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Drehscheibe Zentralasien: Von vielen Seiten gewollt

Deutschland braucht den Mittleren Korridor für den Zugang zu künftigen Beschaffungsmärkten. Doch auch andere Player haben die Region im Blick und fördern sie in eigenem Interesse.

Von Edda Schlager | Berlin

Beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte September 2024 in Usbekistan und Kasachstan war auch der Mittlere Korridor Thema. Laut Scholz wolle Deutschland "Infrastrukturen weiter ertüchtigen", um die wirtschaftlichen Beziehungen mit Zentralasien zu verbessern.

Mittlerer Korridor wird für Europa wichtiger

Der Transportkorridor, der China und Zentralasien über das Kaspische Meer und den Südkaukasus mit Europa verbindet, soll für Deutschland und Europa künftig eine wichtige Rolle spielen. Denn Zentralasien rückt zunehmend als Beschaffungsmarkt in den Fokus, insbesondere für kritische Rohstoffe und grünen Wasserstoff. Außerdem bietet die Route eine Alternative zum Nördlichen Korridor, der Asien und Europa über Russland verbindet.

Mittlerer Korridor

Zentralasien und der Südkaukasus wollen eine alternative Transportverbindung auf der Ost-West-Achse etablieren. Sie kündigen Projekte an und werben um internationale Förderung.

Mittlerer Korridor: Alternative zum Transit über Russland?

Die EU unterstützt die Entwicklung des Mittleren Korridors im Rahmen ihrer Infrastrukturinitiative Global Gateway. Anfang 2024 sagte sie den zentralasiatischen Staaten 10 Milliarden Euro zur Umsetzung von Transportinfrastruktur zu.

Die von der EU in einer Studie als prioritär empfohlenen Projekte werden in Zentralasien jedoch nicht zwingend umgesetzt. Denn die Infrastrukturentwicklung in der Region wird auch unabhängig von der EU vorangetrieben – erstens von den zentralasiatischen Ländern selbst, zweitens von anderen einflussreichen Playern. Beide Gruppen haben nicht dieselben Prioritäten wie die EU.

Russland mischt mit

Die von Russland dominierte Eurasische Entwicklungsbank (EDB) hat im Juni 2024 die Konzeption für das Eurasische Verkehrsnetz (Eurasian Transport Network) vorgestellt. Im Fokus: Zentralasien als neues Verkehrsdrehkreuz. Russland ist mit 44,8 Prozent Hauptanteilseigner der EDB und entsprechend einflussreich.

Einige Schlüsselthesen der EDB zum Eurasischen Transportnetz

  • Eurasische Landrouten sind bei gestörten Seerouten Backup für globale Lieferketten 
  • Weg vom Wettbewerb zwischen Korridoren und Verkehrsträgern hin zu Interaktion zwischen ihnen 
  • Effiziente Logistik ermöglicht mehr Containerisierung und somit schnellere Transporte 
  • Verkehrsinfrastruktur braucht effiziente „weiche“ (regulatorische) Infrastruktur

Zentralasien schaut nach Süden und Norden

Die zentralasiatischen Regierungen konzentrieren sich nicht nur auf den Mittleren Korridor, sondern allgemein auf eine bessere Anbindung an alle Nachbarregionen – auch Richtung Süden und Norden:

  • Usbekistan will mit Afghanistan und Pakistan einen 750 Kilometer langen Bahnkorridor über Afghanistan nach Nordpakistan bauen. Mit dem 5 Milliarden US-Dollar (US$) teuren Projekt wollen die Länder Zugang zu den Häfen Karatschi und Gwadar erlangen.
  • Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Aserbaidschan und Georgien wollen sich am Ausbau des Internationalen Nord-Süd-Transportkorridors (INSTC) beteiligen. Dieser ermöglicht insbesondere Russland, aber auch anderen Anrainern, Zugang zum Nahen Osten und nach Indien.
  • Turkmenistan, Afghanistan und Tadschikistan planen eine gemeinsame Transportroute durch den Norden von Afghanistan, auch mit Anbindung von Usbekistan.
  • China, Kirgisistan und Usbekistan tüfteln seit fast zwei Jahrzehnten an einer gemeinsamen Eisenbahnlinie. Nun soll im Oktober 2024 der Bau der rund 420 Kilometer langen Strecke beginnen. Die Umsetzung galt noch bis vor kurzem als unsicher. China wird mindestens die Hälfte der auf 8 Milliarden US$ geschätzten Kosten übernehmen, Kirgisistan und Usbekistan je ein Viertel, möglicherweise mit weiterer finanzieller Hilfe von China.

China setzt stärker auf Mittleren Korridor

Für den Schienenverkehr zwischen Europa und China galt der Nördliche Korridor über Russland als maßgeblich. Der Mittlere Korridor führte ein Nischendasein, da er langsamer und unzuverlässiger war. Die geringere Kapazität war ein weiterer Grund. Doch das ändert sich gerade.

"Ursprünglich bevorzugten chinesische Logistikunternehmen, ebenso wir, den Nördlichen Korridor durch Russland. Denn dieser verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur und hat die für Kunden notwendige Effizienz", sagt Wanxu Dong, Geschäftsführer der Beijing Trans Eurasia International Logistics. Die chinesische Firma wurde 2010 mit Fokus auf intermodale und Eisenbahntransporte zwischen Asien und Europa gegründet. "In den letzten Jahren hat jedoch der Mittlere Korridor durch geopolitische Veränderungen, steigenden Bedarf an Alternativrouten sowie durch ein breiteres Netz in Zentralasien und darüber hinaus an Attraktivität gewonnen", so Dong.

Tatsächlich investiert auch China stärker in den Mittleren Korridor. Im kasachischen Aktau am Kaspischen Meer wollen die chinesische Lianyungang Group und die kasachische Eisenbahn beispielsweise für 3,7 Milliarden US$ einen Containerhub errichten. Zudem wird in Anaklia am Schwarzen Meer die China Communications Construction Company einen neuen Tiefseehafen bauen. Der Bau der ersten Phase soll 600 Millionen US$ kosten.

Deutsche Logistiker erwarten gutes Geschäft in Zentralasien 

Deutsche Unternehmen haben diese Entwicklungen im Blick. So hat die HHLA Project Logistics, Tochter der Hamburger Hafen und Logistik AG, 2023 ein Büro in Kasachstan eröffnet, um Vorhaben in der Region besser zu überschauen. Der deutsche Logistikdienstleister Rhenus baut bereits eigene Logistikterminals in Kasachstan und Usbekistan. Auch die Deutsche Bahn ist seit mehreren Jahren mit ihren Töchtern DB Cargo Eurasia sowie DB Engineering & Consulting, Teil der DB E.C.O. Group, in Zentralasien präsent, sowohl operativ als auch in der Beratung der staatlichen Bahnunternehmen in Kasachstan und Usbekistan.

"Es wird in den kommenden Jahren in der Infrastruktur Zentralasiens enorme Entwicklungen geben, da dies von mehreren Seiten gewollt ist und unterstützt wird", so Michael Napel, Leiter Zentralasien von DB Engineering & Consulting in Kasachstan.

Vor allem durch Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan werde ein Großteil der Transporte künftig abgewickelt werden. Dabei müssten aber die Transportwege und Umschlagplätze für ganz unterschiedliche Produkte noch ausgebaut werden, denn Öl, Gas, Ammoniak und Wasserstoff, Massengüter und Containerware hätten alle unterschiedliche Anforderungen an Infrastruktur.

"Für uns hat der Mittlere Korridor zentrale Bedeutung", so Napel. "Ich bin überzeugt, dass in den kommenden Jahren viele Projekte umgesetzt werden. Sie müssen aber gut miteinander integriert und in der richtigen Frequenz umgesetzt werden, damit man Bottlenecks abbaut und künftig Zeit und Kosten für den Transport spart."

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