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Special | Arktis | Konnektivität

Nordostpassage kaum noch attraktiv für internationale Spediteure

Der Nördliche Seeweg, der Europa und Asien über die russische Arktis verbindet, galt als aussichtsreicher neuer Transportkorridor. Doch jetzt wird er kaum noch genutzt.

Von Edda Schlager | Berlin

Russland will im Jahr 2024 erstmals den ganzjährigen Schiffsverkehr durch seinen Teil der Arktis, die so genannte Nordostpassage, ermöglichen. Dazu sollen Eisbrecher für die Begleitung von Tankern und Containerschiffen bereitgestellt werden. Auch wenn der Klimawandel die Arktis weiter erwärmt, ist es bisher nur etwa von Juni bis September möglich, die rund 5.600 Kilometer lange Strecke zwischen der Karasee und der Halbinsel Chukotka ohne Eisbrecher zu befahren. Im Rest des Jahres ist der Arktische Ozean ganz oder teilweise zugefroren. Wichtig ist die Arktis als Wirtschaftsraum für Russland vor allem deshalb, weil im Norden des Landes große Mengen an Rohstoffen lagern, die das Land exportieren will.

Russland hält ambitionierte Arktispläne aufrecht – trotz Sanktionen

Laut Russlands Arktisstrategie aus dem Jahr 2020 sollen bis 2024 Güter im Umfang von rund 80 Millionen Tonnen pro Jahr (tpa) auf dem Nördlichen Seeweg transportiert werden, bis 2035 sogar 270 Millionen tpa. Im März 2023 bekräftigte die russische Regierung, dass es bei diesen Plänen bleibe – trotz westlicher Sanktionen gegen Russland. Dennoch hat das Transportaufkommen auf dem Nördlichen Seeweg Angaben des russischen Atomenergiekonzerns Rosatom zufolge 2022 im Vergleich zum Vorjahr geringfügig abgenommen. Rosatom ist seit 2022 für die Entwicklung des Nördlichen Seewegs verantwortlich.

Die Fracht auf dem Nördlichen Seeweg besteht zum großen Teil aus Rohstoffen, die russische Konzerne wie Novatek (Liquefied Natural Gas, LNG), Nornickel (Leicht- und Buntmetallerze) und Gazpromneft (Erdöl) fördern. Die Rohstofferzeugnisse werden aus Russlands Norden sowohl nach Europa als auch nach Asien exportiert. Als weitere Fracht kommen Lieferungen für den Ausbau russischer Großprojekte wie Vostok Oil (Erdöl), Severnaya Zvezda (Steinkohle), Baimsk (Kupfer) und Arctic LNG 2 (Erdgas) hinzu. Hierfür werden neben Maschinen und Anlagen auch Materialien wie Kabel, Elektroteile, Schmiermittel und vieles weitere benötigt.

Fast nur noch russische Schiffe auf dem Nördlichen Seeweg

Westliche Unternehmen haben die Route im Jahr 2022 im Zuge der Sanktionen gegen Russland kaum noch befahren. Laut Rosatom waren die einzigen Schiffe unter nichtrussischer Flagge LNG-Tanker aus der Sonderverwaltungsregion Hongkong, aus Zypern und von den Bahamas. Auch kein einziges Schiff unter chinesischer Flagge war 2022 in russischen Arktisgewässern unterwegs. Dabei hatte die chinesische Staatsreederei COSCO in den vergangenen zehn Jahren fast 100 Fahrten zwischen Asien und Europa durch die russische Arktis durchgeführt, davon 26 allein im Jahr 2021.

Für deutsche Reedereien gehörte Russlands arktische Seeroute bisher überwiegend zum so genannten Trampschifffahrtsgeschäft. Bei diesem werden, im Gegensatz zur Linienschifffahrt, Routen nur für gezielte Aufträge, beispielsweise zur Lieferung von Anlagen für Rohstoffprojekte, befahren.

Deutsche Spediteure fahren wieder durch den Suezkanal

Die Hamburger Schwergut- und Mehrzweckreederei United Heavy Lift beispielsweise hat laut Geschäftsführer Andreas Rolner bis 2021 jährlich bis zu 18 Seereisen über den Nördlichen Seeweg abgewickelt. „Wir haben im Schnitt um die zehn Tage pro Reise gespart und somit auch unsere Emissionen beträchtlich reduziert“, so Rolner. Fahrten von Europa nach Asien dauern auf der südlichen Route durch den Suezkanal rund 30 Tage, über den Nördlichen Seeweg im Durchschnitt nur 20 Tage. Für United Heavy Lift sei die kürzere, nördliche Route aufgrund der Sanktionen derzeit nicht befahrbar, so Rolner: „Seit 2022 haben wir keine Fahrten mehr über diese Route gemacht.“

Das Unternehmen hatte überwiegend Ladungen für die Flüssiggasprojekte Yamal LNG und Arctic LNG 2 zu den Häfen Murmansk und Sabetta in Westsibirien transportiert. Eine Strategie, das ausgefallene Geschäft mit Russland zu kompensieren, so Rolner, gebe es nicht. „Wir als Tramp-Projektreederei folgen den Ladungsströmen. Für unsere Reisen von Europa nach Asien und umgekehrt sind wir jetzt auf den Transit über den Suezkanal angewiesen.“  

Laut Mathias Schulz, Bereichsleiter bei Hafen Hamburg Marketing (HHM), war die Schifffahrt mit den nördlichen Seegebieten auch vor zwei bis fünf Jahren „ein absolutes Nischengeschäft“ und sei „mittlerweile praktisch nicht mehr vorhanden“. Die Erwartungen an die Nordostpassage seien immer groß gewesen, so Schulz, das tatsächliche Potenzial habe sich aber als nur moderat erwiesen. „Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen schätzen wir es mittelfristig vom potenziellen Volumen her wie das der Schienenverbindungen zwischen China und Europa ein." Als Herausforderungen der arktischen Route nennt Schulz die nur temporäre Befahrbarkeit, erhöhten Aufwand durch Eisaufklärung und Eisbrecher, nötige Eisfestigkeit für Schiffe und ein geringes Hafenpotenzial.

Russland treibt Ausbau der Schiffsflotte für die Arktis voran

Der nur vorübergehenden Befahrbarkeit des Nördlichen Seewegs will Russland mit Investitionen in seine Schiffsflotte begegnen. Die Zahl der Schiffe der hohen Arktisklasse, die ganzjährig auf der Nordostpassage fahren können, soll deutlich steigen. Derzeit gibt es laut Rosatom 29 solcher Schiffe, weitere 41 befinden sich im Bau und bis 2030 sollen weitere 88 solcher Schiffe gebaut werden.

Russland hat zudem mehr als 40 Eisbrecher in Betrieb, die Tanker und Containerschiffe begleiten können, um deren Passage durch das Eis zu ermöglichen. Besonderes Augenmerk hat derzeit der Bau von Atomeisbrechern der Reihe 22220 in der Baltischen Werft in Sankt Petersburg. Drei Schiffe der Reihe – namens Arktika, Sibiria und Ural – sind bereits fertiggestellt, ein weiteres, die sogenannte Jakutia, ist im Bau. Bis 2030 sollen drei weitere folgen.

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