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Gute Geschäftschancen in der Halbleiterlieferkette
Die dynamische Entwicklung des taiwanischen Halbleitersektors heizt auch die Nachfrage nach Vorprodukten an. Umweltaspekte gewinnen dabei künftig an Bedeutung.
20.01.2022
Von Alexander Hirschle | Taipei
Die taiwanischen Halbleiterhersteller investieren kräftig weiter und setzen ihre Expansionspläne im In- und Ausland mit hoher Geschwindigkeit um. Aus diesem Grund planen auch die Hersteller von Materialien die Ausweitung ihrer Kapazitäten auf der Insel. So kündigte Merck Mitte Dezember 2021 eine hohe Investition in Taiwan an.
In den kommenden fünf bis sieben Jahren sollen rund 615 Millionen US$ in den Ausbau der Produktion sowie Forschung und Entwicklungsaktivitäten auf der Insel fließen. Der Fokus soll auf der Elektronikindustrie und insbesondere dem Halbleiterbereich liegen. Es handelt sich dabei um die bislang größte Investition von Merck in Taiwan.
Merck baut neue Fabrik in Kaohsiung
Firmenangaben zufolge soll das Projekt in mehreren Phasen umgesetzt werden. Bereits 2022 wird mit dem Neubau einer großen Fabrik im Kaohsiung Southern Science Park begonnen werden, die 150.000 Quadratmeter Fläche umfasst. Bereits Mitte Dezember 2021 erfolgte die Grundsteinlegung für die in der lokalen Presse als "Mega-Site" bezeichnete neue Produktionseinheit.
In der bereits bestehenden Fabrik in Kaohsiung wiederum sollen unter anderem die Einrichtungen für Forschung und Entwicklung (F&E) erweitert werden. Darüber hinaus plant Merck im Rahmen der Investition eine Modernisierung der F&E-Anlagen in Hsinchu sowie Erweiterungen im Geschäftsfeld Display Solutions in Taiwan.
Taiwan spielt immer wichtigere Rolle bei Halbleitern
Mit dem Ausbau der Aktivitäten auf der Insel wird auch die Entwicklung der lokalen Halbleiterindustrie gefördert. Merck will im Zuge der Investition seine Beschäftigtenzahl vor Ort um 400 nach oben schrauben. Insgesamt verfügt Merck über fast 1.000 Beschäftigte an den Standorten in Kaohsiung, Tainan, Hsinchu und Taoyuan. Die Investition erfolgt im Zuge der weltweit hohen Nachfrage nach Halbleitern, die von der Digitalisierung im Zuge der Coronakrise weiter angetrieben wird. Taiwan spielt nach Einschätzung von Firmenvertretern dabei eine entscheidende Rolle.
Firmen wollen näher an die Kunden
Auch andere Firmen, die Materialien für die Chip-Industrie herstellen, nehmen Taiwan als Standort in den Fokus. So kündigte das US-Unternehmen Entegris Ende 2021 eine Investition in der Größenordnung von 500 Millionen US$ an und damit mehr als eine Verdopplung der ursprünglichen geplanten Summe. Mit den Geldern soll die größte Fabrik des Unternehmens in Taiwan hochgezogen werden. Presseangaben zufolge fiel auch die Wahl von Entegris auf Kaohsiung. Die Massenfertigung von Halbleitermaterialien soll dort Mitte 2023 starten.
Als Grund für die massive Investition nannten Unternehmensvertreter in der lokalen Presse die Bemühungen, kürzere Lieferketten aufzubauen und näher an den Kunden rücken zu wollen. Taiwan ist hier mit seinen großen Herstellern wie TSMC sehr attraktiv, zumal diese auch hohe Investitionen für die nähere Zukunft geplant haben.
Taiwan wichtiger Käufer von Ausrüstungen
Neben TSMC planen auch andere lokale Branchenfirmen umfangreiche Investitionen und Erweiterungen ihrer Kapazitäten, die für gute Geschäftschancen bei den Lieferanten sorgen. Im 3. Quartal 2021 waren taiwanische Firmen wieder einmal die größten Käufer von Halbleiterausrüstungen rund um den Globus in einer Größenordnung von 7,3 Milliarden US$. Nach Angaben des Fachverbandes SEMI entsprach dies einer Steigerung von 54 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode.
Im Jahr 2022 soll Südkorea der größte Käufer von Ausrüstungen für die Chipproduktion werden, so die Prognosen von SEMI. Taiwan soll seine Beschaffungen um 14 Prozent steigern und so zweitgrößter Nachfrager werden, vor China. Die Volksrepublik soll demnach deutlich weniger ordern als 2021.
Die lokale Produktion von Halbleiterequipment kann nur einen Bruchteil des Bedarfs decken. Die taiwanischen Importe von Ausrüstungen stiegen in den ersten drei Quartalen 2021 um 34,5 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode an. Einfuhren "made in Germany" konnten dabei auch ein sattes Plus von fast 33 Prozent verbuchen.
Lieferchancen im Zeichen des Klimaschutzes
Im Schlepptau des Chip-Booms in Taiwan können Firmen entlang der gesamten Lieferkette profitieren. Nach Einschätzung von Axel Limberg, Delegierter des Deutschen Wirtschaftsbüros Taipei (GTO, German Trade Office Taipei) ist die Insel ein Schlüsselmarkt für den Sektor mit TSMC als globalem Technologieführer. Die künftige Weiterentwicklung der Chips in Richtung immer kleinerer Einheiten bringt enorm hohe Anforderungen an die Reinheit der Produktionsprozesse. Ebenso sehen Experten einen deutlichen Trend hin zur Nutzung von intelligenten Fabriken ("Industrie 4.0") sowie Automatisierungstechnologie.
Der steigende Stromverbrauch dürfte wiederum die Nachfrage nach Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz ankurbeln. Gleiches gilt für Recylingmethoden, um den enormen Wasserverbrauch in der Industrie zu reduzieren. Pressemeldungen zufolge benötigt alleine TSMC mehr als 150.000 Tonnen (t) Wasser pro Tag. Branchenexperten gehen davon aus, dass die Thematik ESG (Environmental, social and corporate governance) immer stärker an Bedeutung gewinnen wird bei den taiwanischen Halbleiterherstellern.
Maßnahmen wie die Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks und des Ausstoßes von Treibhausgasen an sich gewinnen für die überwiegend exportorientierten Firmen an Bedeutung, um ihre Produkte künftig weiterhin außerhalb der Landesgrenzen absetzen zu können. Auch hat Taiwan sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2050 Klimaneutral zu werden. Um diese Ziele umzusetzen, sind die lokalen Halbleiterproduzenten auf internationale Technologien angewiesen. Das birgt weitere Geschäftschancen für deutsche Lieferanten.