Interview I Subsahara-Afrika I Beratende Ingenieure
"Deutsche Ingenieure bemühen sich wenig um Auslandsorder"
Im internationalen Beratergeschäft hilft Größe. Deutsche Anbieter sind aber eher klein und beschränken sich oft auf Geberprojekte: Interview mit einem nordischen Konkurrenten. (Stand: 20.12.2023)
Von Ulrich Binkert | Bonn
Hinrich Brümmers Arbeitgeber sind mit der Zeit immer größer geworden. Erst war es ein kleinerer Ingenieurdienstleister, 2010 mit dessen Übernahme dann Gauff Consultants und seit Ende 2019 Ramboll: Bei der dänischen Ingenieur- und Managementberatung mit weltweit rund 18.000 Beschäftigten ist der Eisenbahnplaner von der Berliner Niederlassung aus für Mobilitäts- und Bahnprojekte zuständig. Im internationalen Geschäft kann Größe helfen, hat Brümmer bei seiner Arbeit in Afrika und anderen Kontinenten immer wieder festgestellt.
Herr Brümmer, Gauff Consultants hatte in Nairobi vor gut zehn Jahren um die 100 eigenen Leute. Size matters?
Auf jeden Fall. Durch diese große Niederlassung hatte man die personellen Ressourcen, um auch komplexe und umfassende Aufträge zu akquirieren und umzusetzen. Etwa um die lokale Finanzierung der Planung einer Eisenbahn in Tansania stemmen zu können. Das ist anspruchsvoll, aber nur so wird man auch für potenzielle Auftraggeber zum interessanten Partner. Natürlich kann man sich auf Projekte beschränken, die von KfW, Weltbank oder anderen Gebern finanziert werden. Darauf bewerben sich aber auch all die anderen Berater. Und man lässt eben einen Teil des Marktes liegen. Bei diesen anderen Projekten außerhalb der Entwicklungszusammenarbeit muss man sich allerdings auch des Risikos einer lokalen Finanzierung bewusst sein.
Aber unter den deutschen Ingenieuren gibt es doch Spezialisten, die stark in ihrer Nische sind.
Ja, und dort holen sie auch Aufträge. Aber eben nur in der Nische. In Afrika kenne ich kaum einen deutschen Berater, der bei sehr großen Projekten die Planung für Generalunternehmer macht oder eine breite Palette von Dienstleistungen übernimmt. Umgekehrt finden Auftraggeber dafür vor Ort kaum ein deutsches Angebot. Sie halten sich lieber an die großen Anbieter, die sie womöglich schon von woanders kennen: Skandinavier, Franzosen oder die riesigen Beratungsunternehmen aus dem englischen Sprachraum.
Bemühen sich deutsche Berater denn intensiv um Aufträge etwa in Afrika?
Jenseits der geberfinanzierten Projekte sehe ich da nicht viel. Warum sollten sie auch? Deutsche Berater haben durch ihren großen Heimatmarkt schon zu Hause relativ viele Aufträge. Bei einem Projekt der Deutschen Bahn in Deutschland sind bei einem Auftrag die Abläufe einigermaßen klar und es gibt klare Zahlungsziele. Diese werden in afrikanischen Ländern oftmals flexibel interpretiert. Ramboll bemüht sich dagegen explizit auch um große internationale Projekte, weil wir hier unsere globale und interdisziplinäre Expertise spielen können.
Spielt auch die Struktur des Heimatmarktes eine Rolle, etwa die geringe Größe deutscher Beraterfirmen?
Das ist tatsächlich der Hauptgrund. Der deutsche Markt für Ingenieurdienstleistungen ist zersplittert und es fehlt an echtem Wettbewerb. Im Normalfall bleibt der bayerische Consultant in Bayern und der Berliner in Berlin. Das hängt auch mit dem föderalen deutschen System zusammen, mit 16 Bauordnungen in 16 Bundesländern.
Und die Inhaberstruktur?
Deutsche Beraterfirmen sind oft inhaber- oder familiengeführt, mit allen Vor- und Nachteilen. Eine Konsolidierung durch anorganisches Wachstum - große Unternehmen kaufen kleine - wird dadurch jedenfalls nicht erleichtert. In Frankreich sind wichtige Ingenieurberater eher Teil von großen Baukonzernen, von deren Verbindungen und Professionalität sie profitieren.
Aber bei den technischen Kompetenzen sind deutsche Berater schon gut?
Da sind sie top. Was manche allerdings eine Haltung einnehmen lässt, die auch bei deutschen Maschinenbauern verbreitet ist: Unser Angebot ist technisch so überlegen, das setzt sich durch. Allerdings muss man etwas mehr tun. Man muss das Geschäft auch entwickeln, den Kunden entgegenkommen, Finanzierungen suchen und Bürokratien überwinden.
Geringe Größe, mittelständische Strukturen - schmälert dies auch die Zukunftsfähigkeit deutscher Anbieter?
Eine kleine Firma hat einfach weniger Ressourcen. Das macht es diesen Unternehmen in Zukunft schwerer, all den neuen Entwicklungen, etwa auf dem Feld der künstlichen Intelligenz, zu folgen. Und auch, sich in Vertrieb und Verwaltung gut für Märkte in Afrika oder Asien aufzustellen. Dies gilt auch für die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeitenden.
Was meinen Sie mit interkultureller Kompetenz?
Der Umgang und die Kommunikation in einem rein deutschen Beraterbüro sind normalerweise hierarchischer als in einem skandinavischen wie Ramboll. Diese Hierarchien werden teilweise auch auf die Auslandsprojekte übertragen, oft mit einem Expat an der Spitze. Wichtig ist aber, an geeigneter Stelle lokale Kräfte einzubeziehen. Ein Projekt in Afrika wird höchstwahrscheinlich eher erfolgreich sein, wenn der Projektleiter aus dem jeweiligen Land kommt und die lokalen Gegebenheiten versteht. Hinzu kommt, dass Compliance in den zunehmend globalen Geschäftsbeziehungen immer wichtiger wird. Auch in Deutschland müssen sich kleinere Firmen - die dort die Branche prägen - mit strengen Compliance-Regeln und den vielen Dilemmata, die daraus entstehen können, ernsthaft auseinandersetzen.
Wie achten Sie bei Ramboll auf diese kulturellen Faktoren?
Zum Thema Compliance und interkulturelle Kommunikation haben wir unter anderem regelmäßige interne Schulungen, die alle Mitarbeitenden durchlaufen müssen. Ein wichtiger Faktor ist aber auch hier Größe: Ramboll hat Projekte in über 100 Ländern und eigene Niederlassungen in mehr als 35, mit entsprechend diverser Belegschaft.
Erhalten deutsche Berater Unterstützung von offiziellen Stellen aus Deutschland?
Deutsche Botschaften in Afrika sind normalerweise eher an kulturellem Austausch interessiert. Um die Wirtschaft kümmert sich, vielleicht, ein Referent mit einer halben Stelle. Afrika bietet noch viel Potenzial für Betätigung, zum Beispiel durch mehr Wirtschaftsdelegationen.
Aber in Deutschland unterstützt doch eine Vielzahl von Institutionen die Firmen im Ausland.
Oh ja. Der Service von Auslandshandelskammern oder Ländervereinen ist sicherlich sehr hilfreich für Exporteure von Konsumgütern. Im Beratergeschäft haben wir aber oft Kunden der öffentlichen Hand. Hier muss man individuell mit viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie vorgehen.