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Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie
Die Dekarbonisierung der Kohle- und Petrochemie ist eine Riesenaufgabe für Südafrika. Drängende Auswirkungen hat potenziell auch die CO2-Grenzabgabe der EU.
14.02.2024
Von Marcus Knupp | Berlin
Das Chemieunternehmen Sasol ist nach dem Energieversorger Eskom der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen in Südafrika. Ursache ist in beiden Fällen der starke Rückgriff auf den Rohstoff Kohle. Zwar konnte Sasol durch den sukzessiven Umstieg auf Erdgas bereits einige Emissionen reduzieren. Und bereits 2021 hat das Unternehmen sich selbst das Ziel gesetzt, bis 2050 netto null Emissionen auszustoßen. Bis dahin bleibt aber noch einiges zu tun.
Dekarbonisierung der Petrochemie ist Hauptaufgabe
An der Petro- beziehungsweise Kohlechemie hängen auch die nachgelagerten Sparten der chemischen Industrie in Südafrika. Denn auf der Basis von Kohle, Erdöl oder Erdgas werden hier die Grundstoffe produziert, die bei der Herstellung von Kunststoffen, von Düngemitteln oder in der Spezialchemie benötigt werden. Auch viele weitere Branchen, die diese Produkte wiederum einsetzen, hängen bei der Dekarbonisierung ihrer Lieferketten und damit der eigenen Produkte von der Grundstoffindustrie ab. Hier wartet daher zunächst die größte Aufgabe.
Um die immensen Emissionen der petrochemischen Anlagen zu reduzieren, gibt es verschiedene Wege. Die möglichen Strategien reichen von der Erhöhung der Energieeffizienz, etwa durch bessere Nutzung von Prozesswärme oder Kraft-Wärme-Koppelungen, über die Abscheidung von Kohlendioxid bis zu alternativen Ausgangsmaterialien wie Erdgas, Biomasse oder Wasserstoff. Erdgas steht in begrenzter Menge aus der Offshore-Förderung vor Mossel Bay zur Verfügung. Dieses wird in der Raffinerie von PetroSA weiterverarbeitet. Sasol importiert Gas über eine Pipeline aus Mosambik. Die Erschließung neuer Erdgasfunde im Norden des Nachbarlandes vor der Küste erfordert Zeit und Investitionen. Sie können die eingesetzte Kohle also nicht kurzfristig ersetzen.
Biomasse hat Potenzial
Zahlreiche Möglichkeiten bestehen zum Einsatz von Biomasse, beispielsweise aus dem Zuckerrohranbau oder nicht verwendeten Pflanzenteilen in der Papierindustrie. Das Department of Science and Innovation (DSI) hat für Bioraffinerien fünf konkrete Rohstoffquellen identifiziert: Forstwirtschaft, Zuckerrohr, Algen, nicht-verzehrbare Pflanzenöle und mikrobielle Überreste in der Landwirtschaft. Die Zahl von Unternehmen des Bereichs Biokunststoffe in Südafrika ist bislang allerdings noch überschaubar. Viel Schwung hat in den letzten beiden Jahren die Entwicklung der Ressource grüner Wasserstoff genommen. Hier gibt es in Südafrika mehrere große Projekte.
Die kurzfristig größten und kostengünstigsten Potenziale zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in der Petrochemie sehen Studien in einer erhöhten Energieeffizienz. Diese reichen von der Installation besserer Systeme zur Messung und Steuerung des Energieeinsatzes über die Optimierung bestehender beziehungsweise Einsatz neuer Anlagen zur Wärmeproduktion im Prozess bis zu effizienteren Prozessen in der Produktion selbst sowie in der Energieinfrastruktur. Mit der zunehmenden Implementierung verlieren diese Möglichkeiten in der mittel- bis langfristigen Perspektive allerdings an Bedeutung.
Recycling steht noch am Anfang
Im Jahr 2021 stammten knapp 22 Prozent der in Südafrika verarbeiteten Kunststoffe aus recycelten Basismaterialien. Mit 344.527 Tonnen lag die Gesamtmenge wiedergewonnener Kunststoffe etwa 10 Prozent höher als im vorangegangenen Jahr. Die Sammlung und das Recycling von Kunststoffabfällen hatte damit aber nach Angaben des Fachverbandes Plastics SA das Niveau von vor der Coronapandemie noch nicht wieder erreicht. Gestiegene Energiepreise und regelmäßige Stromabschaltungen (load shedding) machen der Recyclingbranche zu schaffen. Nachholbedarf besteht auch noch in den Bereichen Mülltrennung und in der Definition von Standards für die Recyclingprozesse und die wiedergewonnenen Stoffe.
Den Anteil recycelter Materialien in Endprodukten beziffert Plastics SA für 2021 mit 16,7 Prozent. Der Ausbau der Recyclingkapazitäten hat dazu geführt, dass Anbieter mittlerweile Probleme haben, ausreichende Nachfrage zu finden. Alternative Märkte in der Region südliches Afrika oder in Asien schaffen hier nur begrenzt Abhilfe. Lediglich etwa 7,7 Prozent der Rezyklate wurden 2021 exportiert. In Südafrika überwiegt bei weitem das mechanische Recycling von Kunststoffen.
CBAM wirft seine Schatten voraus
Mit einiger Verunsicherung blickt die Chemieindustrie in Südafrika auf die Grenzausgleichsabgabe der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM). Das Land gehört weltweit zu den am stärksten Betroffenen von der Maßnahme. Grund ist auch hier der hohe Anteil der Kohle an der südafrikanischen Energieversorgung. Vor allem Exporte von Aluminium und Stahl werden voraussichtlich von der Abgabe betroffen sein. Nach Untersuchungen des Thinktanks Trade & Industrial Policy Strategies (TIPS) fallen 27 Prozent der Exporte organischer Chemikalien Südafrikas unter den CBAM. Sollten in Zukunft auch Kunststoffe in die Regelungen mit einbezogen werden, wären etwa 10 Prozent der entsprechenden Exporte Südafrikas beeinflusst.