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Markttrends
Kasachstan muss in erster Linie die Energiesicherheit gewährleisten. Neben neuen Kapazitäten steht auch ein Ausbau der Stromnetze an. Hier stehen große Projekte bevor.
10.04.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Eine steigende Energienachfrage und große heimische Kohlereserven haben die kasachische Regierung dazu veranlasst, bestehende Kohlemeiler zu modernisieren und bis 2035 neue Kohlekraftwerke mit 4,7 Gigawatt installierter Leistung in Auftrag zu geben. Denn Energiesicherheit ist ein heikles Thema in Kasachstan. Das Energieministerium schätzt, dass das Defizit bei den installierten Erzeugungskapazitäten 2030 6 Gigawatt übersteigen könnte, wenn nicht zeitnah gegengesteuert wird. Ein Kohleausstieg ist also noch nicht in Sicht.
Dennoch wird der Anteil des Kohlestroms langfristig zugunsten der Erneuerbaren sinken. Überfällige Modernisierungen und teure Neubauten werden die Produktionskosten in die Höhe treiben und Strom aus regenerativen Quellen attraktiver machen. Grüne Energie ist also nicht nur politisch gewollt. Aus Sicht der Denkfabrik Agora Energiewende ist sie auch ökonomisch sinnvoll. In einer aktuellen Studie haben deren Experten berechnet, dass die Gestehungskosten von Strom aus Wind und Solar in Kasachstan im Jahr 2030 nur etwa halb so hoch sein werden wie die von Strom aus neuen Kohlekraftwerken.
In Kasachstan herrschen ideale Bedingungen für Wind- und Solarparks
Das flächenmäßig neuntgrößte Land der Welt hat ein erhebliches Potenzial für erneuerbare Energien. Während die Bedingungen für Windkraftanlagen unter anderem an der Küste des Kaspischen Meeres sehr gut sind, sticht der Süden mit vielen Sonnenstunden hervor. Dennoch ist die Branche noch kaum entwickelt. Die installierte Gesamtleistung betrug 2024 etwa 3 Gigawatt. In diesem Jahr kamen laut kasachischem Energieministerium acht Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke mit einer Erzeugungskapazität von nur 164 Megawatt hinzu. Für 2025 wurden 9 Anlagen mit insgesamt 456 Megawatt angekündigt.
des Stroms stammten 2024 aus erneuerbaren Energien.
Da sich das Investitionsklima in den letzten Jahren verbessert hat, wurden auch Großinvestoren auf das Land aufmerksam. Mit Masdar, ACWA Power, Total Eren und China Power International Holding Limited hat die Regierung über bilaterale Abkommen namhafte Energieriesen an Bord geholt, die jeweils Windparks mit einer Kapazität von mindestens einem Gigawatt errichten wollen. Die Bauarbeiten sollen 2025 und 2026 beginnen. Damit rückt Kasachstan seinem Ziel von 15 Prozent Strom aus Erneuerbaren bis 2030 näher. Das Zwischenziel von 6 Prozent im Jahr 2025 gilt als erreicht.
Projektbezeichnung (Standort) | Leistung | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen |
---|---|---|---|---|
Hyrasia One: Produktion von jährlich 2 Mio. t grünen Wasserstoffs auf der Basis von Strom aus Wind- und Solarparks (Region Mangystau) | 20.000 (Elektrolyseurleistung); 40.000 (Wind- und Solarparks) | Svevind Energy | Investitionsvereinbarung abgeschlossen, erste Produktion ab 2030; volle Kapazität ab 2032 | 50 |
Windpark (Gebiet Karaganda) und Solarpark (Gebiet Turkestan) | 800 (500 Wind und 300 Solar) | China Energy Overseas Investment | Investitionsvereinbarung abgeschlossen | 2,0 |
Windpark (Gebiet Schambyl) | 1.000 | Total Eren | Investitionsvereinbarung geschlossen; Inbetriebnahme für 2027 geplant | 1,9 |
Windpark (im Gebiet der Dsungarischen Pforte; Gebiet Almaty) | 1.000 | ACWA Power | Investitionsvereinbarung abgeschlossen; Baubeginn 2025 | 1,8 |
Zwei Windparks (Gebiet Schambyl) | 1.000 (jeweils 500) | Masdar | Investitionsvereinbarung abgeschlossen; Inbetriebnahme für 2028 geplant | 1,7 |
Windparks (Gebiete Schambyl und Pawlodar) | 1.000 | China Power International Holding | Investitionsvereinbarung abgeschlossen | 0,9 |
Windpark (Gebiet Schetissu) | 1.000 | Unigreen | Investitionsvereinbarung abgeschlossen | k.A. |
Netzausbau ist Voraussetzung für mehr grünen Strom
Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren müssen auch die kasachischen Stromnetze modernisiert und erweitert werden. Sie gelten als veraltet, wenig flexibel und schlecht integriert. So ist die Westzone des Landes, wo regulierbare Gaskraftwerke stehen, nicht mit dem übrigen Kasachstan verbunden. In der nördlichen und südlichen Zone stammt der Strom überwiegend aus Kohlekraftwerken, die sich im Gegensatz zu Gaskraftwerken nicht einfach runterfahren lassen. Das führt dazu, dass Wind- und Solarparks in wetterbedingten Hochphasen nicht völlig ausgereizt werden können. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Im September 2024 hat der nationale Netzbetreiber Kazakhstan Electricity Grid Operating Company (KEGOC) die lang erwartete Anbindung der Westzone an die übrigen Landesteile über eine 604 Kilometer lange 500-Kilovolt-Leitung angekündigt. Das etwa 400 Millionen US-Dollar (US$) teure Projekt wird von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) durch einen Kredit unterstützt. Die Bauarbeiten sollen 2025 starten und Ende 2027 abgeschlossen werden. KEGOC plant zudem folgende Leitungen:
- 475 Kilometer lange 500-Kilovolt-Leitung auf der Achse Schu-Schambyl-Schymkent zur Verbesserung der Stromversorgung im Süden;
- 500-Kilovolt-Gleichstromleitung zur Erhöhung der Transitkapazität zwischen Nord- und Südzone;
- Gleichstromleitung zwischen der West- und Südzone.
Stromspeicher werden zunehmend ein Thema
Um die Netzstabilität zu gewährleisten, importiert Kasachstan bei Nachfragespitzen teuren Strom aus Russland. Mit industriellen Batteriespeichern sollen in Zukunft Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energiequellen gespeichert und bei Bedarf ins Netz eingespeist werden. KEGOC schlägt daher vor, Erneuerbare-Energie-Anlagen verpflichtend mit Speichersystemen auszustatten. Betreiber von Wind- und Solarparks halten dagegen, da die Batterien teuer sind und ihre Projekte unrentabel machen würden. Auch Diskussionen im Parlament hierzu führten noch zu keiner Einigung.
Ein Pilotprojekt unter Beteiligung eines chinesischen Unternehmens soll nun die Marktreife der Technologie in Kasachstan testen. Ein Blick auf die von der Regierung mit Großinvestoren verhandelten 1-Gigawatt-Windfarmen zeigt jedoch, wohin die Reise gehen könnte: Alle Projekte schließen ein Batteriespeichersystem mit ein. Da KEGOC bereits jetzt vor Ungleichgewichten im Stromnetz warnt, könnten in Zukunft auch kleinere Wind- und Solaranlagen betroffen sein.
Kasachstan nimmt Kurs auf erstes Kernkraftwerk
Umstritten ist auch der Bau des ersten kasachischen Atomkraftwerks, der mit einem Referendum im Oktober 2024 besiegelt wurde. Etwa 2035 könnte die Anlage mit einer geplanten installierten Leistung von 2,4 Gigawatt ans Netz gehen. Aussagen hochrangiger Politiker deuten zudem darauf hin, dass in Zukunft noch zwei weitere Meiler gebaut werden könnten. Das Energieministerium arbeitet derzeit eine Strategie für die Nuklearindustrie bis 2050 aus.
Wer das erste Kernkraftwerk in der Region Almaty bauen wird, steht noch nicht fest. Mit einer Entscheidung ist im 1. Halbjahr 2025 zu rechnen. Im Gespräch sind Unternehmen aus China, Frankreich, Südkorea und Russland.
Ambitioniertes Wasserstoffprojekt mit deutscher Beteiligung
Anders sieht es beim größten Wasserstoffvorhaben im Land aus, für das sich das deutsch-schwedische Unternehmen Svevind verantwortlich zeichnet. Am Kaspischen Meer soll ab 2030 erster "grüner" Wasserstoff mit Strom aus großen kombinierten Wind- und Solarparks hergestellt werden – für die kasachische Industrie und den Export nach Europa. Weitere Projekte sind laut der kasachischen Wasserstoffstrategie geplant.