Schweden | Branchen | Windenergie
Schweden will seine Bürger für Windkraft begeistern
Umfangreiche Veto-Rechte der Kommunen bremsen immer öfter den Windkraft-Ausbau. Neue Anreize sollen Einwohner und Lokalpolitiker umstimmen.
01.06.2023
Von Michał Woźniak | Stockholm
"Um die grüne Wende zu bewältigen und einen Stromverbrauch von mindestens 300 Terawattstunden im Jahr 2045 zu decken, sind alle fossilfreien Energiearten erforderlich", erklärt Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch. "Die Windkraft muss nachhaltig ausgebaut werden. Dies erfordert eine höhere Akzeptanz in der lokalen Gemeinschaft", ergänzt Klima- und Umweltministerin Romina Pourmokhtari. Hierzu stellte sie kürzlich die Ergebnisse einer Studie vor. Das Fazit der Untersuchung: Die Onshore- und Offshore-Windenergie muss Einnahmen für die Gemeinden generieren – nun gibt es drei konkrete Vorschläge, wie dies geschehen soll.
Auf Investoren kommen Mehrkosten zu
Gemeinden sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Zustimmung zum Bau eines Windparks an Auflagen bezüglich der Bezuschussung zu knüpfen. Diese Bedingungen sollen sowohl für Windparks an Land als auch auf See gelten. Die finanzielle Unterstützung erfolgt in Form eines Prozentsatzes der Einnahmen und soll die lokale Gemeinschaft rund um den Windpark unterstützen: das Vereinsleben, Unternehmen, Infrastruktur sowie die natürliche und kulturelle Umgebung.
Auch Einwohner, die in der Nähe der Windräder wohnen, und zwar innerhalb eines Abstands von zehnmal der Höhe der Windräder, sollen an den Einnahmen beteiligt werden. Die Zahlung soll jährlich – über die gesamte Lebensdauer der Anlage – geleistet werden und je nach Abstand zu den Anlagen gestaffelt werden. Je näher man an einer Anlage wohnt, desto höher soll die Einnahmebeteiligung ausfallen.
Außerdem soll es ein Verkaufsrecht für Grundstücksbesitzer geben. Wer ein Grundstück besitzt, das sich innerhalb eines Radius der sechsfachen Gesamthöhe von Onshore-Windkraftanlagen befindet, kann sein Grundstück innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme der Windräder zum ursprünglichen Marktpreis an den Windkraftbetreiber verkaufen.
Zusätzliche Hilfe vom Staat
Die Regierung denkt über zwei zusätzliche Vorhaben nach, die die Kommunen zum stärkeren Engagement beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen animieren sollen. Zum einen soll die Energieagentur einen Leitfaden zum Gesetz über kommunale Energieplanung entwickeln. Zum anderen sollen den Kommunen in den Jahren 2024 bis 2027 knapp 11 Millionen Euro zur Unterstützung der Planung einer erweiterten fossilfreien Stromerzeugung zur Verfügung gestellt werden. In vielen Kommunen sind die Energiepläne veraltet und berücksichtigen nicht die aktuellen Umweltvorgaben. Eine Aktualisierung könnte entsprechend einen höheren Bedarf an erneuerbaren Energieträgern offenlegen.
"Wir planen, dem Reichstag im 1. Quartal 2024 konkrete Vorschläge vorzulegen", betont Pourmokhtari. Gelten könnten diese bereits für alle Anlagen, deren Umweltgenehmigungen zum 31. Mai 2023 rechtskräftig sind.
Die Zeit eilt, wie das Klimaressort unterstreicht. Zwar dürfte der Windkraftausbau bis 2025 gut voranschreiten. Die Aussichten für die Zeit danach scheinen aber unsicherer. Hauptgrund ist das Veto-Recht der Kommunen. Ihre Zustimmung zum Projekt ist Voraussetzung, um die für den Bau notwendige Umweltuntersuchung einzuleiten. Die Kommunen können Vorhaben aber auch ablehnen oder gar eine bereits erteilte Zustimmung zurückziehen - eine Berufung dagegen ist nicht möglich. "Der Anteil der Kommunen, die ihr sogenanntes Windkraft-Veto nutzen, ist in den letzten Jahren gestiegen", so das Klimaressort. Im Jahr 2022 wurden knapp drei Viertel der Projektanträge abgelehnt.
Rekordausbau - an Land
Laut dem Branchenverband WindEurope nimmt Schweden mit 2.441 Megawatt neu installierter Onshore-Wind-Kapazität im Jahr 2022 vor Finnland und Deutschland die europäische Spitzenposition ein. Windkraft bleibt drittwichtigste Stromquelle des Landes– nach Wasser- und Kernkraft. Sie machte 2022 etwa ein Drittel der Stromproduktionskapazitäten aus und lieferte ein Fünftel der Stromproduktion.
Die derzeit verfügbare installierte Leistung von 14,5 Gigawatt bietet noch großes Ausbaupotenzial. Der Unternehmerverband Svenskt Näringsliv prognostiziert, dass Windkraft in den nächsten 20 bis 24 Jahren rasant wachsen wird. Svensk Vindenergi, der schwedische Branchenverband, spricht bei Windprojekten, die sich derzeit in der Planungs- und Genehmigungsphase befinden, von einem Potenzial von 120 Terawattstunden zur Stromerzeugung. Zusätzlich sehen die Experten im Repowering - also dem Austausch älterer Windkraftanlagen durch modernere - weitere 45 Terawattstunden Erzeugungspotenzial. "Insgesamt halten wir eine Windstromproduktion von 165 Terawattstunden bis zum Jahr 2035 für realistisch", unterstreichen sie. Dies entspreche einer Versechsfachung der Kapazität gegenüber 2021.
Mehr vom Meer
Um die schwedischen Klimaziele zu erreichen, muss auch die Offshore-Windkraft in den Fokus rücken. Bisher befindet sich in schwedischen Gewässern erst eine installierte Windkraftkapazität von etwa 200 Megawatt - verteilt auf vier Windparks. Der neueste ist bereits seit zehn Jahren in Betrieb. Ende März legte die Energiebehörde einen Vorschlag für neue Meeresgebiete zur Windkraftnutzung vor. Dadurch wären Kapazitäten von etwa 30 Gigawatt planbar, eine Vervielfachung gegenüber dem heutigen Stand. Laut Svensk Vindenergi reicht dies nicht aus, denn diese Freigabe entspräche gerade einmal 5 Prozent der schwedischen Meeresgebiete. Beim Nachbarn Dänemark ist der Anteil bereits heute dreimal so hoch und dieser Anteil soll langfristig noch verdoppelt werden.
Windkraftprojekte benötigen größere Flächen, aber auch ein effizienteres Genehmigungsverfahren. Die Agentur für Meeres- und Wasserwirtschaft wies bereits 2022 darauf hin, dass selbst die Vergabe von Exklusivrechten für den Bau von Offshore-Windparks aufgrund des fehlenden Regelwerks rechtlich unklar ist. Aus diesem Grund hat die Regierung erneut eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Ziel ist es, die Vorschriften für die Nutzung von Meeresgebieten bei der Errichtung von Windenergie zu verbessern und das Genehmigungsverfahren effizienter und moderner zu gestalten.
Projektname | Technologie | Leistung (in Gigawatt) | Projektstand | Projektträger |
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Offshore | 3,9 | Genehmigungsverfahren läuft; geplanter Baustart 2030/31 | ||
Onshore | 2,6 | Antrag auf Umweltgenehmigung soll im Laufe 2023 eingereicht werden; geplante Inbetriebnahme 2030 | ||
Offshore, schwimmend | 2,5 | Genehmigungsantrag im April 2023 gestellt | ||
Offshore | 1,9 | Umweltverträglichkeitsstudie soll bis 2024 erarbeitet werden | ||
Offshore | 1,5 | Genehmigung wird bald erwartet; geplanter Baustart 2026 | ||
Offshore | 1,2 | Genehmigung am 16. Mai 2023 erteilt | ||
Offshore | 0,8 | Genehmigungsantrag soll zum Winter 2023 eingereicht werden; geplanter Baustart 2028 | ||
Offshore | 0,6 | geplante Beschaffung von Material und Dienstleistungen 2023-2025; geplante Inbetriebnahme 2028 | ||
Offshore | 0,4 | Genehmigung am 16. Mai 2023 erteilt | ||
Onshore | 0,1 | geplanter Baustart Sommer 2023; geplante Inbetriebnahme 2025 |