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Schweiz: Vertragsrecht
Das schweizerische Vertragsrecht ist vor allem im Obligationenrecht geregelt. (Stand 24.02.2025)
Von Karl Martin Fischer, Julia Nadine Warnke, Dr. Achim Kampf | Bonn
Das Obligationenrecht ("OR") ist das fünfte Buch des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) und bildet die zentrale Grundlage für sämtliche privatrechtlichen Verträge. In der Schweiz gibt es Vertragsfreiheit (Art. 19 OR), das bedeutet, dass die Parteien - natürlich innerhalb der Schranken des Gesetzes - Beliebiges vereinbaren dürfen.
In den Artikeln 1 bis 40 OR sind grundlegende Fragen geregelt, zum Beispiel das Zustandekommen eines Vertrages durch übereinstimmende gegenseitige Willensäußerungen (Art. 1 Abs. 1), die allerdings auch stilschweigend erfolgen können (Art. 1 Abs. 2). Verträge sind grundsätzlich formfrei möglich, es sei denn, eine spezielle Regelung bestimmt eine konkrete Form (Art. 11).
Bei der Auslegung eines Vertrages kommt es auf den tatsächlichen Parteiwillen an (Art. 18). In den folgenden Artikeln finden sich noch Regelungen für Nichtigkeit (bei Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit oder Sittenwidrigkeit, Art. 20), Irrtum, Täuschung und Drohung (Art. 23 ff.) und die Stellvertretung (Art. 32 ff.).
In den Artikeln 41 ff. OR findet sich die Regelung der unerlaubten Handlung, also der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verursachung eines Schadens.
Besondere Vertragsarten sind in den Artikeln 184 ff. OR geregelt.
Kaufvertrag
Der Kaufvertrag über bewegliche Sachen wird als "Fahrniskauf" bezeichnet (Art. 187 ff.). Hinweis: Da allerdings sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz das UN-Kaufrecht (CISG/Convention on Contracts for the International Sale of Goods) anwendbar ist, gilt dieses, sofern die Vertragsparteien es nicht ausdrücklich ("unter Ausschluss des UN-Kaufrechts") ausschließen. Das schweizerische Gewährleistungsrecht findet sich in den Artikeln 197 ff. OR. Hiernach haftet der Verkäufer dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache keine körperlichen oder rechtlichen Mängel hat, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. Dies gilt auch dann, wenn die Verkäuferseite den Mangel nicht kannte (Art. 197 Abs. 2). Wichtigste Ansprüche der kaufenden Partei sind in solchen Fällen die Wandelung, die Minderung oder - beim Gattungskauf - auch der Anspruch auf Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (Art. 205 f. OR). Wenn der kaufenden Partei ein Schaden entstanden ist und auf der Käuferseite Verschulden vorliegt, kann auch ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen (Art. 208 Abs. 3 OR).
Mietvertrag
Mietverträge sind in den Artikel 252 ff. OR geregelt. Auch im schweizerischen Recht gilt der Grundsatz, dass der Wechsel des Eigentums das Mietverhältnis nicht berührt (Art. 261 OR). Im Falle der Beendigung eines Mietverhältnisses über Wohn- und Geschäftsräume genießen Mieter Kündigungsschutz nach Maßgabe der Artikel 271 f. OR.
Werkvertrag
Der Werkvertrag findet seine schweizerische Regelung in den Artikeln 363 ff. OR. Charakteristisch für den Werkvertrag in der Schweiz ist die - in der Regel - persönliche Pflicht des Werkunternehmers, das Werk selbst oder unter seiner Anleitung herzustellen und dabei seine eigenen Werkzeuge zu benutzen. Abweichungen sind allerdings möglich. Das Rohmaterial, aus dem das Werk hergestellt wird, wird entweder vom Unternehmer oder vom Besteller geliefert (Art. 365 OR). Nach der Ablieferung des Werks muss es der Besteller auf seine Beschaffenheit prüfen und den Unternehmer auf eventuelle Mängel hinweisen. Sind die Mängel erheblich (Unzumutbarkeit oder Unbrauchbarkeit), kann der Besteller die Annahme verweigern und bei Verschulden des Unternehmers außerdem Schadensersatz verlangen. Bei weniger gravierenden Mängeln hat der Besteller das Recht, den Werklohn angemessen zu mindern oder Nachbesserung zu verlangen, sofern diese dem Unternehmer keine übermäßigen Kosten verursacht. Auch hier gibt es bei Verschulden einen Schadensersatzanspruch (Art. 368 OR). Die Genehmigung (Abnahme) des Werks ist in Artikel 370 geregelt. Sie gilt als stillschweigend erfolgt, wenn der Besteller die gesetzlich vorgesehene Prüfung und Anzeige unterlässt. Die Abnahme löst den Beginn der Verjährung (zwei Jahre bei beweglichen, fünf Jahre bei unbeweglichen Sachen) aus, Art. 371 OR.
Auftrag
Eine ausdrücklich als Dienstvertrag bezeichnete Regelung sucht man im Obligationenrecht vergeblich. Dem Dienstvertrag am nächsten kommt der Auftrag, Art. 394 ff. OR, nach dessen Regelung sich die beauftragte Person dazu verpflichtet, "die ihr übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäß zu besorgen". Die Vergütung des Auftrages richtet sich entweder nach der Vereinbarung oder, in deren Ermangelung, nach der Üblichkeit. Beauftragte schulden eine sorgfältige Ausführung der Dienstleistung, und dies im Zweifel persönlich (Art. 398 OR). Sie sind dabei an Weisungen des Auftraggebers gebunden, Art. 397 OR. Eine Kündigung ist gemäß Artikel 404 OR jederzeit möglich, wobei der Rechtsgedanke der "Kündigung zur Unzeit" auch im schweizerischen Recht bekannt ist und zur Schadensersatzpflicht der unzeitig kündigenden Partei führen kann (Art. 404 Abs. 2 OR).