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Branchen | Thailand | Elektronik

Alternativstandort zu China, aber eigene Lieferketten fehlen

Thailands Elektronikbranche boomt. Erste Hersteller verlagern Produktionen aus China, um US-Importhürden zu umgehen. Doch der Standort hat auch seine Tücken.

Von Frank Malerius | Bangkok

Der Elektroniksektor hat für Thailand eine große Bedeutung. Die Branche trägt etwa 13 Prozent zur Industrieproduktion bei und erwirtschaftet sogar die mit Abstand größten Exporterlöse. Im Jahr 2023 führte die Elektronikindustrie Waren im Wert von 46,2 Milliarden US-Dollar (US$) aus. Das war ein Plus von fast 30 Prozent gegenüber 2019. 

Mehr als 90 Prozent der inländischen Produktion sind für den Export bestimmt. Davon geht mehr als ein Viertel in die USA, ein Viertel geht nach Hongkong und China. Die ASEAN und die EU kommen zusammen auf ein weiteres Viertel. 

Keine eigene Hochtechnologie  

Die Branchenfirmen in Thailand produzieren im Rahmen von  sogenannten "Electronic Manufacturing Services" meist Massenware, die Kunden aus diesen Ländern beauftragen. Die größten Hersteller in Thailand sind internationale Elektronikkonzerne wie Samsung, Panasonic, HP oder Western Digital, aber auch kleine und mittlere Hersteller sind aktiv. Sie sind in mehreren Clustern zu finden.  

Ihr wichtigstes Produkt sind Computerfestplatten (Hard Disk Drives, HDD). Danach kommen Integrierte Schaltkreise (Integrated Circuits, ICs), die mit Halbleiterbauelementen wie Dioden oder Transistoren bestückt werden, und elektronische Komponenten, die in Autos, Laptops, Handys oder Haushaltswaren eingebaut werden.  

Die Elektronikbranche ist mit ihren Schwerpunkten HDDs und ICs überwiegend im sogenannten Midstream-Sektor angesiedelt. Im Downstream-Bereich werden Klimaanlagen, Büro- und Haushaltselektronik hergestellt. Es ist jedoch kaum gelungen, einen wertschöpfungsstarken vorgelagerten Upstream-Sektor mit Halbleiterdesign oder Produktionen von Wafern aufzubauen. Mit dieser arbeitsintensiven, einfachen Produktionsstruktur steht der Standort in harter Konkurrenz zu anderen Ländern mit günstigen Arbeitskräften.

Sanktionen wirken sich indirekt aus

Der Handelskrieg zwischen den USA und China könnte die Elektronikindustrie aber weiter anschieben. Denn viele US-Unternehmen kaufen keine in der Volksrepublik oder von chinesischen Unternehmen im Ausland produzierten Elektronikgüter mehr ein. Teils greifen sie noch stärkeren Importbeschränkungen vor, die die nächste US-Regierung möglicherweise verhängen wird. Und auch Indien verhängt seit April 2024 Importzölle von 25 Prozent auf Leiterplatten aus China. Diese Änderungen treffen einen extrem preissensiblen Markt, in dem schon geringe Zollanhebungen zu erheblichen Verwerfungen führen.

Thailand gilt neben Vietnam, Malaysia und den Philippinen als ein Alternativstandort zu China, denn diese vier Länder verfügen über die größten Elektronikbranchen im ASEAN-Raum. Sie sind aber selbst zusammengenommen ein Zwerg im Vergleich zum Giganten aus den Norden, der mehr als die Hälfte der weltweiten Branchenproduktion auf sich vereinigt.

Die Lieferkette bleibt in China

Eine Produktionsverlagerung aus China heraus birgt zudem Herausforderungen. Ein überwiegend in China tätiger deutscher Produzent von Leiterplatten, der kürzlich auch eine Fertigung im nordöstlich von Bangkok gelegenen Prachinburi aufgebaut hat, nennt vor allem eine Schwierigkeit: Es gibt kaum Zulieferer vor Ort. Vorprodukte wie Basismaterialien, Lötstopplack oder Kupferfolie müssen aus China bezogen werden. Daher verbleiben drei Viertel der Lieferkette weiterhin in China. Allerdings hofft das Unternehmen, dass unter anderem taiwanesische Zulieferer Produktionen in Thailand aufbauen.

Ein erster Schritt könnte eine Fabrik für Spezialchemie der chinesischen Firma Yuzhuo Fine Chemical sein, deren Chemie für die Produktion Integrierter Schaltkreise benötigt wird. Standort ist der 304 Industrial Park in der Provinz Prachinburi.

Ein deutsch geführtes Unternehmen, das im thailändischen Eastern Economic Corridor eine Bestückung von Leiterplatten gestartet hat, muss seine elektronischen Komponenten ebenfalls überwiegend aus der Volksrepublik beziehen. Bis vor Ort eine Lieferkette für die Elektronikindustrie breit aufgestellt sei, dürften Jahre vergehen, heißt es. Dieser Schritt ist für die Zukunft des Elektronikstandorts entscheidend, weil Käufe von Vorprodukten den größten Kostenblock ausmachen.

Niedrigere Löhne und geringe Produktivität

Der deutsche Fabrikeigner aus Prachinburi beschreibt weitere Probleme: Wenn eine Maschine ausfällt, gibt es anders als in China, nicht innerhalb von 24 Stunden Ersatz. Stattdessen kann es passieren, dass die Produktion in dem betroffenen Bereich mehrere Tage stillsteht. 

Zudem seien qualifizierte Arbeitskräfte wie Ingenieure schwierig zu finden. Die Angestellten arbeiteten zudem eher reaktiv und schauen wenig voraus. Sie seien aber loyal und die Löhne fallen etwas niedriger aus als in China. Allerdings ist auch die Produktivität geringer und durch den Import der Vormaterialien seien die Gesamtkosten in Thailand etwa 15 Prozent höher als im Reich der Mitte.

Pluspunkt sei dagegen die professionelle Arbeit der thailändischen Investitionsförderstelle Board of Investment (BOI). Sie ermöglicht einen zügigen Aufbau der Produktion und fördert Ansiedlungen der Elektronikbranche mit Steueranreizen.

Ein wichtiger Lieferant für Deutschland

Thailand gehört zu Deutschlands zehn wichtigsten Lieferanten von Elektronik. Im Jahr 2023 kamen 3 Prozent der deutschen Branchenimporte aus dem Königreich, bei Halbleiterbauteilen waren es sogar 6 Prozent. Selbst Experten wissen aber nicht genau, in welchen Branchen und bei welchen Anwendungen die in Thailand gefertigten Komponenten schlussendlich zum Einsatz kommen. Die deutsche Automobilindustrie dürfte ein großer Abnehmer sein.

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