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Südafrika mit hohem Investitionsbedarf im Straßenbau
Südafrikas Straßen sind in einem desolaten Zustand. Investitionen sind überfällig. Marktchancen für deutsche Unternehmen bieten sich im Bauwesen und bei Ingenieursdienstleistungen.
11.10.2023
Von Fausi Najjar | Johannesburg
Das Straßennetz Südafrikas ist mit Abstand das größte auf dem afrikanischen Kontinent. Es steht aber vor immensen Herausforderungen: Investitionen in die Instandhaltung sind über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt worden. Schlaglöcher, rissiger Asphalt, unterspülte Straßen, kaputte Ampeln und eine zerstörte Straßenbeleuchtung sind bei der südafrikanischen Bevölkerung ein tägliches Ärgernis - ähnlich wie die häufigen Stromausfälle. Das vermehrte Auftreten von Schlaglöchern ist zu einem Symbol für das Versagen der politischen Klasse geworden.
Ein düsteres Bild vom Zustand der Straßen zeichnet auch der im November 2022 veröffentlichte Infrastrukturbericht der South African Institution of Civil Engineering (SAICE). Vor allem bei den in der Verantwortung von Städten und der Provinzregierungen liegenden Straßen sei in den letzten Jahren eine deutliche Verschlechterung zu verzeichnen. Eine regelmäßige Überwachung und Wartung fehle. Statt präventiver Maßnahmen überwiege eine oftmals verschleppte, behelfsmäßige Reparatur. Grund seien vor allem schwindende Kompetenzen in den Verwaltungen und fehlendes Geld. Die Verkehrssicherheit und der Güterverkehr seien erheblich beeinträchtigt.
Zuständige Behörde | Asphaltierte Straßen (in km) | Schotterpiste (in km) | Anmerkung |
---|---|---|---|
Sanral | 21.403 | 0 | 17 nationale Fernstraßen / Autobahnen |
Baubehörden Provinzebene | 47.348 | 226.273 | Neun Provinzen mit insgesamt 62 regionalen Verbindungen |
Baubehörden der Großstädte | 51.682 | 14.461 | Acht Großstädte |
Baubehörden der Gemeinden | 37.691 | 219.223 | 278 Baubehörden |
nicht zugeordnet *) | - | 131.919 | hauptsächlich Schotterpiste |
Insgesamt | 158.124 | 591.876 |
Druck auf die südafrikanische Regierung steigt
Auch der Zustand des Schienennetzes ist desolat. Große Mengen der in Südafrika abgebauten Massenrohstoffe Eisenerz und Kohle werden deshalb von der Schiene auf die Straße verfrachtet. Dieser Umstand, in Kombination mit einer im Zuge des Ukrainekriegs gestiegenen weltweiten Nachfrage nach Kohle, hat einen explosionsartigen Anstieg von Schwertransporten über die Straße zur Folge. Dementsprechend sind wichtige Verkehrsadern verstopft, während die Schwerlaster der Substanz der Fahrwege enorm zusetzen.
Die südafrikanische Regierung will Abhilfe schaffen. Das wundert nicht: 2024 ist Wahljahr und die seit 1994 regierende Partei ANC (African National Congress) muss liefern. Ob sie tatsächlich das Ruder umreißen und ihre absolute Mehrheit beibehalten wird, ist allerdings zu bezweifeln. Allein um den Niedergang des Straßennetzes aufzuhalten, müssten zügig umgerechnet 4,4 Milliarden Euro ausgegeben werden, so der ehemalige Transportminister Fikile Mbalula im Jahr 2022. Es hapert aber nicht nur am Geld, sondern oftmals an den administrativen Kapazitäten. Angesichts des Umfangs der Vorhaben dürfte es dennoch Beteiligungschancen für deutsche Unternehmen geben.
Zentralstelle gegen Schlaglöcher geschaffen
Im August 2022 hat das südafrikanische Verkehrsministerium die nationale Kampagne zur Beseitigung von Schlaglöchern namens Vala Zonke (in der lokalen Sprache isiZulu: "schließe alle“) ins Leben gerufen. Die nationale Straßenbehörde Sanral (South African National Roads Agency) wurde zur Koordinierungsstelle für die Kampagne ernannt. Sanral soll unter anderem Daten und Informationen über Schlaglöcher harmonisieren und technisches Know-how zur Verfügung stellen.
Der Aufbau einer Zentralstelle für die vielzähligen im Straßenbau tätigen Stellen ist überfällig. Tatsächlich dürfte Sanral die einzige geeignete Institution in Südafrika sein, um diese Aufgabe zu bewältigen. Allerdings hat auch die nationale Straßenbaubehörde mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Die Bilanz der Kampagne war bislang ernüchternd. Mit der neuen Ministerin Sindisiwe Chikunga (im Amt seit März 2023) könnte die Kampagne an Fahrt aufnehmen.
Ausbau von Verbindungen für den Rohstoffexport
Der Transport von Rohstoffen rollt überwiegend auf den Schnellstraßen N2 und N3. Diese verbinden die Wirtschaftsprovinz Gauteng und die Bergbauprovinzen Mpumalanga sowie Limpopo mit den Häfen Durban und dem afrikaweit größten Kohleterminal Richards Bay.
Konsequenterweise hat der Ausbau der Schnellstraßen N2 und N3 Priorität. Die Projekte konzentrieren sich auf der N2 auf einen 55 Kilometer langen Abschnitt, der durch die Agglomeration Durban führt. Die Modernisierung der N3 fokussiert vor allem auf die 80 Kilometer lange Strecke Durban-Pietermaritzburg. Nach Angaben von Sanral werden die Fahrbahnen der N2 und N3 in jede Richtung auf vier oder fünf Fahrspuren verbreitert und die meisten großen Drehkreuze neu gestaltet. Insgesamt sind die Bauvorhaben auf zehn Jahre angelegt. Viele Aufträge sind schon vergeben. Auch die Zubringerstraßen der Kohlebergwerke der Provinz Mpumalanga sind stark sanierungsbedürftig.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung |
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SANRAL Ausbauarbeiten National Route 1 | 205 | Entwurf | Ausbau und Modernisierung circa 115 km |
SANRAL Ausbauarbeiten National Route N14 | 125 | Vorstudie | Ausbau und Modernisierung circa 48 km |
SANRAL - Gauteng Freeway Improvement: Phase III | 2.955 | Auf Halt | Ausbau und Modernisierung 95 km |
Marktchancen bei Bau- und Ingenieursdienstleistungen
Die südafrikanische Wirtschaftspolitik ist geprägt von industriepolitischen Instrumenten zur wirtschaftlichen Gleichstellung der während der Rassentrennung (Apartheid bis 1994) diskriminierten schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Ohne die geregelte Beteiligung von Schwarzen (Black Economic Empowerment, BEE) und hohe Local-Content-Quoten sind Straßenbauprojekte selbst im Privatsektor kaum denkbar. Die Umsetzung der BEE-Auflagen bedarf einer schwierigen Suche nach geeigneten Partnerunternehmen, gilt aber als machbar. Dennoch ist der Vorwurf, dass mit BEE oftmals politisch gut vernetzte Akteure privilegiert werden, nicht von Hand zu weisen.
Für deutsche Unternehmen bieten sich Chancen vor allem als Technologieanbieter zur Lösung bautechnischer Fragen und bei Ingenieursdienstleistungen. Es sind übrigens nicht nur staatliche Akteure, die in Südafrika Straßen bauen. Auch große Konzerne aus Bergbau und Industrie beauftragen kommunale Straßenbauprojekte, oftmals um Auflagen im Rahmen des BEE zu erfüllen. In der Privatwirtschaft dürften die Chancen für den Markteinstieg günstiger ausfallen. Südafrika erzielt bei ingenieurstechnischen Dienstleistungen internationale Standards. Lokale Ingenieurbüros können demnach als kompetente Partner beim Technologietransfer agieren. Vor allem chinesische Baukonzerne sind neben südafrikanischen Unternehmen stark auf dem Markt präsent.