Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Interview | Slowakei | Metallverarbeitung

"Bei Problemen wird immer noch viel improvisiert"

Mit privaten Ersparnissen und einer Garage startete das Unternehmen Vatmann in der Slowakei. Im Interview erzählt der deutsche Gründer von den Besonderheiten des Standorts.

Von Gerit Schulze | Bratislava

Alois Hogh, Geschäftsführer Vatmann Alois Hogh, Geschäftsführer Vatmann | © Vatmann_Hogh

In der Slowakei haben sich nicht nur große deutsche Konzerne wie Volkswagen oder Eon angesiedelt. Auch mittelständische Betriebe nutzen die Standortvorteile des Landes. Dazu gehört die Metallverarbeitungsfirma Vatmann in Liptovský Hrádok, die vor zehn Jahren gegründet wurde und Schweißbaugruppen in Edelstahl fertigt. Inzwischen erzielt das Unternehmen rund 3 Millionen Euro Jahresumsatz und beschäftigt 60 Mitarbeitende. Unternehmensgründer und Geschäftsführer Alois Hogh berichtet im Interview mit Germany Trade & Invest, warum ihn das Land fasziniert, wie er sein Unternehmen aufgebaut hat und welche Zukunftspläne er hat.

Herr Hogh, was hat Sie dazu bewogen, eine Firma in der Slowakei zu gründen?

Ich hatte als Ingenieur jahrelang Großprojekte rund um Stuttgart betreut. Vor 13 Jahren suchte ein Edelstahlverarbeiter aus Göppingen einen Manager, der für ein Jahr das Geschäft in der Slowakei leitet. Das empfand ich als gute Chance, noch einmal etwas Neues zu beginnen. Die deutsche Firma produzierte in Liptovský Hrádok Räucheranlagen. Das war für die Slowakei ein schwieriges Produkt, also stellte ich auf Produkte für den Ladenbau um. Leider beschloss die deutsche Muttergesellschaft trotzdem, die slowakische Tochter abzuwickeln. Die Ausrüstung ging nach Deutschland, und 40 Beschäftigte bekamen die Kündigung.

Aber damit wollten Sie sich nicht zufriedengeben?

Nein, denn die Firma schrieb schwarze Zahlen. Ich hatte gute Kontakte zu Kunden aufgebaut und wollte unbedingt in der Slowakei bleiben, weil ich sah, welches Potenzial es hier gibt. Ich kaufte eine Firma aus Prešov, die Výroba automatizačnej techniky (VAT), die der slowakische Eigentümer liquidieren wollte. Daraus wurde 2013 Vatmann, und so konnte es mit drei Leuten auf 100 Quadratmetern in einer Garage losgehen.

Wie verlief der Start?

Sehr holprig. Denn um Produktionsanlagen zu kaufen, brauchte ich einen Kredit. Die slowakischen Banken verlangten Sicherheiten, die ich nur in Deutschland hatte. Die deutschen Banken verwiesen mich an slowakische Kreditinstitute, weil dort schließlich mein Firmensitz sei. Im Endeffekt habe ich keinen Cent bekommen. Also musste ich mit eigenen Ersparnissen anfangen. Zum Glück kannte ich noch einige Kunden für Edelstahlprodukte von der vorherigen Firma. Außerdem hatte und habe ich eine gute Mannschaft, was in der Startphase ein großes Glück war. 

"Keiner will Verantwortung übernehmen."

Was sind heute für Sie die größten Herausforderungen im Geschäftsleben?

In slowakischen Betrieben fehlt die Zwischenebene in der Hierarchie. Unterhalb des Chefs will keiner die Leute führen und keiner Verantwortung übernehmen. Es gibt keine Meister wie in Deutschland, die ihre Erfahrungen weitergeben. Außerdem bleibt die Kommunikation in der Firma schwierig. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass Sachen erledigt werden, wenn keine Rückfragen kommen. Wenn etwas schiefläuft, höre ich in der Slowakei immer wieder den Standardsatz: "Ich dachte, das hat der Kollege schon erledigt."

Und wo sehen Sie die Stärken Ihrer slowakischen Belegschaft?

Die Menschen sind flexibler und wollen etwas verändern. Bei unvorhergesehenen Problemen wird immer noch viel improvisiert wie in der Mangelwirtschaft. Sind auf den Zeichnungen 5er Schrauben eingezeichnet, aber nicht verfügbar, dann nimmt man eben 6er Schrauben.

Ungewohnt war für mich die Vermischung von Beruflichem und Privatem, die hierzulande stärker ausgeprägt ist als in Deutschland. Die Mütter bringen ihre Kinder mit zur Arbeit, wenn sie keine Betreuung finden. Wir mussten sogar schon eine Spielecke einrichten. Ein allzu toleranter Führungsstil kann einem da schnell auf die Füße fallen. 

Ihr Unternehmen liegt etwas abseits der großen Wirtschaftszentren. Wie funktioniert die Logistik in der Zentralslowakei?

Das hat sich sehr verbessert. Wir bekommen unsere Vorprodukte aus Italien, Spanien, Norwegen. Nur wenig kommt aus der Slowakei. Die Kunden sitzen hauptsächlich in Deutschland, Österreich und in den Niederlanden. Mit den An- und Abtransporten gibt es keine Probleme. Der Standort hat trotz der großen Entfernungen auch Vorteile. Denn die Menschen hier sind nicht so verwöhnt wie in Bratislava und wechseln nicht so schnell ihren Arbeitgeber. 

"Wir wollen mehr für den Binnenmarkt produzieren."

Warum haben Sie keine Kunden in der Slowakei?

Noch vor ein paar Jahren wickelten wir auch Aufträge für einen Aufzugshersteller und für Heizungsbauer in der Slowakei ab. Aber dieses Geschäft gibt es jetzt nicht mehr. Trotzdem will ich wieder mehr für den Binnenmarkt produzieren. Ein erstes Pilotprojekt ist ein modulares Kindergartengebäude in Banská Bystrica, das wir selbst entwickeln. In solchen Modulhäusern sehe ich eine große Chance, uns für die anstehende Krise breiter aufzustellen. Wir planen zum Beispiel eine Siedlung mit 25 Ferienhäusern direkt am Stausee Liptovská Mara.

Um so viele Module zu produzieren, müssen Sie Ihr Werksgelände erweitern. Ist es schwierig, in der Slowakei Baugenehmigungen zu bekommen?

In der Slowakei ist auf dem Papier alles noch bürokratischer als in Deutschland. Das Gute daran: Die Behörden ziehen diese Vorschriften nicht komplett durch. Es ist erstmal alles verboten, aber in der Praxis findet man immer eine Lösung.

Die slowakische Wirtschaft ist in den letzten 20 Jahren stark gewachsen. Wo sehen Sie weitere Potenziale für die Zukunft?

Ich denke, es kommen schwierigere Zeiten auf das Land zu. Ein Bremsfaktor sind die hohen Energiepreise. Unsere Schweißanlagen verbrauchen sehr viel Strom. Und in der Slowakei bekommen Sie nur als Großunternehmen vergünstigte Preise. Trotzdem mache ich mir für unser Unternehmen keine Sorgen. Wir haben zwar auch Aufträge für mehrere Hunderttausende Euro durch die aktuelle Wirtschaftskrise verloren. Aber die müssen wir durch neue Kunden und Produkte wieder reinholen. Wir planen zum Beispiel eine Anlage, die Baumaterialien aus alten Dämmstoffen produziert und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. Dafür suchen wir zurzeit eine Finanzierung.

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