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Ölausfuhren sollen Klimaschutz finanzieren
Saudi-Arabien will bis 2060 klimaneutral werden und gleichzeitig seine hohen Ölexporte beibehalten. Kritiker bewerten diese Strategie als mit den Klimazielen kaum vereinbar.
19.01.2022
Von Robert Espey | Dubai
Saudi-Arabien gehört zu den weltweit größten CO₂-Verursachern und ist bemüht, sich als ambitionierter Akteur im Kampf gegen den Klimawandel zu inszenieren. Kronprinz und de facto Herrscher Prinz Mohammed bin Salman erklärte im Oktober 2021 auf dem "Saudi Green Initiative Form", sein Land strebe an, bis 2060 klimaneutral (Net Zero Target) zu werden. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, hat Saudi-Arabien bislang nicht dargelegt. Auch ist unklar, ob sich das "Net Zero"-Ziel auf alle Treibhausgase bezieht oder lediglich auf die CO₂-Emissionen.
Land | CO₂-Emissionen |
---|---|
China | 10.668 |
USA | 4.713 |
Indien | 2442 |
Russland | 1.577 |
Japan | 1.031 |
Iran | 745 |
Deutschland | 644 |
Saudi-Arabien | 626 |
Südkorea | 598 |
Indonesien | 590 |
Königreich verursacht hohe Treibhausgasemissionen
Nach Berechnungen des "Global Carbon Projects" sind die CO₂-Emissionen im wahhabitischen Königreich zwischen 2000 und 2010 von jährlich 296 Millionen auf 518 Millionen Tonnen gestiegen. Der bisherige Spitzenwert wurde 2015 mit 675 Millionen Tonnen erreicht, für 2020 werden 626 Millionen Tonnen angegeben.
Gemäß den Kalkulationen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK; PRIMAP-Daten) haben sich die gesamten von Saudi-Arabien jährlich erzeugten Treibhausgase zwischen 2000 und 2015 von 390 Millionen auf 815 Millionen Tonnen erhöht und sind bis 2019 auf 750 Millionen Tonnen gesunken. Davon entfielen 627 Millionen Tonnen auf CO₂ und etwa 100 Millionen Tonnen auf Methan. Hauptverursacher von Treibhausgasen ist der Energiesektor (IPC1: Öl- und Gasförderung, Verbrennung fossiler Brennstoffe etc.) mit einem Anteil von 83 Prozent (2019), gefolgt von industriellen Prozessen (IPC2) mit 12 Prozent.
Update zur Klimastrategie vorgelegt
Saudi-Arabien ist der UN-Rahmenübereinkunft über Klimaänderungen (UN Framework Convention on Climate Change/UNFCCC) 1992 beigetreten, hat das Kyoto Protokoll 2005 und das Pariser Klimaabkommen 2016 ratifiziert. Im Rahmen der UNFCCC wurden von Saudi-Arabien drei nationale Berichte (National Communications/NC) vorgelegt, der erste Bericht 2005 (NC1), der zweite 2011 (NC3) und der dritte 2016 (NC3).
Die erste Erklärung über Saudi-Arabiens geplante Beiträge zum Klimaschutz (Nationally Determined Contributions/NDC) ist 2016 veröffentlicht worden, im Oktober 2021 folgte ein Update. Eine gemäß dem Pariser Abkommen von den einzelnen Ländern zu erstellende langfristige Planung (Long Term Strategy) gibt es aus Saudi-Arabien noch nicht.
Ölexporte sollen auf hohem Niveau bleiben
Das NDC-Update erhöht die bis 2030 angestrebte jährliche Reduzierung von Treibhausgasemissionen gegenüber einem nicht spezifizierten "Business As Usual" Szenario (BAU) von 130 Millionen auf 278 Millionen Tonnen. Da Angaben zum BAU-Szenario fehlen, ist unklar, ob die Absenkung lediglich zu einer Begrenzung des Wachstums der Treibhausgasemissionen führen soll oder zu einer absoluten Verminderung gegenüber dem aktuellen Niveau.
Das im NDC-Report genannte Reduktionsziel wird an die Bedingung geknüpft, dass Ölexporte auch langfristig einen "robusten" Beitrag zur Volkswirtschaft erbringen können. Praktisch dürfte das eine kontinuierliche Ölförderung von 11 Millionen bis 12 Millionen bpd (barrel per day) bedeuten. Saudi-Arabien hat angekündigt, die Kapazitäten von 12 Millionen bpd bis 2027 auf 13 Millionen zu erhöhen.
Als Maßnahmen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen werden unter anderem der Einsatz von CCUS-Technologien (Carbon Capture Utilization and Storage), die Nutzung erneuerbarer Energien, Energieeffizienzstrategien, ein Baumpflanzprogramm und Investitionen in den Ausbau öffentlicher Nah- und Fernverkehrssysteme genannt.
Die angekündigte Treibhausgasreduzierung soll nach unten revidiert werden, falls der Ölexport aufgrund abnehmender Nachfrage heruntergefahren werden muss. Dann will Riad mehr Öl im Land verbrauchen oder weiterverarbeiten und entsprechend den CO₂-Ausstoß steigern. Es würden unter anderem die petrochemische Industrie, die Metallerzeugung und die Zementproduktion stärker ausgebaut.
Erste CCUS-Projekte, Perspektiven für "blauen" Wasserstoff
Das größte saudi-arabische CCUS-Projekt ist ein Pilotprojekt von Saudi Aramco im Hawiyah Gaswerk. Seit 2015 werden täglich 850.000 Kubikmeter CO₂ aufgefangen und zum Uthmaniyah Ölfeld transportiert. Dort wird das CO₂ als EOR-Maßnahme (Enhance Oil Recovery) zur Steigerung des Förderdrucks in das Ölreservoir injiziert.
In Jubail hat Sabic 2015 ein "CO₂-to-Chemicals" Projekt in Betrieb genommen. Jährlich werden dort 500.000 Tonnen CO₂ vor allem zur Herstellung von Methanol und Urea (Harnstoff) verwendet, in flüssiger Form wird CO₂ an die Lebensmittelindustrie verkauft. Das CO₂ fällt bei der Produktion von Ethylenglykol an.
Zukünftig sollen CCUS-Technologien eingesetzt werden, um den aus Gas gewonnenen "grauen" Wasserstoff in "blauen" zu verwandeln. Saudi-Arabien beabsichtigt, neben dem voraussichtlich ab 2025 produzierten "grünen" Wasserstoff beziehungsweise Ammoniak (geplante Jahreskapazität: 1,2 Millionen Tonnen Ammoniak) große Mengen "blauen" Ammoniak zu exportieren.
Erneuerbare Energien bislang mit mäßigen Fortschritten
Das von Saudi-Arabien 2013 vorgestellte Mega-Programm zur Nutzung erneuerbarer Energien hatte international für Aufsehen gesorgt. Nach damaliger Planung sollten bis 2020 Projekte mit einer Gesamtleistung von 24 Gigawatt realisiert werden, für 2032 waren 54 Gigawatt vorgesehen. Gemäß aktueller Planung sollen 2023 die Solar- und Windkraftkapazitäten 27 Gigawatt (20 Gigawatt Photovoltaik/PV, 7 Gigawatt Wind) erreichen, für 2030 sind fast 59 Gigawatt angestrebt (40 Gigawatt PV, 16 Gigawatt Wind, 2,7 Gigawatt Concentrated Solar Power/CSP).
Ende 2021 verfügte Saudi-Arabien nur über Solar- und Windkraftkapazitäten von insgesamt 0,4 Gigawatt, davon entfielen 0,3 Gigawatt auf das im Frühjahr 2021 in Betrieb genommene Sakaka PV-Kraftwerk. Derzeit sind Solarprojekte mit 4,2 Gigawatt und ein Windprojekt mit 0,4 Gigawatt im Bau. In der Planung sind Projekte mit weniger als 3 Gigawatt. Hier ist der im Rahmen des "grünen" Wasserstoffprojekts (in NEOM) geplante 4 Gigawatt Solar- und Windpark nicht berücksichtigt.