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Tschechien zapft verstärkt Wind und Sonne an
Tschechien steht vor einem neuen Boom bei Windkraft und Fotovoltaik. Ein geplantes Gesetz soll den Bau beschleunigen. Investoren stehen bereit.
15.04.2025
Von Gerit Schulze | Prag
Nach jahrelanger Flaute könnte die grüne Stromerzeugung in Tschechien eine Renaissance erleben. Die Regierung einigte sich Mitte März 2025 auf einen Gesetzesentwurf zur schnelleren Genehmigung von Solar- und Windkraftanlagen. Das Umweltministerium erstellt eine Karte mit potenziellen Flächen, auf deren Grundlage Gebietskörperschaften und Gemeinden sogenannte Beschleunigungszonen festlegen.
Diese Standorte sollen viel Potenzial zur Stromerzeugung haben, bei gleichzeitig geringen Auswirkungen auf die Umwelt. In den Beschleunigungszonen kann auf die Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden, wenn die Projekte der Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energiequellen entsprechen.
In den Zonen können nicht nur neue Stromerzeugungsanlagen, sondern auch Infrastruktur wie Netzanschlüsse, Energiespeichersysteme, Verkehrswege oder Lärmschutzwände genehmigt werden.
Bis zu 800 neue Windräder geplant
Nach Schätzungen des Umweltministeriums könnten in den Beschleunigungszonen 600 bis 800 Windräder entstehen. Der Gesetzesentwurf enthält noch weitere Punkte, die den Ausbau von erneuerbaren Energien vorantreiben würden. Zum Beispiel müssen Behörden kleinere Kraftwerksprojekte bis 100 Kilowatt Leistung künftig innerhalb von 30 Tagen genehmigen. Nach Fristablauf gelten sie automatisch als autorisiert.
Außerdem sollen die betroffenen Kommunen stärker profitieren, indem Windradbetreiber eine Gebühr von 50 Kronen je erzeugter Megawattstunde zahlen. Das entspräche bei einem 5-Megawatt-Windrad zwischen 12.000 und 24.000 Euro im Jahr für die Gemeindekasse. Damit will die Regierung Investoren motivieren, Anlagen an Orten mit viel Wind zu bauen und zugleich die Zustimmung der lokalen Behörden zu sichern.
Mit einer Verabschiedung des Beschleunigungsgesetzes ist nicht vor dem Sommer 2025 zu rechnen, da die Lesungen dazu im Parlament gerade erst begonnen haben. Schon vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes füllt sich die Projektpipeline für Windparks in Tschechien.
Zwei Vorhaben mit insgesamt 27 Turbinen je 6,2 Megawatt Leistung kündigte Redwood Capital bei Bruntál an. In Hořany bei Nymburk plant Projektentwickler TCN Energie das mit 231 Metern höchste Windrad Tschechiens. Die Gemeinde soll mit 10 Prozent an der Betriebsgesellschaft beteiligt werden und jährlich 140.000 Euro verdienen.
Standorte für Windräder möchte außerdem die staatliche Forstgesellschaft Lesy ČR ausweisen. Sie kooperiert dabei mit dem Energieversorger ČEZ. Erste Projekte wurden in Havlíčkův Brod und im ehemaligen Militärgelände Ralsko angekündigt.
Der bislang vor allem auf Kohle- und Kernkraftwerke konzentrierte Konzern ČEZ könnte auch bei erneuerbaren Energiequellen die Führungsrolle im Land übernehmen. Bis 2030 will das Unternehmen jährlich neue Kapazitäten von 1.000 Megawatt errichten. Das Unternehmen bereitet aktuell mehrere große Solarparks vor (siehe Projekttabelle).
Solarparks über alten Kohlegruben
Der ehemalige Kohleförderer OKD will bis 2026 Fotovoltaik mit einer Leistung von 22 Megawatt über seinen alten Gruben aufbauen. Der Strom soll teilweise zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt werden.
Die staatliche Öltransportfirma Čepro hat bereits sieben Solarparks in Betrieb und will weitere sechs errichten, vor allem über ihren Rohöldepots. Insgesamt plant das Unternehmen Fotovoltaikkapazitäten von 30 Megawatt. Auch Batteriespeicher zur Netzstabilisierung sollen installiert werden.
Projektentwickler CTP plant bis 2030 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 250 bis 300 Megawatt auf Dächern von Industrie- und Lagerhallen. Bereits 2024 gingen zwei Systeme mit 4 und 4,1 Megawatt in Bor bei Plzeň ans Netz.
Die tschechische Landwirtschaft freut sich über die Verordnung über agrovoltaische Stromerzeugungsanlagen, die zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist. Sie erlaubt die Nutzung von Fotovoltaikanlagen auf Agrarflächen für sechs Kulturarten, darunter Wein und Hopfen. Die horizontalen Systeme müssen mindestens 2,10 Meter hoch sein, um darunter landwirtschaftliche Aktivitäten zu ermöglichen. Komponenten wie Batterien und Transformatoren dürfen nicht mehr als 5 Prozent der gesamten Projektfläche einnehmen.
Zinslose Kredite
Für Unternehmen, die kleinere Solaranlagen errichten, stellt die Nationale Entwicklungsbank NRB zinslose Kredite bereit. Dafür stehen insgesamt rund 80 Millionen Euro zur Verfügung. Förderfähig sind Anlagen auf Firmengebäuden bis zu 50 Kilowatt-Peak Leistung. Die Darlehen haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Bis Ende 2024 waren rund 600 Anträge bei der Bank eingegangen.
Tschechien verabschiedete im Dezember 2024 seinen Nationalen Energie- und Klimaplan. Demnach sollen bis 2030 im Land 10,1 Gigawatt Fotovoltaikkapazität und 1,5 Gigawatt aus Windkraft installiert sein.
Ende 2024 war das Land davon noch weit entfernt. Die Gesamtleistung aus Fotovoltaik betrug knapp 4 Gigawatt, die Windradleistung 0,35 Gigawatt. Laut Kammer für erneuerbare Energien nutzt Tschechien bislang nur 5 Prozent seines Potenzials bei Windkraft und 6 Prozent bei Fotovoltaik.
Kraftanlagen | 2023 | 2024 | Veränderung 2024 / 2023 |
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Solarkraftanlagen | |||
Anzahl | 167.630 | 212.408 | 26,7 |
Installierte Leistung (in MW) 1) | 3.272 | 3.953 | 20,8 |
Bruttostromproduktion (in GWh) 2) | 2.892 | 3.563 | 23,2 |
Windkraftanlagen |
|
|
|
Anzahl | 214 | 221 | 3,3 |
Installierte Leistung (in MW) 1) | 342 | 352 | 2,7 |
Bruttostromproduktion (in GWh) 2) | 702 | 703 | 0,1 |
Investoren von Altanlagen bangen um Renditen
Für Aufsehen in der Branche sorgt eine Novelle des Energiegesetzes zu erneuerbaren Energiequellen. Die sogenannte Lex OZE III wurde am 4. März 2025 vom Abgeordnetenhaus gebilligt. Sie könnte Investoren, die in den Boomjahren 2009 und 2010 Solarstromanlagen in Tschechien in Betrieb genommen haben, sinkende Renditen bescheren. Denn die Betreiber solcher Anlagen müssen künftig die Angemessenheit der staatlichen Förderung selbst bewerten und dabei die Rentabilität offenlegen. Wird die Meldung nicht ordnungsgemäß und fristgerecht eingereicht, erlischt der Anspruch auf Vergütungen.
Von der Regelung betroffen wären laut tschechischen Medienberichten rund 15.000 Betreiber von Solaranlagen. Ihre Gewinne könnten um bis 30 Prozent schrumpfen. Investoren und der Branchenverband Solární asociace bezeichneten die Pläne als präzedenzlosen Eingriff in gesetzlich garantierte Förderungen und warnten vor einer Bankrottwelle bei Betreibern.
Neue Möglichkeiten für Energiespeicher
Die Novelle dürfte jedoch für einen Durchbruch bei Batteriespeichern sorgen. Diese gelten in Tschechien ab 1. Juli 2025 als vollwertige Energiequelle und können damit einfacher ans Stromnetz angeschlossen werden. Sogenannte Aggregatoren - also spezialisierte Dienstleister - dürfen dann mehrere Anlagen zu einer virtuellen Einheit zusammenfassen und deren Betrieb steuern. Damit kann überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen effizienter gespeichert und das Stromnetz stabilisiert werden.
Projekt / Investor | Investitionssumme in Mio. Euro*) | Projektstand | Anmerkungen |
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Solarkraftwerk mit Batteriespeicher bei Litvínov / Orlen Unipetrol | 120 | Förderung aus dem Modernisierungsfonds; Baubeginn für 2026 und Betrieb ab 2028 geplant | Strom wird zur Produktion von grünem Wasserstoffs genutzt; 60 MW Leistung |
Solarpark Severní Lom I in Tušimice und Prunéřov / ČEZ | 60 | Baubeginn für 2025 und Betrieb ab 2026 geplant | 102 MW Leistung |
Solarpark DNT 06 in Tušimice und Prunéřov / ČEZ | 32 | Baubeginn für 2026 und Betrieb ab 2027 geplant | 53 MW Leistung |
Windkraftanlage in Jívová bei Olomouc / Synergion Jívová | 7 | Förderung aus EU-Fonds; Fertigstellung für 2026 geplant | Leistung 11 MW |
Windrad in Hať bei Opava / MTG Wind | 2,7 | Förderung aus EU-Fonds; Fertigstellung für 2026 geplant | Leistung 4 MW |
Solaranlage mit Batteriespeicher in Jakartovice bei Opava / P&BQI Energy | k.A. | Baubeginn für 2027 und Fertigstellung für 2029 geplant | Leistung 240 MW |
Solarpark Tušimice II / ČEZ | k.A. | Umweltverträglichkeitsprüfung wird nicht benötigt; Baubeginn für 2025/2026 geplant | Leistung 127 MW |
Solarpark Vysočany Plató in Hrušovany und Velemyšleves / ČEZ | k.A. | Umweltverträglichkeitsprüfung wird nicht benötigt; Baubeginn für 2025/2026 geplant | Leistung 116 MW |
Solarpark mit Batteriespeicher am Flughafen Hradčany in Ralsko / Energie Ralsko (Projekt der Kreisverwaltung Liberec) | k.A. | Vertrag mit ČEZ Distribuce in 2024 abgeschlossen; Öffentlichkeit nicht mit dem Projekt einverstanden | Leistung 62,5 bis 100 MW |
Solarpark in Slaný / Puretech Energy (Verbindung mit Decci) | k.A. | Baugenehmigung erhalten; Gemeinde noch nicht mit dem Projekt einverstanden; Fertigstellung für Herbst 2025 geplant | Leistung 44 MW |