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Digital Health
Saudi-Arabien strebt im Digital Health Sektor eine internationale Führungsrolle an. Ein virtuelles Krankenhaus gehört zu den wichtigsten Projekten.
22.10.2024
Von Robert Espey, Lisa Freisewinkel | Dubai, Riad
Branchenexperten erwarten im Bereich Digital Health ein kräftiges Wachstum. Neben einer Verbesserung der Versorgungsqualität sollen Digital Health Technologien vor allem zu Kostensenkungen im Gesundheitswesen beitragen. Eine 2024 von "Research and Markets" veröffentlichte Studie zum "Digital Health Market" in Saudi-Arabien prognostiziert im Zeitraum 2024 bis 2030 ein durchschnittliches Wachstum von 19 Prozent. Bis 2030 soll das Marktvolumen von 2,0 Milliarden im Jahr 2023 auf 6,8 Milliarden US$ steigen.
Der Großteil des stark wachsenden Marktvolumens entfällt auf die durch Nutzung von Digital Health Technologien erbrachten medizinischen Dienstleistungen. Entsprechend müssen sich auch die Investitionen in notwendige Hard- und Software erhöhen.
Digital Health macht große Fortschritte
Auch in Saudi-Arabien gab die Coronakrise dem Digital Health Sektor kräftige Impulse. Das Königreich hatte aber bereits 2010 eine "Digital Health Strategy" (Roadmap 2010 – 2020) präsentiert. Aktuell ist die "Digital Health Strategy" eine Komponente der nationalen Entwicklungsstrategie "Vision 2030".
Gegenwärtig ist in Saudi-Arabien die verbraucherorientierte Telemedizin die wichtigste Digital Health Sparte. Neben virtuellen Konsultationen ist die Nutzung von Apps unter anderem für die Vereinbarung von Terminen, die Einsicht in Patientenakten, das Abrufen von Laborergebnissen, die Weiterleitung von Befunden an andere Gesundheitseinrichtungen oder die Datenübermittlung an Behörden schon sehr verbreitet. Ein E-Prescription Service bietet die Möglichkeit zur Ausstellung elektronischer Rezepte.
Die Einführung einer digitalen Krankenakte (Electronic Medical Records/EMR) in allen Gesundheitseinrichtungen des Landes gehört zu den zentralen Elementen der saudi-arabischen Digitalisierungsstrategie. Die Implementierung der "National Unified Medical Records" sollte bereits 2020 erfolgen. Der Zeitplan konnte aber nicht realisiert werden. Mittlerweile sind EMR aber schon sehr weit verbreitet.
Ferner stehen auf dem Digital Health Entwicklungsprogramm die verstärkte Nutzung von Wearables, Patienten-Fernüberwachung und Datenauswertungen durch künstliche Intelligenz. Digital Health soll die Schaffung eines integrierten Gesundheitssystems (Integrated Care System) ermöglichen.
Die Digitalisierung soll einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Krankenhäuser von ambulanten Dienstleistungen und von Patienten in Langzeitpflege leisten. Digital Health Instrumente (Diagnostik, Kommunikation etc.) sollen eine verstärkte häusliche Betreuung ermöglichen.
Aufbau eines virtuellen Krankenhauses
Im Frühjahr 2022 wurde das "SEHA Virtual Hospital" Projekt gestartet. Das virtuelle Krankenhaus verbindet mehr als 160 Krankenhäuser im gesamten Königreich und bietet seinen Patienten Behandlungen in 15 Fachbereichen an. Hierzu zählen Notfallkonsultationen bei Schlaganfällen, Intensivbehandlungen, Fachbehandlungen in den Bereichen Blutkrankheiten, Psychiatrie, Nierenkrankheiten, Endokrinologie und Diabetes, genetische Krankheiten und Stoffwechselkrankheiten, geriatrische Krankheiten, medizinische Rehabilitation, Herzkrankheiten, Pathologie und Pharmazie sowie Dienstleistungen im Bereich der häuslichen Pflege.
Das virtuelle Krankenhaus beschäftigt mehr als 75 Ärzte und hat eine Kapazität von 400.000 Patienten pro Jahr. Durch virtuelle Konsultationen wird die medizinische Versorgung auch in abgelegenen Regionen des Landes verbessert. Künstliche Intelligenz wird unter anderem eingesetzt, um Untersuchungen, die möglicherweise einen dringenden medizinischen Eingriff erfordern, Priorität einzuräumen oder um Diagnosen zu verbessern.
Durch Nutzung von "Augmented-Reality" Lösungen können sich Chirurgen über eine elektronische Plattform austauschen, Wissen weitergeben und von der Erfahrung anderer Ärzte bei komplexen Operationen profitieren. Dies ermöglicht ebenfalls, dass Fachärzte bei schwierigen Operationen virtuell assistieren können. Durch das "Internet of Things" ist es zudem möglich, Patienten aus der Ferne zu überwachen, Vitalzeichen zu kontrollieren und bei einer Verschlechterung des Krankheitszustandes Warnmeldungen an medizinisches Personal zu senden.
NEOM will international führender Health Tech Standort werden
Für das noch in den Anfängen befindliche Mega-Stadtentwicklungsprojekt NEOM, die Ansiedlung von neun Millionen Menschen aus aller Welt im bislang kaum besiedelten Nordwesten des Landes, soll die Vision eines hochinnovativen Gesundheitssystems realisiert werden. Es wird das ambitionierte Ziel formuliert, NEOM zur weltweiten "Health Tech" Hauptstadt zu entwickeln. Dazu soll auch die Ansiedlung von Start-ups und anderen Health Tech Unternehmen forciert werden.
Als Teil des Gesundheitskonzepts soll "Dr. NEOM" unter anderem dafür sorgen, dass medizinische Onlinedienstleistungen 24/7 in Anspruch genommen werden können. Ferner ist geplant, durch Genomsequenzierung "Digital Twins" zu erstellen, um mögliche Gesundheitsrisiken zu identifizieren und entsprechende präventive Maßnahmen zu ergreifen. Zudem sollen der Gesundheitszustand kontinuierlich überwacht und Maßnahmen zur Verbesserung der Fitness empfohlen werden.
Die "Digital Twin" Technologie soll Echtzeitdaten über Patienten liefern. Dadurch sollen der Patientendurchlauf verbessert, die Wartezeiten der Patienten verkürzt, die Auslastung der Geräte optimiert, die Personalkosten gesenkt und die Bettenauslastung optimiert werden.
Die von der "Digital Twin" Technologie erfassten und verarbeiten Daten sollen bei der Personalisierung von Medikamentenplänen helfen. Die Effizienz und Leistung von Gesundheitseinrichtungen soll durch die Ermittlung von Engpässen im Arbeitsablauf und die Optimierung der Terminplanung verbessert werden.
"Digital Twins" sollen durch Erstellung virtueller Modelle, die mit mobilen Geräten verbunden sind, bei der Optimierung klinischer Prozesse helfen. Ziel ist die Entwicklung eines Netzes intelligenter medizinischer Geräte, die über die "Digital Twin" Technologie verfügen.