Branchen | Tschechische Republik | Schienenverkehr
Tschechien bereitet Hochgeschwindigkeitsstrecken vor
Die Planungen zu ersten Abschnitten des neuen Schienennetzes nehmen 2022 Fahrt auf. Die Einbeziehung ins transeuropäische Netz bringt Gelder der Europäischen Union ins Spiel.
11.02.2022
Von Miriam Neubert | Prag
Eine tschechische Abkürzung wird in den kommenden Jahren immer öfter zu hören sein: VRT. Sie steht für Vysokorychlostní trať, für Hochgeschwindigkeitsstrecke. Auch in der Beziehung zu Deutschland spielt der Hochgeschwindigkeitsverkehr durch die Planung der neuen Strecke von Prag nach Dresden eine wichtige Rolle.
Technische Planung läuft, Bau soll 2025 starten
Die tschechische Bahnverwaltung Správa železnic (SŽ) hatte 2021 erste Planungsarbeiten im Zusammenhang mit dem neuen Schienennetz vergeben. Im Januar 2022 wurden weitere technische Planungsleistungen ausgeschrieben. Geht es nach dem Verkehrsministerium, wird 2022 die Projektierung für insgesamt acht Abschnitte des künftigen Netzes anlaufen. Zudem soll die Baudokumentation für rund 300 Kilometer VRT vorbereitet werden. Daran schließen sich Vorarbeiten für die späteren öffentlichen Ausschreibungen der Bauarbeiten an.
Mit dem Bau der ersten Streckenteile soll es 2025 losgehen. Das Großprojekt wird bis 2040 auf mindestens 600 Milliarden Tschechische Kronen veranschlagt, umgerechnet circa 25 Milliarden Euro.
Zusammenarbeit mit Frankreichs Schienenbetreiber
Tschechien orientiert sich bei der Entwicklung der Infrastruktur an dem französischen Hochgeschwindigkeitssystem und lässt sich von SNCF Réseau beraten, dem Betreiber des französischen Schienennetzes. Mit diesem hat SŽ 2021 für die kommenden acht Jahre einen Vertrag über die Zusammenarbeit unterzeichnet.
Das tschechische Hochgeschwindigkeitsnetz ist als Teil des Schnellfahrverkehrs (RS) geplant. Die Mindestgeschwindigkeit beträgt 200, die Betriebsgeschwindigkeit 320 Kilometer pro Stunde.
Die wichtigsten Strecken für das geplante Schnellzugsystem sind:
- RS 1 Prag - Brno - Přerov - Ostrava - Katowice
- RS 2 Brno - Břeclav - Wien/Bratislava
- RS 3 Prag - Plzeň - Domažlice - Bayern (konventionelle Strecke mit höheren Geschwindigkeitsparametern)
- RS 4 Prag - Ústí nad Labem - Dresden
- RS 5 Prag - Breslau
Im Rahmen dieses Systems werden folgende Hochgeschwindigkeitstrassen vorbereitet:
- RS 1 VRT Prag - Brno - Ostrava
- RS 2 VRT Brno - Šakvice
- RS 4 VRT Prag - Ústí nad Labem - Dresden und Abzweigung Bříza - Most
- RS 5 VRT Prag - Hradec Králové - Breslau
Hochgeschwindigkeit als politische Priorität
Anfang 2022 hat das Verkehrsministerium die Machbarkeitsstudien für die VRT Prag - Brno - Břeclav und die VRT Brno - Přerov - Ostrava genehmigt. Zusammen mit der bereits Ende 2020 verabschiedeten Durchführbarkeitsstudie des tschechischen Teils der VRT Prag - Dresden liegt damit die wirtschaftliche Begründung für das Hauptnetz vor.
Die neue Koalitionsregierung betont in ihrer im Januar 2022 vorgestellten programmatischen Erklärung die politische Priorität der Hochgeschwindigkeitsstrecken. Ein Gesetz wird ihren Bau sicherstellen. Bei der Vorbereitung der Schlüsselbauten für die ersten Abschnitte sollen in dieser Legislaturperiode deutliche Fortschritte erzielt werden. Es geht um die Strecken von Prag nach Dresden, von Prag über Jihlava nach Brno, von Prag nach Ostrava und von Brno nach Wien.
Generell finden alle Vorbereitungen der tschechischen Trassen in enger Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern statt. Bei der Hochgeschwindigkeitstrasse Richtung Deutschland ist es die DB Netz. Der gemeinsame Planungsraum umfasst den Erzgebirgstunnel und etwa 500 Meter angrenzende Strecken auf deutscher und tschechischer Seite. Die Trassen östlich von Prag werden als Teil der Verbindung zu weiteren Hauptstädten mit Polen, der Slowakei und Österreich ebenfalls bilateral behandelt.
In weniger als einer Stunde von Prag nach Dresden
Die Neubaustrecke von Prag nach Dresden soll die Fahrtzeit von zweieinhalb Stunden auf unter eine Stunde reduzieren. Sie beinhaltet einen mindestens 25 Kilometer langen grenzüberschreitenden Tunnel, davon 14 Kilometer auf deutscher und 11 Kilometer auf tschechischer Seite. Im Juli 2021 haben die Projektpartner DB Netz und SŽ den Zuschlag für die Planungsleistungen in dem grenzübergreifenden Planungsraum an die Ingenieurgemeinschaft ILF Consulting Engineers mit BUNG Ingenieure/iC-Gruppe und Valbek&Prodex vergeben. Diese analysiert die geologischen Unterlagen und ermittelt mögliche Verläufe für den Volltunnel und Teiltunnelungen. Erste Ergebnisse werden im 2. Quartal 2022 erwartet.
Bei den 2021 begonnenen Planungsarbeiten geht es der Eisenbahnverwaltung SŽ zufolge neben dem Erzgebirgstunnel um die VRT Jižní Morava zwischen Modřice und Šakvice und die VRT Polabí zwischen Prag und Poříčany. Ende 2021 folgten weitere Vergaben. Mehrere Ausschreibungen laufen noch. Die Gewinner bereiten neben der Baudokumentation und der Dokumentation für die Gebietsentscheidung auch jeweils die Unterlagen für die Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Alle planungsrelevanten Schritte sind im digitalen Verfahren Building Information Modeling darzustellen.
Strecke | Summe2)/Auftrag/Laufzeit | Stand |
---|---|---|
RS 4 VRT Praha/Balabenka - sjezd Lovosice | 9,4 Mio. Euro/Erarbeitung der Dokumentation für Gebietsentscheidung, Bau und Umweltverträglichkeitsgutachten (UVP), Erarbeitung im Regime BIM/22 Monate | Abgabefrist bis 9.3.2022 |
RS 1 VRT Velká Bíteš - Brno | 12,3 Mio. Euro/Erarbeitung der Dokumentation für Gebietsentscheidung, Bau, UVP/26 Monate | Abgabefrist bis 28.2.2022 |
RS 1 VRT Poříčany - Světlá nad Sázavou | 20,5 Mio. Euro/ Erarbeitung der Dokumentation für Bau, UVP, Erarbeitung im Regime BIM/14 Monate | Abgabefrist bis 29.3.2022 |
RS 4 Dresden - Prag, Abschnitt Ústí nad Labem - Staatsgrenze Tschechien/Deutschland | Ermittlung des Umfangs der geodätischen Arbeiten, die für Unterlagen der Projektvorbereitung der VRT genutzt werden | Abgabefrist endete am 20.12.2021; Auswertung |
Terminal Roudnice nad Labem als Teil der RS 4 VRT Praha/Balabenka - sjezd Lovosice | 1,1 Mio. Euro/Architekturwettbewerb | Auswertung |
RS 1 VRT Prosenice - Ostrava/Svinov, II. Teil, Hranice na Moravě - Ostrava/Svinov | 9,9 Mio. Euro/Erarbeitung der Dokumentation für Gebietsentscheidung, Bau und UVP | Auftrag Ende 2021 vergeben an Moravia Consult Olomouc, Sudop Brno und Metroprojekt Praha |
RS 1 VRT Prosenice - Ostrava/Svinov, I. Teil, Prosenice - Hranice na Moravě | 5,7 Mio. Euro/Erarbeitung der Dokumentation für Gebietsentscheidung, Bau und UVP | Auftrag vergeben im Dezember 2021 an AFRY CZ, AF-Infrastructure AB, Sagasta |
RS 2 VRT Modřice - Šakvice | 5,3 Mio. Euro/Erarbeitung der Dokumentation für Entscheidung über den Streckenverlauf, für Bau und UVP | Auftrag vergeben Anfang September 2021 an Konsortium aus Valbek, Mott McDonald CZ, Egis Rail |
Neuer Terminal Praha východ (Ost) als Teil des ersten VRT-Abschnitts und als Umstiegsknoten zwischen VRT Praha - Brno und VRT Praha - Hradec Králové | Wettbewerb des Architektur-Urbanistischen Entwurfs | Entscheidung des Preisgerichts am 9.12.2020 für MP + ov Nehvizdy 2020 in Vertretung von Metroprojekt Praha |
RS 1 VRT Praha/Běchovice - Poříčany | 8,8 Mio. Euro/Dokumentation für Entscheidung über den Streckenverlauf, Bau und UVP | Vergabe am 22.12.2020 an Sudop Praha, Mott MacDonald CZ, Egis Rail |
Finanzierung über die Fazilität Connecting Europe
Beflügelt wird der Bau dadurch, dass die Europäische Kommission im Rahmen der Revision des Transeuropäischen Transport-Netzwerks (TEN-T) weitere Abschnitte des tschechischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs (und zusätzlich auch wichtige Güterschienenstrecken) in das Hauptnetz mit aufnehmen will. Das erlaubt es, die Projekte über die Connecting Europe Facility (CEF) mit hoher Förderpriorität zu kofinanzieren. Es geht um die geplante Hochgeschwindigkeitstrasse Via Vindobona Berlin - Prag - Wien und die Strecke Wien - Ostrava.
Im ersten Fall betrifft es in Tschechien die VRT-Verbindungen von Lovosice über Prag bis Světlá nad Sázavou und von Velká Bíteš bis Břeclav. Diese erhalten dadurch höchste Finanzierungspriorität, müssen aber bis Ende 2030 fertig sein. Der Abschnitt Světlá nad Sázavou - Velká Bíteš gehört zum erweiterten Hauptnetz. Termin ist hier Ende 2040, doch kann die Finanzierung bereits beginnen. Im zweiten Fall betrifft es in Tschechien die Strecke Brno - Přerov - Ostrava.