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Vom schwarzen Gold zum grünen Wasserstoff?
Kasachstan hat seine vorläufige Wasserstoffstrategie bis 2040 vorgestellt. Der Energieträger der Zukunft soll die Wirtschaft grüner machen und breiter aufstellen.
09.07.2024
Von Viktor Ebel | Bonn
In Kasachstan liegen der Bedarf an und das Potenzial von grünem Wasserstoff sehr nah beieinander. Denn die weiten Steppen des zentralasiatischen Landes bieten optimale Bedingungen für den Betrieb von Wind- und Solarparks. Mit dem hieraus gewonnenen grünen Strom kann Wasserstoff produziert werden, der in Kasachstan vielfach verwendet werden kann. Zum Beispiel für die Dekarbonisierung der Wirtschaft, die momentan noch als besonders emissionsintensiv gilt.
grünen Wasserstoff will die EU ab 2030 jährlich importieren.
Das soll sich ändern, denn Kasachstan will bis 2060 Klimaneutralität erreichen. Dafür muss das Land unter anderem im Verkehrssektor und der Industrie CO2-freie Technologien einführen. Zudem könnte grüner Wasserstoff die Exporte diversifizieren, die seit jeher von Rohöl dominiert werden. Ohnehin dürfte das schwarze Gold bei den Hauptabnehmerländern in Europa künftig weniger gefragt sein, da die EU bereits 2050 klimaneutral sein will und daher den Verbrauch von fossilen Energieträgern schrittweise herunterschrauben will.
Mehr als 11 Milliarden US-Dollar Investitionen bis 2040
In der vorläufigen Wasserstoffstrategie vom Frühjahr 2024 schätzt das kasachische Energieministerium, dass bis 2040 etwa 11,2 Milliarden US-Dollar (US$) in die Wasserstoffwirtschaft fließen. In diesem Zeitraum sollen Elektrolyseure mit einer Kapazität von mindestens 10 Gigawatt beschafft werden. Der grüne Strom für deren Betrieb soll mit neuen Wind- und Photovoltaikparks gewonnen werden, die ebenfalls eine Gesamtleistung von mindestens 10 Gigawatt haben sollen.
Ausländische Anbieter sind bereits vor Jahren in den kasachischen Markt für erneuerbare Energien eingestiegen, darunter auch deutsche Unternehmen wie Goldbeck Solar, das den größten Solarpark im Land betreibt. Mit dem zukünftigen Bedarf an Technik zur Erzeugung von Wasserstoff tut sich ein weiteres Betätigungsfeld auf. Das hat auch der in Kasachstan tätige Armaturenhersteller Böhmer auf dem Schirm, dessen Kugelhähne bereits "Wasserstoff-ready" sind.
Endgültige Wasserstoffstrategie erst im Laufe des Jahres 2024
Die vorläufige Strategie ist in Kasachstan noch in der Diskussion und noch nicht finalisiert. Zudem berücksichtigt sie keine privaten Projekte wie das des deutsch-schwedischen Entwicklers Svevind. Das Unternehmen hat auf Nachfrage von Germany Trade & Invest bestätigt, mit Hyrasia One ab 2030 grünen Wasserstoff in Westkasachstan produzieren zu wollen.
Dafür sollen Wind- und Solarparks mit 40 Gigawatt sowie Elektrolyseure mit 20 Gigawatt Kapazität errichtet werden. Der hieraus gewonnene grüne Wasserstoff (2 Millionen Tonnen jährlich) soll auch nach Europa exportiert werden.
Bei der Einführung der neuen Technologien setzt Kasachstan auf einen ganzheitlichen Ansatz, um damit die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette im Land zu etablieren – von der Forschung, über die Produktion und die Verwendung bis hin zum Export. In den nächsten Jahren sollen dafür das regulatorische Umfeld sowie die nötige Infrastruktur geschaffen werden. Wie in anderen Branchen, gibt es auch bei der Wasserstofftechnologie Lokalisierungsbestrebungen. In der Strategie heißt es, dass 20 Prozent der Ausrüstung aus Kasachstan stammen sollen.
Vier Regionen sind besonders gut als Wasserstoffzentren geeignet
Die Deutsche Energieagentur (DENA) berät Kasachstan im Rahmen des deutsch-kasachischen Energiedialogs zum Thema Energiewende. In einer Studie von 2023 untersuchte die DENA, welche Landesteile für eine nachhaltige Produktion von grünem Wasserstoff in Frage kommen. Die Analysten kamen zu dem Schluss, dass die Regionen um Atyrau, Oskemen, Pawlodar und den See Balkhash besonders gut geeignet sind, da sie die drei wichtigsten Voraussetzungen erfüllen:
- Großes Potenzial für Produktion von grünem Strom aus Wind- und Solarkraft,
- Verfügbare Wasserressourcen,
- Nähe zu potenziellen Verbrauchern von grünem Wasserstoff.
Da drei der vier Regionen sich im Osten des Landes befinden, bedarf es einer umfassenden Infrastruktur, um europäische Märkte zu beliefern und das Exportpotenzial voll zu entfalten. Diskutiert werden der intermodale Transport per Straße, Schiene und Schiff über das Kaspische Meer sowie die Umrüstung bestehender Erdgaspipelines für den Wasserstofftransport.
Wasserstoff ist in Kasachstan vielfältig einsetzbar
Um seine Emissionen zu senken und die Klimaziele zu erreichen, muss Kasachstan fossile Energieträger zunehmend durch Wasserstoff ersetzen. So beispielsweise in der Industrie, die einer der Hauptemittenten ist. Vor allem in der Metallurgie besteht die Möglichkeit, Treibhausgase einzusparen, indem Kohle als Brennstoff durch Wasserstoff ersetzt wird. Ein denkbares Einsatzgebiet ist auch die energieintensive Chemieindustrie.
Der Verkehrssektor ist eine weitere bedeutende Quelle von Treibhausgasemissionen in Kasachstan. Die DENA schätzt den Anteil auf etwa 10 Prozent – Tendenz steigend, denn Kasachstan gewinnt im internationalen Güterverkehr zunehmend an Bedeutung. Besonders im Bereich der Langstrecken- und Schwertransporte, darunter bei Muldenkippern im Bergbau, bestehe Potenzial für den Einsatz von Wasserstoff, so die DENA in einer weiteren Analyse. Elektroantriebe kämen hier aufgrund der begrenzten Reichweiten nicht in Frage. In der kasachischen Wasserstoffstrategie werden erste wasserstoffbetriebene Lkw, Busse und Züge sowie entsprechende Tankstellen für das Jahr 2033 angekündigt.
Sogar ein Pilotprojekt für den Einsatz von Wasserstoff zum Heizen in Wohngebäuden ist angedacht, wobei hier noch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit aus dem Weg geräumt werden müssen. Gesetzt hingegen scheint die Kombination von Wasserstoff mit Erdgas zum Betrieb von Gaskraftwerken ab 2030.
Blauer und rosa Wasserstoff sind ebenfalls im Gespräch
Kasachstan hat fossile Energieträger als technologieneutral erklärt und will diese auch für die Wasserstoffproduktion nutzen. Wenn Erdgas mit Hilfe von konventionellen Energieträgern erhitzt und das dabei entstehende CO2 abgeschieden wird, entsteht blauer Wasserstoff. In Zukunft sollen dafür auch ungenutzte Begleitgase aus der Erdölförderung verwendet werden.
Von rosa Wasserstoff ist die Rede, wenn für die Elektrolyse Strom aus Kernenergie verwendet wird. Noch nutzt Kasachstan keine Atomkraft. Aber als größter Uranexporteur der Welt diskutiert das Land die Nutzung der Kernkraft seit längerem.
Wasserentnahme ist in Kasachstan umstritten
Wenig Konkretes steht in der Strategie zum Wassermanagement geschrieben. Wasser ist in Kasachstan mancherorts knapp und ungleich verteilt, der Klimawandel und hohe Wasserverluste beim Transport und der Bewässerung verschärfen die Problematik zusätzlich. Zwar gibt die DENA Entwarnung: Selbst im optimistischen Szenario für 2040, in dem 60 Prozent des grünen Stroms für die Produktion von grünem Wasserstoff verwendet würden, läge die Wasserentnahme für diesen Zweck bei weniger als 1 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs.
Doch gerade im Westen des Landes ist das Grundwasser knapp. Dort muss auf Meerwasser aus dem Kaspisee zurückgegriffen werden. Wissenschaftler von der Universität Aktau haben berechnet, dass die energieintensive Destillation den Preis und vor allem den Wasserverbrauch bei der Wasserstoffproduktion in die Höhe treiben würde - von 30 Litern auf über 80 Liter pro Kilogramm Wasserstoff.
Name | Anmerkungen |
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Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien; Exportinitiative Energie | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Deutsche Energieagentur; Deutsch-Kasachischer Energiedialog | Beratung zur Energiewende |
H2 Diplomacy Office des Auswärtigen Amtes; Büro Astana | Förderung von grünen Wasserstoffprojekten |
Svevind Energy Group; Hyrasia One | Projektentwickler für erneuerbare Energien |
Ministerium für Energie | Ansprechpartner für Energiewirtschaft |
KazMunayGas; Kompetenzzentrum für Wasserstoff | Nationales Öl- und Gasunternehmen |