Wirtschaftsausblick | Schweden
Investitionen sollen Schwedens Wirtschaft antreiben
Eine expansivere Finanzpolitik als in den vergangenen Jahren soll Nordeuropas größte Volkswirtschaft wieder ankurbeln. Die Wachstumsprognosen für 2025 liegen über dem EU-Schnitt.
05.12.2024
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Top-Thema: Die grüne Transformation gerät ins Stocken
Klimaneutralität ist traditionell ein Schwerpunkt in der schwedischen Politik. Doch die Auswirkungen der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten machen auch hier nicht halt. Aufgrund sicherheitspolitischer Bedenken im Zusammenhang mit den Krisen hat die schwedische Regierung jüngst den Beschluss gefasst, alle 13 ausgewiesenen Windparks an Schwedens Ostküste zu stoppen. Lediglich das Windparkprojekt vor Göteborg wird weiterverfolgt. Im Jahr 2023 betrug der Anteil von Windkraft bereits 21 Prozent an der schwedischen Stromerzeugung und soll weiter ausgebaut werden.
Woher die so dringend benötigte Energie für das bereits stark elektrifizierte Land Nordeuropas stattdessen kommen soll, ist derzeit noch unklar. Mehreren Prognosen zufolge soll die Windkraft an Land verstärkt ausgebaut werden. Darüber hinaus ist Schweden auch Befürworter der Kernenergie. Aktuell trägt diese mit knapp 30 Prozent zum nationalen Strommix bei. Das neue Finanzierungsmodell der Regierung, das vorsieht, zukünftigen Betreibern zinsgünstige staatliche Kredite in Höhe von 26 bis 52 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, untermauert diese positive Einstellung.
Nach vielen Wochen finanzieller Unsicherheit hat außerdem der schwedische Batteriehersteller Northvolt Insolvenz in den USA angemeldet. Auch der Gründer und Geschäftsführer Peter Carlsson ist zurückgetreten. Northvolt galt als einer der Hoffnungsträger der europäischen grünen Wende. Das Unternehmen plante durch die großskalierte Produktion von Elektroautobatterien Europa von chinesischen Batteriezellherstellern unabhängig zu machen.
Wirtschaftsentwicklung: Die Zeichen stehen auf Wachstum
Obwohl die Umsetzung klimaneutraler Maßnahmen ins Stocken geraten ist, bleibt die Regierung für 2025 positiv gestimmt. Im neuen Haushalt für das kommende Jahr erwartet die Regierung ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent. Die EU-Kommission ist mit ihrer Schätzung von 1,8 Prozent etwas zurückhaltender, rechnet aber dennoch mit einem überdurchschnittlichen Wachstum für Schweden. Laut Herbstprognose der EU-Kommission soll die Wirtschaft der EU 2025 um 1,5 Prozent zunehmen.
Vor allem eine großzügigere Finanzpolitik, insbesondere umfangreiche Investitionshilfen, sollen die schwedische Konjunktur im kommenden Jahr stützen. Dazu hat die Regierung ein eigenes Investitionsförderprogramm aufgelegt. Unter dem Namen "kraftlyftet" stellt sie rund 90 Millionen Euro bereit, insbesondere für die Förderung von Stromerzeugung, Energiespeicherung und Energieeffizienz. Außerdem soll eine schrittweise Senkung des Leitzinses auf 1,75 Prozent bis Mitte 2025 das Wachstum ankurbeln. Laut dem nationalen Konjunkturinstitut dürfte dies vor allem Investitionen anregen und die Binnennachfrage stärken.
Die strenge finanzpolitische Haushaltsführung, die in den vergangenen Jahren immer einen Haushaltsüberschuss verfolgt hat, soll ab 2027 gelockert werden. Diese Entscheidung wurde im Oktober 2024 beschlossen, da Schweden mit massiven Investitionsrückständen in der öffentlichen Infrastruktur kämpft.
Belebung des Privatkonsums erwartet
Obwohl die Verschuldungsquote schwedischer Haushalte seit 2021 kontinuierlich sinkt, lag sie 2023 immer noch bei 182,5 Prozent – ein Spitzenwert im europäischen Vergleich. Doch bald könnten die rund 5 Millionen Haushalte finanziell entlastet werden. Grund dafür sind sinkende Zinsen, die sich vor allem positiv auf die vorwiegend flexibel finanzierten Eigenheime auswirken, und eine vorgesehene Senkung der Einkommenssteuer. Auch eine deutlich niedrigere Inflationsrate in Höhe von knapp 2 Prozent nimmt Druck. Ab dem kommenden Jahr erwarten sowohl das nationale Statistikamt SSB als auch die EU-Kommission einen deutlichen Anstieg des Privatkonsums.
Staatliche Maßnahmen als Antwort auf den Fachkräftemangel
Schweden hat ähnlich wie Deutschland ein massives Problem, genügend Fachkräfte zu finden. Allein im Baugewerbe sollen im Jahr 2035 etwa 12.000 Ingenieure fehlen. Geplante Steuererleichterungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels könnten auch für deutsche Unternehmen von Interesse sein, die in Schweden tätig sind. Darüber hinaus plant die Regierung, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die die Unternehmensführung in Schweden erleichtern. Hierzu zählt beispielsweise eine gesenkte Expertensteuer, die dazu führen soll, dass Unternehmen internationale Wissensträger zu attraktiveren Konditionen ins Land holen und auch dort halten können. Langfristig soll so Schwedens Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden.
Deutsche Perspektive: Lösungen für die Verkehrsinfrastruktur sind gefragt
Zwar sind im laufenden Jahr sowohl die Exporte nach als auch die Importe aus Deutschland um wenige Prozentpunkte gesunken - nichtsdestotrotz bleibt die Bundesrepublik Schwedens Handelspartner Nummer Eins. In den ersten drei Quartalen 2024 stammten rund 16 Prozent aller Importe aus Deutschland. Etwa 10 Prozent aller schwedischen Exporte gingen im gleichen Zeitraum in die Bundesrepublik. Zu den wichtigsten Handelsgütern zwischen beiden Ländern zählten im Jahr 2023 (elektrische) Maschinen, Straßenfahrzeuge sowie medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse.
Auch wenn die Streichung der Offshore-Windparkprojekte die Geschäftsaussichten leicht trübt, gibt es neue Chancen beim Ausbau von Windenergie an Land. Eine neue Subvention für Onshore-Windenergie soll Kommunen motivieren, Windkraftanlagen zu errichten. Gleichzeitig stehen für Anwohner finanzielle Entschädigungen zur Verfügung.
Zudem dürften die zusätzlichen geplanten öffentlichen Investitionen im Infrastrukturbereich für deutsche Unternehmen interessant sein. Der neue nationale Plan für Verkehrsinfrastruktur soll von 2026 bis 2037 gelten und sieht Investitionen von umgerechnet rund 100 Milliarden Euro vor. Neben der Instandhaltung bestehender Systeme soll etwa die Hälfte der Summe in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur fließen.