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Wie das Geld vom Kunden in Somalia nach Deutschland kommt
Somalia ist nicht ans internationale Bankensystem angeschlossen, trotzdem wickeln Banken dort offenbar die Bezahlung von Importen ab. Beobachter haben Zweifel an dem Procedere.
02.12.2022
Von Ulrich Binkert | Bonn
Die gute Nachricht zuerst: "Wir haben immer unser Geld aus Somalia bekommen.“ Teilweise sogar innerhalb einer Woche nach Rechnungsstellung "und damit deutlich schneller als von so manchem deutschen Kunden“. Dies sagt der Manager eines der wenigen deutschen Unternehmen, das in dem Land am Horn von Afrika direkt Geschäfte macht - und nicht über Umwege wie zum Beispiel über einen Golfstaat.
Weniger klar ist, wie so ein Geldtransfer gesetzeskonform läuft - aus einem Land, das mühsam seinen Status als gescheiterter Staat hinter sich zu lassen versucht. Wichtigste Player in dem Geschäft sind Geldtransferhäuser (MTB, money transfer business) wie Dahabshiil. Über sie fließt ein Großteil der für Wirtschaft und Menschen in Somalia überlebenswichtigen Überweisungen der großen somalischen Diaspora aus dem Ausland. Diese Transfers betrugen im Jahr 2020 gut 3,4 Milliarden US-Dollar (US$) - ein Wert, so hoch wie mehr als die Hälfte der offiziellen Wirtschaftsleistung oder fast dreimal so hoch wie die Warenexporte Somalias.
Geldtransferhäuser, Islamic Banking und Compliance
Für deutsche Firmen allerdings kommen MTB oder auch das weithin genutzte islamische Hawala-Überweisungssystem kaum für Geldtransfers aus Somalia in Betracht. Beide Wege sind nicht reguliert und entsprechen kaum den Compliance-Regeln deutscher Firmen. Geschäftsbanken sind in Somalia zwar auch tätig, aber nach Aussage von Branchenvertretern nicht ans internationale Bankensystem angeschlossen. Es gibt also keine Routine, wonach ein somalisches Institut das Geld seines Kunden mit einer ausländischen Korrespondenzbank verrechnet, die wiederum den Betrag auf einem Konto des Lieferanten in Deutschland gutschreibt.
Nach Angaben von Yasin Ibar allerdings, Geschäftsführer der Somali Bankers Association (SBA), arbeiten "die meisten" größeren somalischen Geschäftsbanken durchaus mit ausländischen Instituten zusammen, überwiegend mit solchen aus Kenia und der Türkei. Hierzu gebe es jeweils ein bis zwei Jahre umfassende Vereinbarungen. Dafür unterziehe die ausländische Bank die somalische Partnerbank einer Due-Dilligence-Prüfung.
Banken: Wir überweisen auch ins Ausland
Auf dieser Basis wickeln die Banken laut Yasin Ibar ihre Geldtransfers ab, auch von Somalia ins Ausland. Solche Transfers hätten auch schon zu Banken in Europa stattgefunden. "Manche Geschäftsbanken haben eine sehr gute Verbindung zu ihren Korrespondenzbanken", sagt der SBA-Chef. Einige Institute schickten Geld in die ganze Welt, andere nur in bestimmte Länder wie China oder die Türkei. "Die Korrespondenzbanken und ebenso die Wege des Geldes zu diesen Banken wechseln häufig."
Die Kosten eines Geldtransfers per Bank ins Ausland erreichen laut SBA bis zu 1 Prozent der Überweisungssumme. Es gebe aber unterschiedliche Gebührenmodelle, manche Banken berechneten zum Beispiel fix 150 US$. Kritischer ist laut Yasin Ibar der Faktor Zeit. Mal dauere es zwei bis drei Tage, mal aber auch drei Wochen, bis das Geld in Europa sei. Verrechnungsbanken prüften sehr genau Transfers in US-Dollar, der Somalias faktisches Zahlungsmittel ist. Der Verbandschef empfiehlt deshalb eine Fakturierung in Euro, das beschleunige Überweisungen aus Somalia. Umgekehrt liefen Transfers nach Somalia schneller und einfacher per Dollar.
Von einem staatlichen Kunden in Somalia kann ein deutscher Lieferant den Angaben zufolge sein Geld direkt über die Zentralbank (CBS) in Mogadischu bekommen. Die CBS nutzt hierfür demnach ein Konto, das auch von den internationalen Gebern überwacht wird. Solche Transaktionen unterliegen teils der Zustimmung des Parlaments, was sie sehr umständlich und zeitaufwändig machen kann. Alternativ kann ein deutscher Lieferant laut Yasin Ibar vereinbaren, dass die CBS das Geld über Geschäftsbanken überweist, die mit Korrespondenzbanken in der Türkei oder in Kenia verbunden sind, plus einfachem Weitertransfer nach Deutschland.
Überweisungen von somalischen Banken international nicht förmlich anerkannt
Ausländische Experten, die Somalia bei der Festigung seines Finanzwesens unterstützen, sehen internationale Geldtransfers über Geschäftsbanken deutlich kritischer als die SBA. Die somalischen Banken nutzten "eingebettete Konten" bei regionalen (ausländischen) Banken, die sie hilfsweise als Korrespondenzbanken einsetzten. Die internationale Finanzgemeinschaft erkenne solche Vereinbarungen jedoch nicht förmlich an. Diese Deals würden von der lokalen Bank oder der Partnerbank nicht einmal förmlich gemeldet.
Compliance-Standards in Somalias Finanzwesen seien niedrig und die Zentralbank noch schwach, heißt es in einer Einschätzung. Und: "Angesichts fehlender Daten und der Schwierigkeit, die meist noch jungen Finanzinstitutionen einzuschätzen, ergibt sich nur schwer ein klares Bild." In diesem Umfeld ein echtes Korrespondenzbankensystem aufzubauen, bedeute viel Aufwand und Risiko. Das würden Banken nur bei einem starken Wachstum von Wirtschaft und Handel in Somalia eingehen.
Türkische und ägyptische Bank kommen ins Land
Vor diesem Hintergrund sehen die Beobachter auch die Ansiedelung der türkischen Bank Ziraat Katilim und der Banque Misr aus Ägypten. Dies sei vor allem ein Versuch, Investoren aus der Heimat zu unterstützen. Die Lizenzen der beiden Banken, die sie als erste ausländische Institute Anfang Juli 2022 von der Zentralbank erhalten hatten, seien beschränkt. Wie genau, sei aber nicht klar. Laut Yasin Ibar von der SBA sind die beiden Banken noch nicht operativ tätig, sie würden in Somalia gerade ihre physische Infrastruktur aufbauen.
Internationale Geber wie auch die Zentralbank sind laut Beobachtern sehr bemüht, Somalia auch formell wieder an das internationale Bankensystem anzuschließen. Keine Rolle bei Zahlungen ins Ausland spiele das von der Weltbank initiierte und seit rund zwei Jahren aktive Instrument Gargaara. Dieser Fonds soll laut Yasin Ibar vor allem Finanzmittel in Somalias Fischerei und Landwirtschaft sowie in andere produktive Sektoren leiten.