Wirtschaftsausblick | Thailand
Thailands Wirtschaft wächst im regionalen Vergleich nur langsam
Ein staatliches Helikoptergeld befeuert die Konjunktur – allerdings nur kurzfristig. Das Wirtschaftswachstum bleibt das schwächste unter den Schwellenländern Südostasiens.
13.12.2024
Von Frank Malerius | Bangkok
Top-Thema: Geldgeschenke sollen den Konsum ankurbeln
Thailand leidet seit 2019 unter einer schwachen Konjunktur. Selbst nach der Coronakrise gab es keine größeren Nachholeffekte. Die Wachstumsraten der Wirtschaft in dem Königreich sind deutlich geringer als die der boomenden Nachbarn Vietnam, Philippinen, Indonesien und Malaysia. Aus Verzweiflung über die schwache Entwicklung verteilt die thailändische Regierung seit September 2024 Geldgeschenke an die Bevölkerung. Bis zu 50 Millionen Thais sollen über eine digitale App jeweils 10.000 Baht (circa 295 US-Dollar) erhalten. Die Maßnahme soll den privaten Konsum ankurbeln und kostet den Staat bis zu 15 Milliarden US$. Die einmalige Ausschüttung macht etwa 15 Prozent des Staatshaushalts aus und wird die Finanzen des Staates auch in den Folgejahren belasten.
Eine stabile Wirtschaftspolitik ist auch angesichts des anhaltenden Machtkampfes zwischen progressiven Kräften und alten Eliten fraglich. Denn der Erfinder der staatlichen Geldgeschenke, Premierminister Srettha Thavasin von der regierenden Pheu-Thai-Partei, wurde ein Jahr nach seinem Amtsantritt im August 2024 vom Obersten Gericht abgesetzt. Im selben Handstreich wurde die stärkste Partei der Parlamentswahlen vom Mai 2023, die Move Forward Party, aufgelöst. Das führende Personal bekam ein politisches Betätigungsverbot auferlegt.
Wirtschaftsentwicklung: Industrien weniger wettbewerbsfähig
Thailand gilt zwar als das am stärksten industrialisierte Land der ASEAN. Doch in vielen Bereichen ist es nicht gelungen, wertschöpfungsstarke Produktionen ins Land zu holen und entsprechende Lieferketten aufzubauen. Ein Beispiel ist die Elektronikindustrie. Sie erzielt zwar die mit Abstand größten und auch wachsende Exporterlöse, hängt aber überwiegend von importierten Vorprodukten ab. Anders als die Elektronikindustrie des Nachbarn Malaysia stellt sie kaum hochwertige Produkte her. Die geringe Wertschöpfung basiert auf einer günstigen Lohnfertigung.
Dieses Problem ist erkannt. Die staatliche Investitionsförderstelle Thailand Board of Investment (BOI) fördert daher Ansiedlungen von höherwertigen Produktionen. Der Standort steht dabei in einem harten regionalen Konkurrenzkampf um ausländische Investitionen. Insbesondere Vietnam ist bei der Anwerbung von Investitionen erfolgreicher.
Einfluss der neuen US-Regierung noch unklar
Die Demografie entwickelt sich zu einem weiteren strukturellen Problem. Die thailändische Gesellschaft altert und die Bevölkerungszahl beginnt zu schrumpfen. Das Medianalter liegt bereits bei 41 Jahren. Dadurch fehlen in weniger attraktiven Branchen Arbeitskräfte. Diese Lücken füllen Arbeitsmigranten aus den ärmeren Nachbarländern Kambodscha, Laos und vor allem aus Myanmar.
Noch ist unklar, welche Folgen eine neue US-Handelspolitik für Thailand haben wird. Die USA sind die wichtigste Destination der thailändischen Exporte, darunter macht Elektronik die größte Produktgruppe aus. Sollten darauf Zölle angehoben werden, könnten diese die thailändische Wirtschaft empfindlich treffen. Wenden die USA höhere Zölle hingegen vor allem auf Waren aus China an, könnte Thailand von einer Verlagerung von Produktionen aus China profitieren.
Hochverschuldete Haushalte kaufen weniger Autos
Als Aushängeschild der thailändischen Industrie gilt der Automobilsektor. Doch der befindet sich in einer Absatzkrise. Im Jahr 2024 sollen die Verkäufe gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Viertel einbrechen. Der Verkauf von konventionellen Pkw und Pick-ups könnte sogar um mehr als ein Drittel zurückgehen. Dagegen verzeichnet die Sparte der Elektroautos stabile Absatzzahlen. Insgesamt droht aber das schwächste Verkaufsjahr der letzten 20 Jahre.
Ein Grund für die Misere ist die hohe Verschuldung der privaten Haushalte. Daher vergeben Banken für große Anschaffungen weniger Kredite. Dieses Problem wird in den kommenden Jahren bestehen bleiben. An der extrem hohen Verschuldung der Bürger wird auch eine Intervention der Regierung wenig ändern, demnach können bestimmte Schuldnergruppen die Zahlung von Kreditzinsen für drei Jahre aussetzen.
Da auch die Auslandsnachfrage rückläufig ist, ging die Kfz-Produktion in den ersten zehn Monaten 2024 um 20 Prozent zum Vorjahreszeitraum zurück. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet die Branche das schwächste Produktionsjahr seit 2009. Zwei von drei produzierten Fahrzeugen werden exportiert.
Der gesamte thailändische Außenhandel steuert 2024 indes Rekordwerte an. Dabei werden die Warenlieferungen aus China einen neuen Rekordanteil an den gesamten Einfuhren erreichen.
Deutsche Perspektive: Exporte nach Thailand schwächeln
Gemäß einer Umfrage der Auslandshandelskammer in Bangkok schätzten deutsche Unternehmen im Herbst 2024 ihre Geschäftslage verhaltener ein als im Vorjahr. Bei ihren Konjunkturerwartungen und Investitionsabsichten halten sich positive und negative Stimmen nur noch die Waage. Als größte Risiken bezeichnen die Firmenvertreter die geringe Nachfrage, gefolgt vom Fachkräftemangel und der Wirtschaftspolitik.
Die deutschen Exporte nach Thailand werden 2024 im Vorjahresvergleich um etwa 5 Prozent sinken. Angesichts der schwachen deutschen Konjunktur gehen auch die Lieferungen aus Thailand zurück.
Hoffnung auf freien Handel
Die deutsche Wettbewerbsposition könnte sich gegenüber der asiatischen Konkurrenz aber verbessern. Denn die EU und Thailand verhandeln seit September 2023 über ein Freihandelsabkommen, das den Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie Investitionen erleichtern soll. Die Verhandlungen befinden sich schon in der vierten Runde und die thailändische Seite will das Abkommen 2025 abschließen. Beobachter sind skeptisch und rechnen damit, dass die Verhandlungen etwas länger dauern werden.
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