Taiwan will seinen Energiebedarf künftig verstärkt mit erneuerbaren Energien decken. Neben Solarkraft soll vor allem Offshore-Wind eine tragende Rolle spielen.
Energieerzeugung
Taiwan verfügt nur über geringe eigene Ressourcen. Daher ist die Wirtschaft in hohem Maße auf Energie aus dem Ausland angewiesen. Im Jahr 2022 belief sich der Anteil importierter Energie auf 97,4 Prozent der gesamten Energieversorgung. Davon entfielen 43,3 Prozentpunkte auf Rohöl und Benzinerzeugnisse, 30,8 Prozentpunkte auf Kohle und Kohleprodukte sowie 18,0 Prozentpunkte auf Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) und 5,6 Prozentpunkte auf Kernkraft.
Von den 2,3 Prozent lokal erzeugter Energie machten nach Angaben der Behörde BOE (Bureau of Energy) mehr als die Hälfte Biomasse und "Waste-to-Energy"-Anwendungen aus (1,2 Prozentpunkte). Auf Solarkraft entfielen wiederum knapp 0,5 Prozentpunkte. Der größte Energieverbraucher ist mit mehr als 30 Prozent der industrielle Sektor, gefolgt vom Energieaufwand der Stromproduzenten (27 Prozent), Transport (16 Prozent), Wohngebäuden (8 Prozent) und Dienstleistungen (7 Prozent).
Die Regierung plant, auch Wasserstoff künftig eine größere Rolle in der Energieversorgung einzuräumen. Bis Anfang des Jahrzehnts war die Entwicklung auf der Insel diesbezüglich noch nicht weit fortgeschritten. Nach Einschätzung von Branchenexperten wird kurzfristig der Schwerpunkt auf importiertem Wasserstoff als Energiequelle liegen.
Langfristig soll jedoch mit dem Ausbau erneuerbarer Energien auch in Taiwan mehr Wasserstoff hergestellt werden. Darüber hinaus liegt ein Fokus auf dem Aufbau der entsprechenden Infrastruktur wie Terminals und Logistik. Die staatliche Gesellschaft Taipower hat 2022 im Bereich Wasserstoff ein Demonstrationsprojekt lanciert, an dem auch die deutsche Gesellschaft Siemens Energy beteiligt ist. Darüber hinaus unterzeichneten Taiwan und Deutschland im Frühjahr 2023 ein Abkommen über wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit in den Sektoren Halbleiter, Batterien und auch Wasserstoff.
Stromerzeugung
Der Stromverbrauch in Taiwan nimmt stetig zu. Vor allem die florierende Halbleiterindustrie benötigt enorme Mengen. Gleichzeitig sorgen durch den Klimawandel bedingte Rekordtemperaturen für eine stärkere Nutzung von Klimaanlagen. In den vergangenen Jahren kam es zeitweise zu Blackouts bei der Stromversorgung.
Das Thema ist politisch von enormer Bedeutung für die Regierung. Denn eine funktionierende Stromversorgung genießt bei den Einwohnern einen sehr hohen Stellenwert. Das Stromnetz ist durch die Insellage isoliert. Um eine bessere Selbstversorgung mit Strom zu gewährleisten, fördert die Regierung seit 2016 im Rahmen des staatlichen Wachstumsprogramms 5+2-Innovative Industries Plan erneuerbare Energien als eine der Kernindustrien in Taiwan.
Regierung plant starken Ausbau erneuerbarer Energien
Die 2016 initiierte Neuausrichtung der Energiepolitik Taiwans hatte ursprünglich zum Ziel, bis 2025 rund 20 Prozent der Stromerzeugung durch alternative Quellen zu generieren. Noch 2018 zeichneten erneuerbare Energien für nur knapp 5 Prozent an der Erzeugung verantwortlich. Vor allem Solarstrom und der Ausbau der Windenergie werden dabei eine zentrale Rolle spielen. Im Gegenzug soll die Nutzung von Atomenergie bis 2025 auslaufen.
Besonderes Augenmerk wird auf den Ausbau von Offshore-Windkraft gelegt. Die Windbedingungen an der Ostküste Taiwans gelten aufgrund relativ flacher Gewässer und gleichzeitig hoher Windstärken als sehr attraktiv. Die erste Phase des Windenergieprogramms wurde 2015 gestartet und umfasste in erster Linie Demonstrationsanlagen. In der zweiten Phase wurden 2018 Kapazitäten von 5,5 Gigawatt vergeben. Bis 2025 sollen demzufolge 6,9 Gigawatt an Windkraftkapazitäten in Taiwan installiert sein – 5,7 davon offshore und 1,2 onshore.
Die Umsätze mit Windenergie sollen sich bis 2025 auf rund 2,5 Milliarden US-Dollar (US$) pro Jahr belaufen. Das Investitionsvolumen dafür soll fast 30 Milliarden US$ erreichen. Zahlreiche internationale Firmen zog es angesichts der offensiven Ausbauziele auf die Insel. Auch deutsche Entwickler und Lieferanten zeigen starkes Interesse und sind vor Ort aktiv. Allerdings hat die erste Anfangseuphorie internationaler Firmen im Bereich Offshore-Wind in Taiwan etwas nachgelassen.
Industrieverbände beklagen die schleppende Umsetzung des Ausbaus erneuerbarer Energien auf der Insel. In den vergangenen Jahren sorgten unter anderem die Coronakrise mit ihren Lieferkettenproblemen und Einreisebeschränkungen für Verzögerungen bei der Umsetzung des Programms. Die Regierung verschob daher ihre ursprünglich für 2025 anvisierten Ausbauziele um mindestens ein Jahr.
Dritte Ausbaustufe 2021 gestartet
Mitte 2021 startete die Regierung mit der dritten Ausbaustufe des Offshore-Programms. Es sieht weitere 15 Gigawatt an Kapazitäten für den Zeitraum 2026 bis 2035 vor. Die Ausschreibungen begannen im Dezember 2022. Es wurden dabei 3 Gigawatt zur Verfügung gestellt, die zwischen 2026 und 2027 ans Netz gehen sollen. Die nächste Auktion ist für Ende 2023 geplant mit weiteren 3 Gigawatt für die Anschlussjahre 2028 und 2029.
Das Ziel der taiwanischen Regierung ist, mittelfristig eine eigene Industrie mit vollständigen Lieferketten im Bereich Offshore-Windkraft aufzubauen und das Know-how auch in Drittmärkte zu exportieren. Die Voraussetzungen hierfür sind gut, da Taiwan über eine breite technologische Basis aufgrund der weit entwickelten Elektronikindustrie und über eine starke Innovationskraft verfügt. Experten sehen die starken Lokalisierungsbestrebungen der taiwanischen Regierung allerdings kritisch. So wird befürchtet, dass die hohen geforderten lokalen Anteile zu Problemen bei der Qualität, der Verfügbarkeit der Produkte und weiter steigenden Preisen führen könnten.
Neben der Windkraft können weitere Impulse aus dem Fotovoltaikbereich kommen. Dieser soll künftig sogar mit rund zwei Drittel den Löwenanteil der erneuerbaren Energien in Taiwan stemmen. Experten gehen ebenfalls davon aus, dass der Ausbau von Smart-Grid-Lösungen und eine Dezentralisierung des Stromnetzes in den kommenden Jahren von Nöten sein wird, um weitere Stromausfälle zu vermeiden.
Von Alexander Hirschle
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