Rechtsbericht | Südkorea | Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Für Mitarbeitende und die Leitungsebene eines Unternehmens gelten unterschiedliche Rechtsgrundlagen. Ab zehn Beschäftigten sind allgemeine "Rules of Employment" zu erstellen.
14.11.2024
Von Julia Merle, Frank Robaschik, Katharina Viklenko | Bonn, Seoul
Die folgenden Angaben stellen eine Erstinformation zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Rechtspraxis dar. Germany Trade & Invest bietet keine weiterführende Rechtsberatung hinsichtlich der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen oder arbeitsrechtlicher Einzelfälle an.
Vergütung: Wird auf Unternehmensebene vereinbart; Art. 43 ff. Labor Standards Act (LSA) zur Vergütung |
Mindestlohn: 9.860 Südkoreanische Won (KRW) pro Stunde (2024), dazu: GTAI-Rechtsmeldung |
Arbeitsstunden pro Woche: 40 Stunden (Art. 50 Abs. 1 LSA) |
Zulässige Überstunden: Grundsätzlich bis zu zwölf Stunden pro Woche (Art. 53 Abs. 1 LSA); seit 01.07.2021: 52-Stunden-Woche auch für Betriebe mit fünf bis 49 Angestellten |
Feiertage: dazu: GTAI-Bericht Feiertage 2024 - Südkorea |
Bezahlte Urlaubstage: 15 bis 25 Tage (je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit; Art. 60 LSA) |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Gesetzlich nicht vorgesehen; vertragliche Vereinbarung oder im Ermessen des Arbeitgebers |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Nach Ermessen des Arbeitgebers |
Probezeit: Keine ausdrückliche gesetzliche Regelung (üblicherweise 3 bis 6 Monate) |
Rechtsgrundlagen
Der Labor Standards Act (LSA) und Nebengesetze geben den Rahmen für die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen in Südkorea vor. Uneingeschränkt kommt der LSA in Betrieben (einschließlich Unternehmen mit ausländischer Beteiligung) mit fünf oder mehr Mitarbeitenden zur Anwendung (Art. 11 Abs. 1 LSA). Er gilt jedoch nicht für die oberste beim Registergericht eingetragene Leitungsebene des Unternehmens (Registered Directors), die regelmäßig der Arbeitgeberseite zugerechnet wird und mit der ein Dienstvertrag vereinbart wird.
Hinsichtlich des Arbeitsschutzes sind der Occupational Safety and Health Act sowie der im Januar 2022 in Kraft getretene Severe Accidents Penalties Act (SAPA) zu beachten. Letzterer sieht eine deutlich höhere Haftung bei Arbeitsunfällen vor, bis hin zur persönlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für Unfälle im Unternehmen oder bei Zulieferern. Seit dem 27. Januar 2024 gilt der SAPA auch für kleinere Betriebe mit weniger als 50 Vollzeitkräften (und mindestens fünf im Falle von Kapitel 2).
Vertragsabschluss
Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag formlos abgeschlossen werden, allerdings schreibt der LSA in Art. 17 die Schriftform für wesentliche Eckpunkte des Beschäftigungsverhältnisses vor (insbesondere Arbeitslohn, Arbeits- und Pausenzeiten, Urlaub). Bei Verstößen gegen diese Vorschrift drohen Sanktionen (Art. 114 LSA). Ungeachtet dessen empfiehlt es sich aber in jedem Fall, die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses umfassend in einer schriftlichen Vereinbarung zu fixieren. Die Schriftform gilt für die wirksame Befristung sowie die Vereinbarung von Teilzeitarbeit.
Nach Art. 93 LSA sind für Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitenden sogenannte "Rules of Employment" aufzustellen. Sie ähneln deutschen Betriebsvereinbarungen und regeln die innerbetrieblichen Arbeitsbedingungen, wie etwa Arbeitszeiten, Vergütung und Urlaub.
Arbeitsverträge können sowohl befristet als auch unbefristet abgeschlossen werden. Befristete Verträge dürfen grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten (Art. 4 Act on the Protection of Fixed-Term and Part-Time Employees).
Sofern der Arbeitnehmer darüber hinaus beschäftigt wird, wandelt sich das befristete Arbeitsverhältnis automatisch in ein unbefristetes um. Das Gesetz sieht hiervon Ausnahmen vor. So findet etwa die Höchstdauer der Befristung auf bestimmte qualifizierte Fachkräfte keine Anwendung. Ebenso fallen ausländische Arbeitskräfte grundsätzlich nicht unter den Schutz der Befristungshöchstdauer (ausgenommen solche mit Permanent-Resident-Visumstatus).
Eine drei- bis sechsmonatige Probezeit ist üblich, aber gesetzlich als solche nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings profitiert der Arbeitgeber in den ersten drei Monaten der Probezeit in einzelnen Bereichen von erleichterten gesetzlichen Regelungen.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Der Arbeitsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung, der Arbeitgeber zur Lohn- oder Gehaltszahlung verpflichtet. Regelungen dazu finden sich in den Art. 15 ff. LSA.
Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf mindestens einen freien Tag pro Woche, Art. 55 LSA. Hat er über 80 Prozent der Jahresmindestarbeitszeit absolviert, besteht ein Anspruch auf 15 Tage bezahlten Urlaub (Art. 60 LSA). Dieser verlängert sich alle zwei Jahre, die ein Arbeitnehmer durchgehend angestellt ist, bis zu einem Höchstsatz von 25 Tagen.
Erkrankt ein Arbeitnehmer aufgrund eines Unfalls, hat er für die Zeit der Krankheit Anspruch auf 60 Prozent seines Lohns (Art. 79 LSA). Dieser Anspruch entfällt, wenn der Unfall grob fahrlässig vom Arbeitnehmer verursacht wurde (Art. 81 LSA). Tritt aufgrund des Arbeitsunfalls der Tod ein, muss den Hinterbliebenen der durchschnittliche Lohn für 1.000 Tage gezahlt werden (Art. 82 LSA).
Vertragsbeendigung
Unbefristete Arbeitsverhältnisse können durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung, befristete Verhältnisse mit Ablauf der vereinbarten Zeit beendet werden. Eine Kündigung ist nur wirksam bei Vorliegen eines "berechtigten Grundes" (Art. 23 LSA). Dies gilt auch für eine Kündigung während der vereinbarten Probezeit (siehe oben). Ein berechtigter Grund kann sowohl in der Person des Arbeitnehmers als auch in betrieblichen Gründen liegen, wobei nur letzteres gesetzlich ausgestaltet ist (Art. 24 LSA).
Allerdings können zusätzliche Gründe auf individualvertraglicher Ebene, in den "Rules of Employment" oder in Tarifverträgen festgelegt werden. Vor der Kündigung aus betrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber laut LSA ein gesetzlich geregeltes Verfahren zu beachten. So müssen beispielsweise alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein, Entlassungen zu vermeiden. Sofern der Arbeitgeber innerhalb von drei Jahren wieder neue Arbeitsplätze besetzen will, hat er die entlassenen Arbeitnehmer so weit möglich bei Neueinstellungen bevorzugt zu berücksichtigen (Art. 25 LSA).
Bei einer Kündigung muss grundsätzlich eine Frist von mindestens 30 Tagen eingehalten werden. Beachtet der Arbeitgeber diese Frist nicht, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf 30 Tage regulären Arbeitslohn (Art. 26 LSA). Die 30-tägige Kündigungsfrist gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer erst weniger als drei Monate gearbeitet hat, wenn der Arbeitgeber sein Unternehmen aus unvermeidbaren Gründen nicht fortführen kann oder wenn der Arbeitnehmer dem Unternehmen absichtlich Schaden zugefügt hat (Art. 26 LSA). Die strikten Kündigungsregeln des LSA gelten nicht für Firmen mit weniger als fünf Arbeitnehmern. Zu beachten ist jedoch, dass bei Zweigniederlassungen (Branch) und Repräsentanzen (Liaison Office) regelmäßig die im Mutterhaus Beschäftigen mitgerechnet werden.
Rechtspraxis
Die Anforderungen der südkoreanischen Gerichte an eine rechtlich durchsetzbare personen- oder verhaltensbedingte Kündigung sind nach Erfahrungen von Landeskennern erheblich strenger als in Deutschland. Ein einmaliges Fehlverhalten reicht demnach in der Regel nicht aus. Vor einer Kündigung müssen Arbeitgeber daher zunächst weniger einschneidende disziplinarische Maßnahmen wie Abmahnungen und Gehaltskürzungen erfolglos ausgeschöpft haben.
In der Praxis sind Kündigungen somit oft schwer durchsetzbar und sollten in ihren Auswirkungen gut überlegt werden. Eine einvernehmliche Trennung ist meist vorzuziehen und geräuschloser, denn die Wahrung des "Gesichts" ist ein zentraler Aspekt der koreanischen Kultur. Gibt es eine Betriebsgewerkschaft, sollten Arbeitgeber von deren Seite unter Umständen mit Widerstand rechnen. Darüber hinaus können Entlassungen von Mitarbeitern, die in der Belegschaft angesehen sind, das "Mitziehen" anderer Kollegen zur Folge haben.
Einvernehmliche Trennungen sind für Unternehmen häufig der bessere Weg.
Im Falle einer angestrebten einvernehmlichen Trennung von langjährigen Mitarbeitern ist mit hohen Abfindungsforderungen zu rechnen, die eine Dimension von ein bis zwei Jahresgehältern annehmen können. Dabei gilt es, aus Arbeitgebersicht taktisch geschickt zu verhandeln. Dem Arbeitnehmer sollte nur ausreichend dokumentiertes Fehlverhalten offen vorgehalten werden.