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Wirtschaftsausblick | Saudi-Arabien

Ölsektor bremst erneut Wirtschaftswachstum

Die Diversifizierung der Wirtschaft bietet deutschen Unternehmen gute Geschäftschancen. Der volatile Ölsektor dürfte aber auch langfristig der wichtigste Wirtschaftszweig bleiben.

Von Robert Espey | Dubai

Top-Thema: Staatshaushalt schreibt rote Zahlen

Zur Finanzierung der ambitionierten nationalen Entwicklungsstrategie Vision 2030 muss Saudi-Arabien in den nächsten fünf Jahren einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag mobilisieren. Da sich die Hoffnungen auf ein massives privates Engagement bislang nicht erfüllt haben, ist der Staat gefragt. Jedoch fällt der Staatshaushalt als Quelle für wesentliche zusätzliche Mittel weiterhin aus. Der Public Investment Fund ist gegenwärtig der wichtigste Financier von Investitionsprojekten.

Die Staatsverschuldung erhöhte sich zwischen 2014 und 2023 von 11,8 Milliarden auf 280,1 Milliarden US-Dollar (US$) beziehungsweise 26,2 Prozent des BIP.  Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) könnte sie 2024 rund 28 Prozent des BIP erreichen und bis 2029 auf 35 Prozent steigen. Mit einer höheren Verschuldung steigt der Druck, die Staatseinnahmen auf eine breitere Basis zu stellen. Sinkt der Ölpreis deutlich, brechen die Einnahmen ein. Das stellt die ambitionierten Zeitpläne für die zahlreichen Großprojekte in Frage und dürfte die Bemühungen um eine Diversifizierung der Wirtschaft beschleunigen. 

Nach Berechnungen des IWF müsste Saudi-Arabien 2024 durchschnittlich 96 US$ pro Barrel erzielen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Der durchschnittliche Preis pro Barrel ging 2023 jedoch auf 84 US$ zurück und wird 2024 voraussichtlich weiter fallen.

Die Bedeutung des Erdölsektors für den Staatshaushalt nimmt zwar ab, die Abhängigkeit bleibt aber hoch. Der Anteil der Öleinnahmen an den gesamten Staatseinnahmen lag 2023 bei 62 Prozent beziehungsweise 201 Milliarden US$. Die zweitwichtigste Einnahmeposition waren mit 70 Milliarden US$ Steuern auf Güter und Dienstleistungen. Haupteinnahmequelle ist hier die Mehrwertsteuer in Höhe von 15 Prozent.

Anfang Oktober 2024 legte das Finanzministerium eine neue Prognose für das Budget 2024 vor. Das Ressort erwartet ein Defizit von 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) beziehungsweise 31 Milliarden US$. Damit dürfte das Defizit um 10 Milliarden US$ höher ausfallen als ursprünglich geplant. Im Jahr 2025 wird mit einem etwas geringeren Fehlbetrag gerechnet, in den folgenden beiden Jahren dagegen wieder mit einer Ausweitung des Defizits.

Wirtschaftsausblick: Talfahrt des Ölsektors soll enden

Der Ölsektor ließ das reale BIP 2023 um 0,8 Prozentpunkte schrumpfen und bremst 2024 das Wirtschaftswachstum stark ab. Die Analysten des IWF und des Finanzdienstleisters Jadwa Investment aus Riad rechnen für 2024 mit einem realen Wachstum von 1,5 Prozent. Jadwa geht dabei von einer Schrumpfung des Ölsektors um 6,1 Prozent und einer Expansion der privaten Nichtölwirtschaft um 4,5 Prozent aus. Der Anteil des Ölsektors an der BIP-Entstehung dürfte im Jahr 2024 auf unter 30 Prozent sinken.

Das Finanzministerium ist in seiner jüngsten Analyse pessimistischer und prognostiziert für 2024 ein BIP-Wachstum von lediglich 0,8 Prozent. Die Nichtölwirtschaft soll nur 3,7 Prozent zulegen. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistikamtes nahm das BIP im 1. Halbjahr 2024 um 1 Prozent ab. Während die private Nichtölwirtschaft um 4,1 Prozent wuchs, schrumpfte die Wertschöpfung des Ölsektors um 10 Prozent.

Vereinbarungen in der OPEC+ Gruppe und zusätzliche freiwillige Drosselungen ließen die durchschnittliche saudi-arabische Ölförderung pro Tag 2024 um 0,6 Millionen auf durchschnittlich 9 Millionen Barrel fallen. Plänen der Regierung zufolge soll sie 2025 schrittweise auf 10 Millionen Barrel pro Tag steigen. Somit würden im Jahresdurchschnitt 9,6 Millionen Barrel pro Tag erreicht. Das Königreich verfügt über eine Förderkapazität von 12 Millionen Barrel pro Tag.

Vor allem die Ausweitung der Ölförderung soll 2025 das BIP-Wachstum deutlich ankurbeln. Das Finanzministerium und der IWF erwarten ein Plus von 4,6 Prozent. Allerdings ist fraglich, ob bei einem weiteren Rückgang des Ölpreises die Fördermenge tatsächlich erhöht wird.

Wachstum bei Investitionen und Privatkonsum lässt nach

Die zahlreichen staatlichen Großprojekte tragen auch 2024 wesentlich zum Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen bei. Das Investitionstempo könnte sich aber verlangsamt haben. Im Jahr 2023 wurde ein Plus von real 5,3 Prozent erzielt. Im 1. Halbjahr 2024 waren es im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum nur noch 4 Prozent.

Auch der Privatverbrauch wächst nicht mehr so stark. Nach kräftigen Zuwächsen in den vergangenen drei Jahren rechnen Analysten für 2024 und 2025 mit einer Steigerung von circa 3 Prozent.

Der saudi-arabische Handelsbilanzüberschuss wird 2024 erneut schrumpfen. Im 1. Halbjahr 2024 gingen die Exporte um 2,5 Prozent auf 157 Milliarden US$ zurück, vor allem aufgrund weiter rückläufiger Öleinnahmen. Zugleich expandierten die Einfuhren um 6,5 Prozent auf 108 Milliarden US$. Hauptlieferanten waren China, die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate (vor allem Reexporte über Dubai), Indien und Deutschland.

Deutsche Perspektive: Als Partner der Diversifizierung gefragt

Die deutschen Ausfuhren nach Saudi-Arabien setzen ihren Erholungsprozess fort. In den ersten acht Monaten 2024 erhöhten sich die Lieferungen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 3,9 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro. Starken Verlusten bei den Fahrzeuglieferungen standen deutliche Zuwächse unter anderem bei pharmazeutischen Produkten gegenüber.

Die Diversifizierung der saudi-arabischen Wirtschaft eröffnet deutschen Firmen große Kooperationschancen. So ist der deutsche Maschinenbau ein wichtiger Partner beim Ausbau der verarbeitenden Industrie. Die deutschen Maschinenlieferungen erhöhten sich 2022 und 2023 um jeweils 24 Prozent. Im 1. Halbjahr 2024 gab es ein Plus von immerhin 7 Prozent. Der Gesamtjahreswert könnte auf über 1,5 Milliarden Euro steigen.

GTAI-Informationsangebote zu Saudi-Arabien

Weitere Informationen zu Saudi-Arabien bieten unter anderem unsere Reihen "Wirtschaftsstandort", "Wirtschaftsdaten kompakt" oder "Branche kompakt". Ferner sind auf der GTAI-Länderseite zahlreiche Berichte zum Wirtschaftsumfeld, zu Branchen sowie Rechts- und Zollthemen zu finden.

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