diejenigen WTO-Mitglieder, die es unterzeichnet haben. Rechte und Pflichten aus dem Abkommen werden also nur im Verhältnis derjenigen Staaten begründet, die auch Partei des GPA sind. Dies ist ein wichtiger Unterschied gegenüber den WTO-Übereinkommen GATT, GATS und TRIPS, denn diese multilateralen Verträge sind für alle WTO-Mitglieder verbindlich.

    Parteien des GPA

    Als Mitgliedsstaat der WTO ist man nicht gleichzeitig auch Partei des GPA. Vielmehr muss hierzu ein gesonderter Beitrittsprozess in Gang gesetzt werden. Zurzeit gehören dem Übereinkommen 22 Parteien an, die 49 WTO-Mitglieder umfassen. Zehn weitere WTO-Mitglieder befinden sich im Beitrittsprozess.

    Die derzeit 22 Parteien des Abkommens sind:

    • Armenien
    • Australien
    • Kanada
    • Europäische Union (mit ihren 27 Mitgliedstaaten)
    • Hongkong, SVR
    • Island
    • Israel
    • Japan
    • Südkorea
    • Liechtenstein
    • Moldau
    • Montenegro
    • Niederlande
    • Neuseeland
    • Nordmazedonien
    • Norwegen
    • Singapur
    • Schweiz
    • Taiwan
    • Ukraine
    • USA
    • Vereinigtes Königreich.

    GPA und Freihandelsabkommen

    Auch im Kontext bilateraler Freihandelsabkommen ist es wichtig, die Grundregeln des GPA zu kennen und zu verstehen - selbst wenn die betreffenden Parteien dem Übereinkommen (noch) nicht beigetreten sind. Denn Regelungen des GPA finden sich oftmals in modernen Freihandelsabkommen wieder. Die GTAI-Übersicht Zollfrei durch die Welt – Freihandelsabkommen im Überblick informiert in diesem Zusammenhang über die Bedeutung von Handelsabkommen, welche es gibt und was Unternehmen beachten müssen, um von diesen zu profitieren.

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    Von Nadine Bauer | Bonn

  • Die Vergabeverfahren im GPA

    Das GPA kennt verschiedene Arten von Vergabeverfahren: offene und beschränkte Ausschreibungen sowie freihändige Vergaben. Sie entsprechen im Grundsatz den unionsrechtlichen Vergabearten.

    Verfahrensarten

    Die unterschiedlichen Arten von Vergabeverfahren nennt Artikel IV:4 GPA:

    • Offene Verfahren (open tendering procedures),
    • Beschränkte Ausschreibungen (selective tendering procedures) und
    • Freihändige Vergaben (limited tendering procedures).

    Offene Verfahren sind in Artikel I lit. m GPA definiert als Beschaffungsmethode, bei der alle interessierten Anbieter ein Angebot abgeben können.

    Bei beschränkten Ausschreibungsverfahren sind nach Art. I lit. q GPA nur solche Lieferanten berechtigt ein Angebot abzugeben, die von der Beschaffungsstelle dazu aufgefordert wurden (qualifizierte Anbieter im Sinne des Art. I lit. p GPA). Diese Vergabeart ähnelt insofern dem aus dem nationalen wie auch europäischen Recht bekannten nicht offenen Verfahren. Die Auftraggeber, die eine beschränkte Ausschreibung nutzen, sind verpflichtet, einmal jährlich in einer in Anlage III des Übereinkommens genannten Veröffentlichung ihre Listen qualifizierter Anbieter zu veröffentlichen und die Gültigkeitsdauer dieser Listen sowie die Bedingungen anzugeben, die für die Aufnahme interessierter Lieferanten in die Listen erfüllt werden müssen (Art. IX:7 GPA).

    Im Rahmen einer freihändigen Vergabe tritt die Beschaffungsstelle gemäß Art. I lit. h GPA gezielt an einzelne Lieferanten heran. 

    Das GPA spricht sich nicht für die bevorzugte Nutzung einer dieser Verfahrensarten aus. Jedoch dürfen freihändige Vergaben nur in den engen Grenzen des Art. XIII GPA gewählt werden; zum Beispiel wenn keine Angebote eingehen oder die eingehenden Angebote aufeinander abgestimmt sind, wenn das Produkt oder die Dienstleistung nur von einem bestimmten Anbieter geliefert werden kann oder wenn Käufe zu außerordentlich günstigen Bedingungen getätigt werden, die nur ganz kurzfristig im Rahmen von Sonderverkäufen bestehen.

    Verfahrensablauf

    Vor dem Beginn des eigentlichen Ausschreibungsverfahren muss die Beschaffungsstelle gemäß Art. VII:1 GPA grundsätzlich eine Bekanntmachung einer beabsichtigten Beschaffung in einem öffentlich zugänglichen Medium veröffentlichen. Auf diesem Wege sollen alle interessierten Anbietenden über die Beschaffungsmöglichkeit und die relevanten Aspekte der betreffenden Beschaffung informieren werden. Die jeweilige nationale Stelle listet Anlage III.

    Artikel VII:2 GPA listet die Anforderungen, die eine Beschaffungsbekanntmachung enthalten muss. Dazu zählen unter anderem die Art und Menge der zu beschaffenden Waren oder Dienstleistungen, der zeitliche Rahmen sowie verfahrenstechnische Informationen für die Einreichung von Angeboten. Zudem müssen die Bewertungskriterien für die Zuschlagserteilung mitgeteilt werden. Diese in der Bekanntmachung einer beabsichtigten Beschaffung oder den Ausschreibungsunterlagen aufgestellten Kriterien können unter anderem den Preis und andere Kostenfaktoren, die Qualität, technische Argumente, Umweltmerkmale und Lieferbedingungen umfassen (Art. X:9 GPA).

    Um zu gewährleisten, dass eine angemessene Abgabe eines Angebots möglich ist, schreibt das Übereinkommen in Artikel XI bestimmte Mindestfristen vor. Diese variieren je nach Art des gewählten Verfahrens: Beim offenen Verfahren gibt es nur eine relevante Frist zur Abgabe der Angebote (40 Tage), bei einer beschränkten Beschaffung hingegen gelten zwei Fristen. Eine erste Frist für die Beantragung der Teilnahme (25 Tage), gefolgt von einer weiteren Frist für die Einreichung des Angebots (40 Tage). Die Fristberechnung beginnt mit dem Tag der Veröffentlichung der Ausschreibungsbekanntmachung beziehungsweise dem Tag der Mitteilung der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Art. XI:2, XI:3 GPA). Es bestehen verschiedene vom Abkommen definierte Fallkonstellationen, in denen die Fristen ausnahmsweise auf bis zu 10 Tage verkürzt werden dürfen.

    Um sicherzustellen, dass die Anbietenden über grundlegende Eigenschaften verfügen, die zur Auftragserfüllung notwendig sind, darf die Beschaffungsstelle in engen Grenzen erforderliche Bedingungen für die Teilnahme an einer Ausschreibung festlegen, Art. VIII:1 GPA. Hierzu zählen insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen und finanziellen Kapazitäten sowie die kaufmännische und technische Leistungsfähigkeit für die Durchführung der betreffenden Beschaffung. Gründe für den Ausschluss eines Anbieters von einer Beschaffung können beispielsweise Konkurs, erhebliche Mängel bei der Erfüllung früherer Aufträge oder die Nichtbezahlung von Steuern sein.

    Die Behandlung der Angebote richtet sich nach Verfahren, die einen fairen und unparteiischen Beschaffungsprozess sowie die Vertraulichkeit der Angebote gewährleisten. Die Erteilung des Zuschlags erfolgt gemäß Art. XV:5 GPA an den Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot eingereicht hat oder, sofern der Preis das einzige Kriterium ist, den tiefsten Preis geboten hat.

    Von Nadine Bauer | Bonn

  • Schwellenwerte im GPA

    Das Beschaffungsübereinkommen GPA legt fest, welche öffentlichen Aufträge auszuschreiben sind. Die darin enthaltenen Regelungen sind eng mit dem europäischen Recht verzahnt. 

    Das Government Procurement Agreement (GPA) gilt für Beschaffungen, deren geschätzter Mindestwert bestimmte Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. Diese Schwellenwerte werden in Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds ausgedrückt und sind in den Anhängen 1 bis 3 zu Anlage I des Abkommens angegeben. Die in den Landeswährungen ausgedrückten Schwellenwerte werden jeweils für zwei Jahre festgelegt. Für Israel und Japan bemisst sich dieser Zweijahreszeitraum für die Zeit vom 1. April bis zum 31. März. Für die übrigen GPA-Parteien gilt der Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember. Nach Ablauf der Zweijahresfrist erfolgt eine Überprüfung und Anpassung der Schwellenwerte in der jeweiligen nationalen Währung, die der WTO entsprechend mitgeteilt wird.

    Die Schwellenwerte der Europäischen Union (EU) sind an die Schwellenwerte des GPA angepasst. Sie wurden zum 1. Januar 2024 leicht erhöht. Die aktuellen EU-Schwellenwerte sind wie folgt festgesetzt:

    • für Liefer- und Dienstleistungsaufträge Oberer und Oberster Bundesbehörden: 143.000 Euro,
    • für Liefer- und Dienstleistungsaufträge sonstiger öffentlicher Auftraggeber: 221.000 Euro,
    • für Liefer- und Dienstleistungsaufträge von Sektorenauftraggebern: 443.000 Euro,
    • für Bauaufträge: 5.538.000 Euro und
    • für Konzessionsaufträge: 5.538.000 Euro.

    Die Werte aller GPA-Parteien sind über die Schwellenwertdatenbank der WTO einsehbar.

    Zum Thema:

    Von Nadine Bauer | Bonn

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