Special | Portugal | Beschaffung
Der Export von Metallerzeugnissen ist eine Erfolgsgeschichte
Portugal hat sich zu einem gefragten Beschaffungsmarkt zum Beispiel für technische Präzisionsteile entwickelt. Die ethischen und ökologischen Standards der Hersteller sind hoch.
26.06.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Portugal gewinnt als Beschaffungsmarkt an Bedeutung. Die Auslandsnachfrage stellte auch einen wesentlichen Grund dafür dar, dass die portugiesische Wirtschaftsleistung in der zweiten Jahreshälfte 2022 das Vorkrisenniveau überschreiten konnte.
Zwischen 2012 und 2022 schnellten die Warenexporte des Landes um rund 73 Prozent auf 78,3 Milliarden Euro hoch. Der Ausfuhrwert konnte trotz der Auswirkungen der Weltfinanzkrise und später der Coronakrise stark ausgebaut werden.
Portugal spielt als Bezugsland insbesondere für die EU-Staaten eine große Rolle. Das Land wickelt rund 60 Prozent seiner Ausfuhren mit EU-Partnern ab. Der iberische Nachbar Spanien, Frankreich und Deutschland bilden seit Jahren die wichtigsten Zielmärkte.
Besondere internationale Aufmerksamkeit erlangte Portugal durch den Partnerlandstatus bei der Hannovermesse 2022 - gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Unternehmen an der Diversifizierung ihrer Lieferketten arbeiteten.
Bestellungen von Metallerzeugnissen legen seit 2020 erheblich zu
Bei der Anzahl der Warenbestellungen in Portugal zeigen sich seit 2020 Schwerpunkte. Besondere Dynamik verzeichneten die Bereiche Kunststoffe, Metall und Formenbau. Zu den weiteren besonders gefragten Sektoren gehören der Komplex Textilien/Leder/Schuhe sowie Kork und Keramik.
Mit Billigstandorten für die Massenproduktion kann das Land nicht konkurrieren. Portugal positioniert sich stattdessen bei Waren mit höherer Wertschöpfung und teils spezialisierten kleinen Mengen.
Paulo Azevedo, stellvertretender Geschäftsführer der AHK Portugal, beobachtet einige grundlegende Trends: "Die Bedeutung von Portugal als Beschaffungsmarkt nimmt zu. Dabei spielen mehrere branchenübergreifende Aspekte eine wichtige Rolle. Sehr entscheidend ist die Sicherheit in zweierlei Hinsicht: Einmal bezogen auf Portugal als sicheres Land und auch auf die Lieferkettensicherheit. Portugiesische Unternehmen behaupten sich durch ihre Produktivität und ihr Preis-Leistungs-Verhältnis im internationalen Wettbewerb. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Produktion an Bedeutung und genauso für die Kunden."
Neben der Beschaffung interessieren sich Unternehmen zum Teil auch für die Investitionsbedingungen im Land: "Wir als AHK Portugal erhalten Anfragen von deutschen Unternehmen, die Lieferanten suchen. Manche interessieren sich auch für den Aufbau eines Standorts in Portugal, um von dort Auslandsmärkte zu bedienen", berichtet Azevedo.
Metallexporte nach Deutschland wuchsen 2022 weit überdurchschnittlich
Der Fachverband AIMMAP vermeldete für das Jahr 2022 ein Allzeithoch der Branchenexporte. Mit knapp 23,1 Milliarden Euro lag das Resultat nominal um 16 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Exporte nach Deutschland legten mit plus 23 Prozent weit überdurchschnittlich zu.
AIMMAP deckt ein breites Spektrum von Metallteilen und Maschinen ab. Die Produktgruppen, die am meisten zum Wachstum der Exporte 2022 beitrugen, waren Metallurgie, Metallerzeugnisse und Maschinen und Ausrüstungen sowie Transportmaterial.
Referenzen wie Bosch, Mercedes-Benz, Siemens und Volkswagen unterstreichen, dass portugiesische Zulieferer international führende Unternehmen beliefern. Daraus schöpfen sie auch Optimismus für die zukünftige Geschäftsentwicklung.
Technische Teile und Formenbau als besondere Stärken
Die metallurgische und metallverarbeitende Industrie in Portugal besteht vorwiegend aus Unternehmen kleiner und mittlerer Größe. Regionale Schwerpunkte bilden die Bezirke Porto, Aveiro und Braga.
Besondere Fähigkeiten liegen in der Produktion von technischen Teilen mit hohem Mehrwert. Portugiesische Unternehmen des Metallsektors erzielen Exporterfolge auch mit kleinen Serien. Kommt es auf Präzision und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis an, sehen sie sich gut positioniert.
Die im Sektor verbreiteten ISO-Zertifizierungen für Umwelt- und Qualitätsmanagement sowie Energiemanagement, Sicherheit und Gesundheit stellen eine Basis für künftige ethische und ökologische Anforderungen dar.
Eine Spezialität in Portugal ist der spezialisierte Formen- und Werkzeugbau. Die Herstellung von Gussformen für Kunststoff- und Metallteile verzahnt die Unternehmen des Formenbaus mit diesen Fachzweigen.
Vor allem bei Spezialteilen ist der portugiesische Binnenmarkt eher klein. Darum hat für die Hersteller das Auslandsgeschäft eine hohe Bedeutung. Der Austausch mit den Kunden und der internationale Wettbewerb fördern wiederum Innovationen bei ihnen.
Portugal ist Teil des Gemeinschaftsprojekts AHK Industrial Suppliers Forum. Im März 2023 waren in dem Lieferantenverzeichnis insgesamt 43 Unternehmen verschiedener Fachzweige aus dem Land registriert.
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Knappe Kapazitäten und Verschuldung als Risiken
Zu den Risiken der Beschaffung in Portugal kann bei einzelnen Unternehmen eine zeitweise hohe Auslastung gehören, sodass kurzfristig keine neuen Aufträge angenommen werden können. Manchmal verhindert die Knappheit von Fachkräften, dass Unternehmen ihre Produktionskapazitäten schnell ausweiten können.
Zudem stellt das Thema Verschuldung ein potenzielles Risiko dar. Manche Unternehmen verfügen nur über eine dünne Kapitaldecke, und Banken sind bei der Kreditvergabe vorsichtig. Das steigende Zinsniveau kann derartige Schwierigkeiten verschärfen.
Portugal ist allgemein gut positioniert als Beschaffungsmarkt. In einer Nearshoring-Studie zu ausgewählten Ländern bewertete die Immobilienberatung Savills 2022 sowohl die Arbeitskosten als auch Nachhaltigkeitskriterien besonders positiv. Als Nearshoring-Standort für die Beschaffung belegte Portugal den 2. Rang unter 54 Ländern.
Aus deutscher Sicht bringt es Vorteile mit sich, dass Portugal ebenfalls der EU, der Eurozone und der Zollunion angehört. Im gesamten Land inklusive der Inselregionen Azoren und Madeira kommen die EU-Vorschriften für Zoll, Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuer zur Anwendung.
Die Transport- und Logistikinfrastruktur Portugals konnte in der Coronakrise ihre Robustheit unter Beweis stellen. Die Schienen- und Straßenanbindungen an das einzige direkte Nachbarland Spanien stehen durch mehrere Gemeinschaftsprojekte in den kommenden Jahren vor dem Ausbau. Portugal verfügt über fünf größere Häfen, die sowohl Frachtgüter umschlagen als auch Passagiere abfertigen können. Von besonderer Bedeutung ist Sines am Atlantik als einziger Tiefwasserhafen. Dieser verfügt über das größte Containerterminal und eine Schienenanbindung. Bislang spielt der Hafen für Öl- und Gasimporte eine wichtige Rolle und soll das künftig für den Export von grünem Wasserstoff tun. |
Bezeichnung | Anmerkung |
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AHK Portugal (Deutsch-Portugiesische Industrie- und Handelskammer) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Associação dos Industriais Metalúrgicos e Metalomecânicos e Afins de Portugal (AIMMAP) | Fachverband der metallurgischen und Metall verarbeitenden Unternehmen |
Associação Nacional da Indústria de Moldes (Cefamol) | Fachverband für Formenbau |
Cluster für Maschinen- und Werkzeugbau | |
Lieferantenverzeichnis der Wirtschaftsförderungsgesellschaft AICEP | |
Vernetzungsinitiative der AHK Portugal | |
Plattform für die Lieferantensuche, im März 2023 mit 43 Unternehmen aus Portugal |