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Special | Tunesien | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Verstoß gegen das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Tunesien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 8 LkSG)

Kurzbeschreibung: Der angemessene Lohn ist mindestens der nach dem anwendbaren Recht festgelegte Mindestlohn und bemisst sich ansonsten nach dem Recht des Beschäftigtenortes. Die örtlichen Lebenshaltungskosten des Arbeitnehmers und der Familienangehörigen sowie die örtlichen Leistungen der sozialen Sicherheit sind dabei zu berücksichtigen.

Gesetzliche Grundlagen

Tunesien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat neun von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: September 2024). Bislang existieren keine internationalen Übereinkommen über existenzsichernde Löhne oder die Berechnung existenzsichernder Löhne. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalem Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country

In Tunesien gibt es einen staatlich festgesetzten Mindestlohn (SMIG), der per Dekret festgelegt wird. Die letzte Änderung des Mindestlohns ist im Dekret Nr. 2024-419 zu finden, das am 9. Juli 2024 im tunesischen Amtsblatt veröffentlicht worden ist. Für den Agrarsektor gibt es einen eigenen Mindestlohn - le salaire minimum agricole garanti (SMAG). Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zu rechtlichen Instrumenten bezüglich existenzsichernder Löhne bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.

Risiken

Am 9. Juli 2024 wurde der Mindestlohn rückwirkend zum 1. Mai 2024 um 7 Prozent erhöht. Der monatliche Mindestlohn liegt bei einer 40-Stunden-Woche bei 418 Tunesischen Dinar im Monat (tD; entspricht 123 Euro nach dem Wechselkurs der Bundesbank Stand Ende September 2024: 1 Euro = 3,389 tD). Bei einer 48-Stunden-Woche beträgt der monatliche Mindestlohn 492 tD. Eine zweite Erhöhung um 7,5 Prozent erfolgt im Januar 2025: Ab dem Jahr 2025 liegt der Mindestlohn dann bei 448 tD (40-Stunden-Woche) beziehungsweise bei 528 tD (48-Stunden-Woche). 

Der festgelegte Mindestlohn sichert nicht die Existenz. In ländlicheren Gebieten lag der Referenzwert für einen existenzsichernden Lohn laut dem Living Wage Reference Index im Jahr 2023 bei etwa 324 US-Dollar (rund 307 Euro nach Oanda, Stand 20. November 2024). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Lebenshaltungskosten stark vom Wohnort abhängen, da die Preise vor allem für Mieten und Nahrungsmittel in ländlicheren Gebieten um einiges geringer sind. Medienberichte gehen für eine erwachsene Person im Großraum Tunis von 400 Euro aus, allerdings ohne Mieten zu berücksichtigen. Auch in den Küstenregionen, die stärker industriell geprägt sind, ist das Lohnniveau höher als im Landesinneren. Die Kaufkraft der tunesischen Bevölkerung wird durch die angestiegene Inflation gemindert.

In exportorientierten Branchen wird deutlich über dem Mindestlohn gezahlt, in der Regel das Doppelte bis Dreifache. So liegen die „Ecklohngruppen“ bei den Autozulieferern (40-Stunden-Woche) bei 350 Euro netto; in der Textilindustrie bei 230 bis 260 Euro. Der größte Autozulieferer in Tunesien, Leoni, hat im Januar 2024 einen Tarifvertrag mit einer Entgelterhöhung von 8,5 Prozent abgeschlossen. Auch wurde ein Branchentarifvertrag in der Textil- und Bekleidungsindustrie über eine tabellenwirksame Entgelterhöhung von 6,5 Prozent im Januar 2024 und im Januar 2025 sowie von 7 Prozent für 2026 abgeschlossen. Beiden Abschlüssen gingen keine Streiks voraus. Die jährlichen Entgeltentwicklung im öffentlichen Dienst liegt auf Grund eines Abschlusses von September 2022 zwischen 3,5 und 5 Prozent. 

Weiterführende Informationen zum Thema existenzsichernde Löhne können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Existenzsichernde Löhne eingesehen werden.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Die AHK Tunesien ist Teil des weltweiten Netzwerkes der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) zur Förderung der deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen. Sie bietet praxisbezogene Marktinformationen, konkrete Geschäftspartnervermittlungen, umfassende Investitionsberatung sowie Fachveranstaltungen. 

Am 23. April 2024 wurde der Responsible Business Helpdesk (RBH) in Tunesien offiziell eingerichtet. Der Helpdesk wird vom tunesischen Arbeitgeberverband Union Tunisienne de l'Industrie, du Commerce et de l'Artisanat (UTICA) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betrieben. 

Das Netzwerk wird von der Initiative für globale Solidarität (IGS) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Für Beratungen kann die Koordinatorin des Zentralbüros des RBH und Verantwortliche in der Zentraldirektion für soziale Angelegenheiten bei der UTICA, Manel Zawali, kontaktiert werden: +216 98 692 604 beziehungsweise zawalimanel@yahoo.fr.

Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Existenzsichernde Löhne im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.

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