Branchen | Saudi-Arabien | Megaprojekte
Projektvergabe in Saudi-Arabien erreicht neuen Spitzenwert
Der Wert neuer Projekte könnte 2023 auf 90 Milliarden US-Dollar steigen – dank Investitionen im Öl- und Gassektor sowie der Chemieindustrie. Der Ausbau der Erneuerbaren stockt.
15.11.2023
Von Robert Espey | Dubai
In Saudi-Arabien hat sich der Projektmarkt nach einem schweren Einbruch im Coronajahr 2020 sehr schnell erholt. Das Jahr 2023 wird mit einem neuen Rekord abschließen. Nach Angaben der Projektdatenbank MEED erhöhte sich der Wert der Neuverträge in den ersten zehn Monaten 2023 gegenüber der Vorjahresperiode um 53 Prozent auf 77 Milliarden US-Dollar (US$). Damit ist der Gesamtwert des Vorjahres schon weit überschritten. Der bisherige Spitzenwert wurde 2013 mit 58 Milliarden US$ erreicht.
Neue Megaprojekte heizen Projektmarkt an
Die kräftigen Zuwächse bei den Projektvergaben seit 2021 sind zu einem erheblichen Teil auf die Megaprojekte des Public Investment Funds (PIF) und anderer staatlicher Träger zurückzuführen. Der Staatsfonds PIF wird von Kronprinz Mohammed bin Salman kontrolliert und finanziert die von ihm priorisierten Vorhaben.
MEED Projects zufolge wurden 2020 für 18 ausgewählte Megaprojekte Verträge im Wert von nur 3,7 Milliarden US$ unterschrieben. In den beiden Folgejahren waren es 11,7 Milliarden und 23,8 Milliarden US$, in den ersten zehn Monaten 2023 rund 20 Milliarden US$. Eine plangemäße Umsetzung der Megaprojekte würde bis 2050 Investitionen von mehr als 1 Billion US$ erfordern.
Von 2018 bis Oktober 2023 summieren sich die für die Megaprojekte vergebenen Aufträge auf 60,6 Milliarden US$. Etwa die Hälfte davon entfällt auf die Entwicklungszone NEOM (New Future). Die größten in NEOM geplanten beziehungsweise teilweise schon im Bau befindlichen Vorhaben sind die futurische Stadt The Line, die Industrie- und Hafenzone Oxagon am Roten Meer sowie die Tourismusregion Trojena in den Bergen. NEOM entsteht in einem bislang dünn besiedelten Landstrich von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns in der nordwestlichen Provinz Tabuk.
Für zwei touristische Großprojekte, die die PIF-Tochter Red Sea Global realisiert, summiert sich das bisherige Auftragsvolumen auf etwa 9 Milliarden US$. Auf den im Bau befindlichen King-Salman-Park, eine gemischt genutzte Grünzone in Riad, entfallen über 5 Milliarden US$. Andere Megaprojekte mit hohem Auftragsvolumen sind unter anderem das Sports Boulevard Projekt in Riad, der Qiddiya Vergnügungspark in Hauptstadtnähe, das Wohnungsbauprojekt ROSHN und das Kultur- und Freizeitprojekt Diriyah.
Die Hauptaufträge für die Megaprojekte gingen vor allem an lokale Baufirmen. Zu den ausländischen Unternehmen mit großen Auftragsvolumina gehören Larsen & Toubro aus Indien, Webuild aus Italien, Archirodon aus Griechenland, Shapoorji Pallonji aus Indien, FCC Construction aus Spanien sowie die chinesischen Firmen SEPCOIII Electric Power und China Harbour Engineering.
Größte Zuwächse in den Branchen Öl und Gas, Energie sowie Chemie
Eine Auswertung der Projektvergaben in den ersten zehn Monaten 2023 nach Wirtschaftszweigen zeigt in fast allen Bereichen deutliche Zuwächse. Eine Ausnahme bildet der Hochbausektor. Im Öl- und Gassektor kam es zu einer Steigerung um 135 Prozent auf 14,3 Milliarden US$. Allein 9,5 Milliarden US$ beziehen sich auf das klimaschädliche Gasfrackingprojekt Jafurah. Die Reserven der Jafurah-Schiefergasvorkommen belaufen sich auf geschätzte 5,7 Billionen Kubikmeter.
Bei Stromprojekten kam es zu einer Verdreifachung auf 12,5 Milliarden US$. Etwa die Hälfte des Projektvolumens entfällt auf vier konventionelle Kraftwerke in Qassim und Taiba mit einer Gesamtleistung von 7,2 Gigawatt. Der Auftragswert für vier neu vergebene Fotovoltaikanlagen mit einer Kapazität von 4,7 Gigawatt beträgt 2,7 Milliarden US$.
Die Verachtfachung der Projektvergaben im Chemiesektor auf 8,3 Mrd. US$ ist vor allem auf die Aufträge im Wert von 7,7 Milliarden US$ für den Amiral-Komplex zurückzuführen. Das Amiral-Chemieprojekt ist die derzeit größte Investition in der saudi-arabischen Chemieindustrie. Projektbetreiber ist ein Joint Venture aus Aramco und TotalEnergies. Herzstücke des Projekts sind ein Ethylen-Cracker, zwei Polypropylen-Anlagen sowie ein HDPE-Werk (High Density Polyethylene).
Geplante Wasserstoffprojekte mit Fragezeichen
Das im Bau befindliche Wasserstoffprojekt in NEOM soll ab 2026 jährlich 1,2 Millionen Tonnen grünen Ammoniak für den Export liefern. Abnehmer ist das US-Unternehmen Air Products, das an der NEOM Green Hydrogen Company, dem Projektbetreiber, beteiligt ist.
Die weitere Entwicklung aller weiteren in Saudi-Arabien geplanten grünen oder blauen Wasserstoffprojekte ist derzeit schwer zu prognostizieren. Die Vorhaben befinden sich zumeist in einer frühen Planungsphase.
Projekt | Investitionswert (Mio. US$) | Projektbetreiber |
---|---|---|
Clean Hydrogen Plant | 10.000 | |
Green Ammonia Plant in Yanbu | 6.500 | |
Jafurah Blue Hydrogen Plant | 1.000 | |
Saudi Arabia Renewable Energy Hub (SAREH) | 500 | Saudi Aramco / Modern Industrial Investment / Intercontinental Energy |
Jiangsu Guofu Green Hydrogen Energy Plant | 500 | |
Green Hydrogen Gas Production Plant | 500 | |
San VI Low Carbon Hydrogen Complex | 300 | |
Horizon II Low Carbon Hydrogen Complex | 300 |
Investitionen in erneuerbare Energien liegen weit zurück
Der Ausbau der erneuerbaren Energien bleibt weiterhin deutlich hinter den Zielen zurück. Gemäß Planung sollten sich bei erneuerbaren Energien (EE) die Kraftwerkskapazitäten bis 2023 auf 27,3 Gigawatt erhöhen. Bis 2030 sind 58,7 Gigawatt angestrebt. Davon sollen 40 Gigawatt auf Fotovoltaik, 16 Gigawatt auf Windenergie und 2,7 Gigawatt auf Concentrated Solar Power (CSP) entfallen. Diese Zielvorgaben schließen die in NEOM geplanten Solar- und Windkraftprojekte nicht ein.
Die reale Entwicklung weicht stark von der Planung ab. Neben kleineren EE-Anlagen sind gegenwärtig (November 2023) nur drei große Fotovoltaikanlagen (Sakaka, Jeddah, Rabigh) und ein Windkraftwerk (Dumat al Jandal) mit einer Gesamtleistung von 1,3 Gigawatt am Netz. In der Bauphase befinden sich EE-Projekte mit etwa 10 Gigawatt. In den nächsten zwei bis drei Jahren könnten EE-Projekte mit einer Gesamtleistung von bis zu 15 Gigawatt (ohne NEOM) vergeben werden.
In NEOM sind zur Versorgung des grünen Wasserstoffprojekts ein 2,9-Gigawatt-Solarpark und eine 1,7-Gigawatt-Windfarm im Bau. Der 4 Milliarden US$ schwere Hauptauftrag ging an Larsen & Toubro aus Indien. Der chinesische Windkraftanlagenbauer Envision Energy liefert Turbinen und Türme. Darüber hinaus sind für NEOM Pläne zur Errichtung von EE-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 29 Gigawatt bekannt. Davon entfallen 95 Prozent auf Fotovoltaik.