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Markets International 6/24 I Senegal I Investitionsklima

Neuer Wind in Senegal

2024 war für das westafrikanische Land ein politisch turbulentes Jahr. Markets International zeichnet den Politkrimi nach und schaut, wie es um die wirtschaftlichen Aussichten steht.

Von Fausi Najjar | Berlin

Eigentlich fing die politische Eskalation in Senegal schon 2019 an. Das Land spiegelte zunächst ein häufig in Westafrika zu beobachtendes Muster wider: Die Amtszeit eines alternden Präsidenten und ehemaligen Hoffnungsträgers – in diesem Fall Macky Sall – neigte sich verfassungsgemäß dem Ende entgegen. Doch der Staatschef wollte partout noch länger im Amt bleiben oder zumindest seine Nachfolge bestimmen. 

In der Folge wurde die Opposition zunehmend unterdrückt. Die Preise stiegen, die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit ebenfalls und damit auch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, Sie brachte ihren Unmut immer öfter auf die Straßen, sehr zum Missfallen des Präsidenten und seiner Regierung. So nahm denn auch die Zahl der gewaltsam unterdrückten Proteste zu, ebenso die der Repressionen. Das Land schien direkt auf einen Putsch oder einen Bürgerkrieg zuzusteuern – so zumindest ein Szenario, das viele Beobachter befürchteten.

Im letzten Moment Einsicht gezeigt

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Doch in Senegal lief es anders. Nach einer langen Phase der Eskalation kam der Wendepunkt: Im Rahmen einer Amnestie ließ Sall am 14. März 2024 die Oppositionspolitiker Ousmane Sonko und Bassirou Diomaye Faye aus der Untersuchungshaft frei – zehn Tage vor der Wahl. Sall, seit 2012 an der Macht, konnte seine Machtansprüche gegenüber dem Obersten Gerichtshof nicht durchsetzen und dem gesellschaftlichen Druck nicht mehr standhalten. Ein Ereignis, das die Menschen gebührend in den Straßen feierten. Ende März 2024 wählten sie Faye mit überwältigender Mehrheit und schon im April 2024 wurde der 44-Jährige als jüngster amtierender Staatschef Afrikas vereidigt. 

Lob für den friedlichen Übergang

„Der Ausgang der Wahl zeigt, dass Senegal von einer langen demokratischen Tradition geprägt ist. Das ist in Westafrika nicht selbstverständlich“, sagt der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. Insgesamt sei der politische Wechsel eine Eigenleistung der senegalesischen Institutionen gewesen, lobt auch die Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Caroline Hauptmann. Eine wichtige Rolle beim friedlichen Machtwechsel haben die traditionellen religiösen Führer gespielt. 

Der Präsident der europäischen Außenhandelskammer Eurocham in der Hauptstadt Dakar äußert sich ebenfalls positiv: François Cherpion begrüßt die geplanten Justizreformen und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Doch er bleibt skeptisch, ob die deutschen Unternehmen von einem möglichen Aufschwung profitieren würden. Seine Einschätzung: Um die Chancen in Senegal zu nutzen, müssten sich deutsche Unternehmen intensiver mit dem Markt beschäftigen und stärker mit seinen Akteuren auseinandersetzen. 

FÜNF POTENZIALBRANCHEN IN SENEGAL

Erneuerbare Energien: 2023 haben Deutschland und Senegal eine Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnership) gestartet. Außerdem rückt die heimische Nutzung von Erdgas zur Stromerzeugung zunehmend in den Fokus.

Infrastruktur: Es gibt zahlreiche Projekte im Straßenbau, Hafenbau, Wasseraufbereitung und Stromerzeugung. Im Hochbau wird es eine Verschiebung von Prestigeobjekten zu gefördertem Wohnungsbau geben. Derzeit leidet die Branche unter Zahlungsausfällen, doch die mittelfristigen Aussichten bleiben gut.

Nahrungsmittelverarbeitung: Die Branche spielt eine zentrale Rolle im industriellen Gefüge. Zu den wichtigsten Bereichen mit Lieferpotenzial zählen Maschinen für die Backindustrie, Verpackungs- und Abfülllösungen sowie Konservierungstechnologien.

Tourismus: Senegal verfügt über ein reichhaltiges Angebot für kulturellen Tourismus, Ökotourismus und Safaris. Rund 500 Kilometer Atlantikküste bergen enormes Potenzial. Es gibt große Nachholbedarfe bei der Ausbildung von Fachkräften, der Ausweitung von Serviceangeboten und bei der Lösung des Abfallproblems.

Gesundheitswirtschaft: Deutschland unterstützt den Aufbau einer Impfstoffproduktion in Senegal. Der Markt für Medizintechnik, Laborausrüstung und pharmazeutische Wirkstoffe ist klein, wächst jedoch.

Schwäbisches Unternehmen in Senegal

Hier ein Unternehmen, das mit gutem Beispiel vorangeht: Klingele, ein Hersteller von Wellpappe und Wellpappenrohpapier aus Remshalden in Baden Württemberg, eröffnete 2018 ein Werk Nahe Dakar. „Senegal hat ein enormes Potenzial in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei“, sagt Regionalmanager Guillermo Boué und ergänzt: „Wir sind überzeugt, dass wir die senegalesische Industrie bei ihrem Wachstum auf den lokalen Märkten und im Export unterstützen können.“ Vor allem zwei positive Erfahrungen hebt Boué hervor: „Wir konnten leicht Fachkräfte finden und diese auch gut weiterbilden.“ Außerdem liege das Land als Tor zum westafrikanischen Markt am nächsten zu Europa und sei logistisch gut mit Schiffsverbindungen angebunden. 

Insgesamt fällt die Haltung der Geschäftswelt abwartend positiv aus. Den erfolgreichen, friedlichen Ausgang der politischen Krise haben die Unternehmen zwar mit Erleichterung aufgenommen. Unterm Strich gilt jedoch: „Die Akteure des Privatsektors sind nicht unbedingt besorgt, aber sie warten ab, welche Richtung das Land in den kommenden Monaten einschlagen wird“, sagte Allan Boutbien von der Beratungsagentur Archipel & Co. kurz nach dem Regierungswechsel. Alle Augen sind nun auf das neue Parlament gerichtet, das im November 2024 gewählt wurde. Die neuen Volksvertreter sollen Fayes Reformkurs den nötigen Schwung verleihen. 

Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik

Unter dem Schlagwort „rupture“ kündigte der neue Präsident Bassirou Diomaye Faye einen radikalen politischen Wandel an. Nach der Wahl fällt der Ton moderater aus. Mit dem übergeordneten Ziel, die Armut zu reduzieren und mehr Beschäftigung zu generieren, zeichnet sich dennoch eine weitgehende Neuausrichtung ab. Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick:

Reformbereiche     

angestrebtes Ziel 

Governance      Bekämpfung der Korruption, Justizreformen, Stärkung des Parlaments
AußenpolitikDiversifizierung internationaler Partnerschaften; panafrikanische Zusammenarbeit; Neubewertung der Rolle Frankreichs
Finanzen Stärkung des Westafrikanischen Franc, langfristig: Entkoppelung vom Euro
Wirtschaft Senkung der Lebenshaltungskosten 
Bildung            Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse des Markts 
Industrie           Förderung der heimischen Wertschöpfung 
LandwirtschaftReduzierung der Nahrungsmittelimporte, Förderung der ländlichen Beschäftigung 
BergbauOffenlegung der Eigentumsverhältnisse, Schutz der lokalen Bevölkerung 
Öl- und Gasförderung Neuverhandlung bestehender Verträge
Fischerei    Ende des Verdrängungswettbewerbs kleiner Fischerboote

 

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