Branche kompakt | Schweden | Bauwirtschaft
Branchenstruktur
Einheimische Unternehmen spielen im Norden die erste Geige. Chancen bieten sich vor allem im Infrastrukturbau. Der Fachkräftemangel ist jedoch eine Herausforderung.
30.10.2024
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Der schwedische Bausektor hat in den vergangenen zwei Jahren tiefe Einschnitte erleiden müssen. Überproportional viele Insolvenzen haben politische Diskurse angeheizt und überschatten die Stärken der heimischen Baubranche. Denn nichtsdestotrotz gilt die Branche als Säule der schwedischen Wirtschaft und genießt einen hohen Stellenwert - immerhin trägt der Bau- und Immobiliensektor zu knapp 12 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Insgesamt gab es nach Angaben des schwedischen Statistikamtes SCB im Jahr 2023 knapp 123.000 Bauunternehmen, davon rund 28.000 im Hochbau und mehr als 4.000 im Tiefbau. Mehr als 87 Prozent der Baufirmen hatten maximal vier Angestellte und nicht mal 1 Prozent machten jene Firmen mit 50 oder mehr Angestellten aus. Laut Byggföretagen, dem Verband der Bauindustrie, ist der Bausektor nach wie vor weitgehend lokal und national geprägt, auch wenn der Markt zunehmend von internationaler Konkurrenz beeinflusst wird.
Die schwedische Verkehrsbehörde ist ein wichtiger Akteur
Laut nationaler Verkehrsbehörde Trafikverket erwirtschaftet der gesamte schwedische Baumarkt 2023 einen Umsatz von knapp 66 Milliarden Euro. Ungefähr 17 Milliarden Euro entfallen davon auf den Tiefbaumarkt. Das Einkaufsvolumen von rund 5 Milliarden Euro entspricht somit etwas weniger als einem Drittel und macht die Behörde zu einem wichtigen Teilnehmer am Markt. Nach Angaben von Byggföretagen beläuft sich der Umsatz der gesamten Bauinvestitionen auf knapp 53 Milliarden Euro. Die gesamten Bauinvestitionen umfassen den Bau neuer und die Renovierung bestehender Wohnungen und Gebäude sowie Investitionen in den Tiefbau.
Der große Instandhaltungsdruck von Anlagen und Infrastrukturausgaben macht sich bei Betrachtung der Investitionen im Tiefbau bemerkbar: Hier lag der Umsatz laut Byggföretagen in den letzten Jahren jeweils bei mehr als 17,5 Milliarden Euro pro Jahr. Neben Straßen und Schieneninfrastruktur zählen hierzu auch die Wartung und der Neubau von Fernwärmeanlagen sowie Wasser- und Abwasseraufbereitung. Zu den großen Auftragnehmern gehören die schwedischen Unternehmen Svevia, Peab, NCC, Infranord, Infrakraft/Entry, Implenia und Skanska, die den Tiefbausektor in diesen Bereichen dominieren. In der Vergangenheit haben diese Unternehmen eine größere Kontrolle über die gesamte Produktionskette angestrebt, um ihre Rentabilität zu erhöhen. Strategisch bedeutet dies, dass die Unternehmen mit Zulieferern zusammenarbeiten und in die Eigenproduktion wichtiger Rohstoffe investieren. Einige der Unternehmen besitzen Asphaltwerke, Betonmischanlagen und Steinbrüche. Bei den Ausschreibungen der schwedischen Verkehrsverwaltung im Jahr 2023 waren Svevia und Peab die Bieter mit den meisten Angeboten unter den Bauunternehmen. Es folgten NCC, GRK und Infrakraft/Entry.
Insgesamt wird dadurch die Effizienz der Produktionskette erhöht und der Wettbewerb eingeschränkt. Gleichzeitig ist ein Konsolidierungstrend im Gange, bei dem kleine und mittlere Unternehmen aufgekauft und in größere Industriekonzerne integriert werden. Aufgrund der geplanten großen Infrastrukturinvestitionen in Schweden haben ausländische Anbieter in den letzten Jahren verstärkt Interesse am schwedischen Baumarkt gezeigt. Insbesondere bei großen und komplexen Infrastrukturprojekten mangelt es in Schweden teilweise an Kompetenz und Ressourcen, sodass zukünftige Projekte international vermarktet werden müssen.
Generalunternehmer haben die Nase vorn
Im Wohnungsbau müssen sich deutsche Unternehmen auf eine andere Situation einstellen als in Deutschland. Insbesondere im Wohnungsbau ist es üblich, Verträge mit Generalunternehmen statt mit einzelnen Gewerken abzuschließen. Kenner des Systems weisen darauf hin, dass es keine Leistungsverzeichnisse oder Preisspiegel wie in Deutschland gibt, sondern mit Pauschalpreisen gearbeitet wird. Außerdem besteht weder eine Honorarordnung für Architekten, noch eine Gewerbeordnung und insgesamt gibt es im Vergleich zur Bundesrepublik weniger Bauregeln. Es wird aber durchaus auf sogenannte Handbücher zurückgegriffen, die auch Auskunft über standardisierte Verträge geben können.
Unternehmen | Umsatz (2023) |
---|---|
Skanska
| 13,7 |
Peab | 5,4 |
NCC | 5,0 |
Veidekke | 3,8; davon 1,3 auf dem schwedischen Markt |
JM | 1,4; davon 0,8 auf dem schwedischen Markt |
AF Gruppen
| 2,7; davon 0,7 auf dem schwedischen Markt |
Serneke
| 0,7 |
Hauptstadtregion ist Fokus der Investitionen
Die mit Abstand meisten Investitionen der Baubranche werden laut Branchenverband Byggföretagen in der Region Stockholm getätigt. Eine regionale Aufschlüsselung zeigt, dass 27,9 Prozent der gesamten Bauinvestitionen des Landes im Jahr 2023 in die Region Stockholm fließen. Auf Västra Götaland entfallen 18,2 Prozent und auf die südliche Region Skåne 11,6 Prozent. Die Wachstumsregionen Uppsala und Östergötland erhalten 4,3 beziehungsweise 3,8 Prozent. Gotland hatte mit 0,4 Prozent den geringsten Anteil.
Allein für die Region Stockholm stehen bis zum Jahre 2040 etwa 115 Milliarden Euro für Projekte im Bereich Infrastruktur und Bau zur Verfügung.
Fachkräftemangel auch in Schweden ein Problem
Kürzlich bestätigte die Wirtschaftsförderung der Stadt Stockholm, Stockholm Business Region, dass der Fachkräftemangel insbesondere in der Bauindustrie enorm sei. Insgesamt fehlten etwa 40.000 Fachkräfte, um die angestrebten Bauprojekte in der Hauptstadtregion umsetzen zu können. Bei den Ingenieuren ist der Bedarf am höchsten: Laut nationalem Statistikamt SCB werden im Jahr 2035 etwa 12.000 Ingenieure fehlen. An zweiter Stelle folgen die Bauarbeiter. Aber auch in spezialisierten Berufsgruppen wie Elektrikern, Anlagenmechanikern oder Architekten wird ein konkreter Bedarf bestehen. Das schwedische Start-Up Flexy Finder versucht an dieser Stelle anzusetzen: hierbei handelt es sich um ein Matchmaking-Tool, das Unternehmen und Auftragsnehmer schneller zusammenbringen soll.
Sparte | 2023 | Veränderung 2023/2022 2) |
---|---|---|
Steine, Gips, Zement, Asbest, Glimmer o.ä. Stoffe | 1.574 | -11,6 |
Keramik | 121 | -7,5 |
Glas und Glaswaren | 748 | 3,7 |
Eisen und Stahl | 8.941 | -9,1 |
Waren aus Eisen und Stahl | 5.103 | -3,4 |
Kupfer und Kupferwaren | 3.131 | 5,3 |
Aluminium und Aluminiumwaren | 2.427 | -0,6 |
Metall und Metallwaren | 658 | 7,2 |