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Grüner Wasserstoff durch das Mittelmeer
Europas Südwesten könnte 2030 bis zu 10 Prozent der europäischen Wasserstoffnachfrage decken. Das entscheidende Verbindungsstück ist die geplante Pipeline durch das Mittelmeer.
02.05.2024
Von Oliver Idem | Madrid
Europas Energieversorgung soll grüner werden. Ein entscheidender Baustein dabei wird Wasserstoff sein. Ein neues Pipelinenetz soll die europäischen Produktions- und Verbrauchszentren des Gases verbinden. Die Pläne dafür nehmen Gestalt an. Ein großer Treiber dahinter ist die European Hydrogen Backbone Initiative, eine Gruppe von europäischen Energieinfrastrukturbetreibern. Sie hat fünf Korridore ("A" bis "E") ausgearbeitet, über die der Wasserstoff transportiert werden soll.
Der sogenannte Korridor B liegt im Südwesten Europas. Einen Teil des Korridors bildet das Pipelineprojekt H2med. Die Regierungen von Spanien, Portugal und Frankreich haben sich im Januar 2023 auf dieses geeinigt. In Spanien heißt es wegen der Start- und Zielstädte Barcelona und Marseille auch BarMar.
Grüner Wasserstoff könnte innerhalb des Korridors von Portugal und Spanien aus durch das Mittelmeer und durch Frankreich bis nach Deutschland geliefert werden. In Frankreich könnten unterirdische Speicher dabei helfen, Angebot und Nachfrage auszubalancieren.
Der Transport via Pipeline verursacht geringere Kosten als Lieferungen per Schiff. Die maximale Kapazität der Mittelmeerpipeline wird bei 2 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr liegen. Das entspricht rechnerisch 10 Prozent der für 2030 erwarteten Wasserstoffnachfrage in Europa.
Die Pipeline ist ausschließlich für den Transport von Wasserstoff bestimmt. Durch die Konzentration auf nachhaltig erzeugten Wasserstoff unterstützt das Vorhaben die Dekarbonisierungsziele der EU. Darum setzen die beteiligten Länder zur Finanzierung insbesondere auf Finanzmittel der EU, die bis zu 50 Prozent der Kosten decken sollen.
Pipeline verläuft an Land und unter Wasser
Zu dem Vorhaben gehören insgesamt zwei Verbindungen, die einerseits Portugal und Spanien an Land und andererseits Spanien und Frankreich per Unterwasserpipeline vernetzen sollen.
Die erste Anbindung ist zwischen Celorico da Beira (Portugal) und Zamora (Spanien) vorgesehen. Für den weiteren Transport entsteht eine Pipeline zwischen Barcelona und dem französischen Marseille. Auch zwei Verdichterstationen in Zamora mit 12,6 Megawatt und in Barcelona mit 140 Megawatt gehören dazu. Schlüsselakteure werden die Übertragungsnetzbetreiber Enagás, GRTgaz, REN und Teréga aus den drei beteiligten Ländern sein.
Die beiden Pipelines sollen nach unterschiedlichen Prinzipien gebaut werden. Für das Teilstück zwischen Celorico da Beira und Zamora werden die nationalen Übertragungsnetzbetreiber die Errichtung und den Betrieb organisieren.
Für die große Unterwasserpipeline ist eine Konsortialbildung vorgesehen. In diesem Zusammenhang soll eine gemeinsame Erklärung durch Enagás, GRTgaz und Teréga unterzeichnet werden. Zunächst stehen Studien zur technischen Durchführbarkeit des Vorhabens auf dem Programm. Die Studien sollen rund 35 Millionen Euro kosten.
Aus drei Optionen wurde bereits eine für den Verlauf der Rohre ausgewählt. Die geplante Leitung würde in bis zu 2,6 Kilometer Tiefe verlegt und wäre 455 Kilometer lang. Der Vorteil: Steigungen und Gefälle wären erheblich geringer als bei den beiden anderen Varianten.
Laut Schätzungen von Oktober 2022 müssen für die Leitung zwischen Barcelona und Marseille etwa 2,5 Milliarden Euro investiert werden. Hinzu kommen etwa 350 Millionen Euro für die Verbindung zwischen Spanien und Portugal. Der Wirtschaftszeitung Expansión zufolge beträgt die Amortisationsdauer zehn bis 20 Jahre, die Durchleitungsgebühren sind hier inkludiert.
Kenndaten | Celorico-Zamora | Barcelona-Marseille |
---|---|---|
Länge in Kilometer | 248 | 455 |
Durchmesser in Zoll | 28 | 28 |
Betriebsdruck in bar | 84 | 210 |
maximale Kapazität pro Jahr in Millionen Tonnen | 0,75 | 2 |
voraussichtliche Kosten in Millionen Euro | 350 | 2.500 |
Bauzeit ab Genehmigung in Monaten | 22 | 30 |
Zweifel an Unterstützung Frankreichs
Das Vorhaben bewegt sich in einem Spannungsfeld aus Kooperation und Konkurrenz zwischen den Ländern. Gelegentlich wird in Spanien Skepsis laut, wie motiviert Frankreich den Korridor B wirklich unterstützen wird. Der Hintergrund ist, dass zuvor eine Pipeline-Lösung durch die Pyrenäen am französischen Widerstand scheiterte. Erst eine als europäisches Konzept präsentierte Mittelmeerpipeline von Barcelona nach Marseille fand auch die Unterstützung Frankreichs.
Zudem existieren Zweifel, ob Frankreich ein Interesse an der Durchleitung von grünem Wasserstoff aus dem Süden durch das eigene Staatsgebiet nach Deutschland hat. Manche Beobachter vermuten, dass eher die Lieferung von auf Nuklearbasis erzeugtem Wasserstoff in die südlichen Länder im Interesse Frankreichs liegt.
In der öffentlichen Debatte in Spanien liegt der Fokus auf den eigenen Stärken und der Nutzung der eigenen Ressourcen. Hingegen wird die potenzielle Konkurrenz aus Nordafrika, zum Beispiel aus Marokko, meistens komplett ausgeblendet. Dabei stünde die Möglichkeit im Raum, dass Spanien ebenso zum Transitland für grünen Wasserstoff aus dem Süden werden könnte wie Frankreich im Rahmen des Projekts H2med.
Grenzübergreifendes Projekt mit Bedarf an Technik und Expertise
Am Bau des Korridors B und seiner Anbindung an das portugiesische Netz werden Gasnetzbetreiber und weitere Unternehmen aus mindestens vier Ländern beteiligt sein. Der internationale Charakter des Projekts spricht dafür, dass auch deutsche Unternehmen davon profitieren können.
Über die Planung und den Bau der Pipeline, der Verdichterstationen und weiterer Infrastruktur hinaus könnten sich weitere Möglichkeiten auftun. In Spanien und Portugal muss die Produktions- und Netzinfrastruktur aufgebaut werden, um mehr erneuerbare Energie für die Erzeugung von grünem Wasserstoff zu generieren. Dadurch entsteht Bedarf an Elektrolyseuren und Druckbehältern.
Da die Infrastruktur für grünen Wasserstoff erst noch in der Entstehung ist, können deutsche Unternehmen sie mitprägen. Momentan befinden sich insbesondere in Spanien zahlreiche Vorhaben in der Planungsphase.
Eine Schwierigkeit für die Produzenten liegt darin, trotz der etwa vier Mal höheren Kosten gegenüber grauem Wasserstoff schon jetzt Abnehmer zu finden. In den kommenden Jahren wird aber aufgrund von technischen Innovationen damit gerechnet, dass sich die Preisschere zwischen grauem und grünem Wasserstoff stärker schließen wird.