Wirtschaftsausblick | Thailand
Kommt Thailands Wirtschaft wieder in die Gänge?
Die Wirtschaft in Thailand wächst nur noch langsam. Die Regierung stellt Geldgeschenke in Aussicht und wirbt für Investitionen. Deutsche Unternehmen sind zurückhaltend.
19.07.2024
Von Thomas Hundt | Bangkok
Top-Thema: Regierung versucht den Wachstumsmotor anzuwerfen
Die thailändische Regierung möchte die Konjunktur über staatlich finanzierte Impulse in Schwung bringen. Das Finanzministerium soll seine Gelder zügiger als in der Vergangenheit ausgeben. Die Wahlen im Mai 2023 mit einer späten Regierungsbildung haben neue Ausgaben verzögert. Sowohl die öffentlichen Investitionen als auch der öffentliche Konsum waren 2023 preisbereinigt jeweils um 4,6 Prozent abgesackt.
Auch ein Wahlversprechen der Partei von Premierminister Srettha Thavisin soll im 4. Quartal 2024 eingelöst werden. Der Staat schenkt demnach allen Bürgern über 16 Jahren einmalig 10.000 Baht, umgerechnet rund 270 US-Dollar (US$).
Ökonomen zweifeln, ob das Geldgeschenk – wie erhofft – den Konsum nachhaltig ankurbeln kann. Die Empfänger werden das Geld digital über eine staatliche App erhalten und dürfen es nur für Waren des täglichen Bedarfs ausgegeben. Besonders einkommensschwache Bürger sind allerdings hochverschuldet. Sie bräuchten langfristig angelegte Umschuldungsprogramme.
Das Finanzministerium will die benötigten 450 Milliarden Baht (circa 12 Milliarden US$) für das sogenannte "Digital-Wallet-Programm" aus den Haushalten 2024 und 2025 entnehmen. Das schränkt die Finanzmittel für Sozialausgaben und Investitionen ein. Falls der Staat zusätzlich Schulden aufnehmen sollte, ist das Kreditrating des Schwellenlandes gefährdet. Die öffentliche Gesamtverschuldung beträgt derzeit 62 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).
Das Problem liegt tiefer
Thailand hat im 1. Quartal 2024 mit 1,5 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode das geringste reale Wirtschaftswachstum in ganz Südostasien gemeldet. Die neue Regierungskoalition, die seit September 2023 im Amt ist, zeigt sich alarmiert.
Die schwache Wirtschaftsleistung ist aber keine Überraschung. Innerhalb der Region ist Thailand beim BIP-Wachstum schon seit mehreren Jahren das Schlusslicht. Thailands Wirtschaftsmodell muss seit Längerem neu aufgestellt werden.
Die angestrebte Transformation der Wirtschaft erfordert nicht nur kurzfristig angelegte Ausgabenprogramme, sondern gezielte Investitionen, um Infrastruktur und Rahmenbedingungen zu verbessern. Viele Firmen benötigen zum Beispiel mehr Strom aus erneuerbaren Energien, weil sie klimaneutral produzieren wollen. Zudem muss das Bildungswesen reformiert werden, die Betriebe klagen über den Mangel an Fachkräften. Insgesamt werden sich die Probleme auf dem Arbeitsmarkt verschärfen, denn die Gesellschaft wird immer älter und die Zahl der verfügbaren Erwerbspersonen schrumpft.
Wirtschaftsentwicklung: Private Investitionen schwächeln
Die Zentralbank prognostizierte im April 2024, dass das BIP über das gesamte Jahr real um 2,6 Prozent zulegen werde. 2025 soll sich der Zuwachs auf 3 Prozent beschleunigen. Die Bank geht davon aus, dass die Bruttoanlageinvestitionen, vor allem die des Staates, kräftig anziehen.
Allerdings machen die Investitionen der thailändischen Unternehmen den größten Teil der gesamten Bruttoanlageinvestitionen aus. Deren Investitionsbereitschaft ist gedämpft, denn das verarbeitende Gewerbe schrumpft seit dem 4. Quartal 2022 kontinuierlich. Die Kapazitäten der Industriebetriebe sind immer weniger ausgelastet. Deshalb werden die Firmen ihre Produktionsanlagen kaum noch erweitern, sondern lediglich instand halten.
Der thailändische Baht verlor im 1. Halbjahr 2024 gegenüber US-Dollar, Euro und Renminbi an Wert. Exportgeschäfte wurden dadurch günstiger. Trotzdem waren die thailändischen Ausfuhren im 1. Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rückläufig, statt wie erhofft zu steigen.
Die drei wichtigsten Wirtschaftszweige Nahrungsmittel-, Kfz- und Elektroindustrie sind stark von ausländischen Märkten abhängig. Sie exportieren über die Hälfte ihrer Produkte. Um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, müssten sie mehr investieren.
Obwohl Premierminister Srettha als selbsternannter "Salesman" im Ausland um mehr Investitionen wirbt, ziehen andere Länder in Südostasien mehr internationales Kapital an. Der Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen fiel 2023 mit 3 Milliarden US$ schwächer aus als in den Vorjahren. Deutsche Unternehmen investierten in Thailand im selben Jahr rund 180 Millionen US$, 2022 waren es noch 535 Millionen US$ gewesen.
Deutsche Perspektive: Firmen haben gemischte Erwartungen
Gemäß einer Umfrage der Auslandshandelskammer in Bangkok schätzten deutsche Unternehmen im Frühjahr 2024 ihre Geschäftslage gedämpfter ein als im Vorjahr. Bei ihren Konjunkturerwartungen und Investitionsabsichten halten sich positive und negative Stimmen die Waage. Als größte Risiken bezeichnen sie die geringe Nachfrage, gefolgt vom Fachkräftemangel und unsicheren Rahmenbedingungen.
Thailand wird auch künftig ein attraktiver Absatzmarkt für Maschinen und industrielle Vorprodukte bleiben. Die Industriebetriebe importieren bereits zahlreiche Vorprodukte und Ausrüstungen, auch aus Deutschland. Derzeit achten sie aber besonders auf ihre Kosten, was die Chancen für hochwertige Zulieferungen schmälert.
Im Durchschnitt über alle Warengruppen sackten die deutschen Lieferungen im 1. Quartal 2024 um 14 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode ab. Während in dem Zeitraum knapp ein Viertel der Gesamtimporte Thailands aus China kam, schrumpfte der deutsche Anteil auf 1,7 Prozent. Im Jahr 2023 lieferte Deutschland Waren im Wert von 5,3 Milliarden Euro nach Thailand, 2,6 Prozent weniger als 2022.
Hoffnung für freien Handel
Die deutsche Wettbewerbsposition könnte sich gegenüber der asiatischen Konkurrenz künftig verbessern. Die EU und Thailand verhandeln seit September 2023 über ein Freihandelsabkommen, das den Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie Investitionen erleichtern soll. Thailand geht ambitioniert in die Gespräche und möchte die Verhandlungen schon 2025 abschließen.
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