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Spanien und Portugal modernisieren ihre Bahninfrastruktur
Die iberischen Nachbarländer investieren massiv in Ausbau und Modernisierung ihrer Bahnnetze und Bahninfrastruktur. Gute Nachrichten auch für deutsche Unternehmen.
09.04.2024
Von Oliver Idem | Madrid
Mit großen Investitionen auf der iberischen Halbinsel entstehen auch neue Geschäftschancen für deutsche Unternehmen. Die Auslandshandelskammern in Portugal und Spanien sehen diese insbesondere für Hersteller von Leit- und Sicherungstechnik sowie für Firmen aus den Bereichen Gleisbau, Weichen und Elektrifizierung. Benötigte Ingenieurdienstleistungen umfassen die Planung, Produktentwicklung, das Engineering sowie nachhaltige Mobilitäts- und integrierte Systemlösungen.
Für die geplanten und laufenden Erweiterungen und Modernisierungen wollen Spanien und Portugal auch Finanzhilfen aus dem Programm NextGenerationEU nutzen.
Zahlreiche Schienenprojekte bis 2030 geplant
Die Projektpipeline auf der iberischen Halbinsel ist bis mindestens 2030 gut gefüllt. In den nächsten Jahren stehen Vorhaben unterschiedlicher Größenordnung an. Hierbei ragt der Atlantikkorridor als multimodales Infrastrukturprojekt heraus. Verbindungen von Häfen auf der iberischen Halbinsel bis nach Mannheim sowie Straßburg und Le Havre in Frankreich werden entstehen. Das wichtigste fehlende Teilstück im Süden ist die Verbindung von Lissabon nach Madrid. Herausforderungen bei der Realisierung des Korridors sind unterschiedliche Spurweiten, die Elektrifizierung sowie die Signaltechnik.
Das andere europäische Gemeinschaftsprojekt, der Mittelmeerkorridor, wird von Spanien bis in den Nordosten Ungarns führen. Die multimodale Anbindung spanischer Häfen und der Umgang mit unterschiedlichen Spurweiten im Schienenverkehr gehören zu den wichtigsten Aufgaben.
Zudem werden die Wirtschaftszentren Porto in Portugal und Vigo in Nordspanien durch Schienenprojekte enger verzahnt. Schließlich sollen bis 2030 die Hauptstädte Madrid und Lissabon mit einer Hochgeschwindigkeitsstrecke verbunden werden.
Spanien will den Schienengüterverkehr stärken
Eine moderne Bahninfrastruktur und eine bessere Vernetzung mit der Infrastruktur anderer Länder stehen auf der politischen Agenda bis 2026. Der bislang kaum relevante Schienen-Güterverkehr soll gestärkt und die Betriebssicherheit verbessert werden. Um dies zu erreichen, setzt die Regierung auf Digitalisierung und Innovationen.
Bereits die begonnene Liberalisierung des Schienenverkehrs führte zu einem starken Preiswettbewerb mit hoher Attraktivität für Fahrgäste. Nach dem Ende der Covid-Pandemie stiegen die Fahrgastzahlen und befristete Subventionen für Bahnfahrten von Jugendlichen und Pendlern wurden eingeführt. Zur Entlastung der Städte strebt die Regierung die Modernisierung und den Ausbau des Nah- und Regionalverkehrs an.
Verkehrsministerium treibt Pläne zügig voran
Das Ministerium für Verkehr und nachhaltige Mobilität kündigte im März 2024 an, den Masterplan für den Mittelmeer- und den Atlantikkorridor zu überarbeiten und beide Schienenprojekte beschleunigen zu wollen. Sobald die Europäische Union die Pläne bestätigt hat, sollen diese veröffentlicht werden. Anfang März 2024 hatte das Ministerium bereits Ausschreibungen im Gesamtwert von 6 Milliarden Euro für den Atlantikkorridor genehmigt.
Darüber hinaus forciert das Verkehrsministerium Arbeiten zwischen Burgos und Vitoria-Gasteiz sowie die Elektrifizierung der Strecke Salamanca-Fuentes de Oñoro. Weitere Verbindungen sollen modernisiert und Machbarkeitsstudien für verschiedene neue Projekte erstellt werden. Die Arbeiten am Hochgeschwindigkeitsnetz werden durch den Ausbau von drei der wichtigsten Bahnhöfe des Landes flankiert. Das betrifft die beiden "Hauptbahnhöfe" Atocha und Chamartín in Madrid sowie Sants in Barcelona.
Der Güterverkehr wird in Spanien vorwiegend über die Straßen abgewickelt. Die Bahn besitzt jedoch ein hohes Entwicklungspotenzial. Auf der politischen Agenda steht daher die Anbindung der Häfen an das Schienennetz. Allerdings konnte bis Mitte März 2024 noch kein Staatshaushalt für das laufende Jahr verabschiedet werden.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Anmerkungen/Projektstand | Projektträger |
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Schnellzuglinien zwischen Murcia-Almeria und Granada | 6.743 | Ausbau des Mittelmeer-und Atlantik-Bahnkorridors; schrittweise Ausschreibungen. | ADIF; Laufende Aufträge online abrufbar |
Schnellzuglinien zwischen Santander und Bilbao | 2.500 | 100 km Strecke zur Verbindung beider Städte mit dem Mittelmeer-Korridor; in der Planungsphase; Gemischte Nutzung für den Güter- und Personenverkehr vorgesehen. | ADIF; Laufende Aufträge online abrufbar |
Modernisierung der Bahnstrecken rund um den Hafen Puerto de Algeciras (Andalusien) | 1.000 | Zwei wichtige Aktionspläne: Elektrifizierung der Bahnlinie Algeciras-Boadilla, um die Zuggeschwindigkeit steigern zu können, und die Anpassung der Bahnstrecke Algeciras-Zaragoza nach den Bedürfnissen des Güterverkehrs. Geplante Fertigstellung ist 2027. | ADIF; Laufende Aufträge online abrufbar |
Untertunnelung der Linien R2 und R4 der Regionalbahn von Katalonien (Rodalies de Catalunya) | 1.000 | Es sollen 5,1 km des regionalen Bahnnetzes untertunnelt und ein intermodaler Bahnhof in Hospitalet (Barcelona) gebaut werden. Die Bauarbeiten haben bei der Gemeinde Montcada begonnen. | Laufende Aufträge des katalanischen Nahverkehrs online abrufbar |
Unterirdische Bahnverbindung zwischen den Hauptbahnhöfen der Stadt Madrid Chamartín (Norden) und Atocha (Süden) | 452 | Die neue Infrastruktur soll das südliche und nördliche Hochgeschwindigkeitsnetz Spaniens verbinden. Die Fertigstellung ist für 2030 vorgesehen. | Auftragsgewinner: Baufirmen ACS, SANJOSE, und Puentes in Konsortium |
Verlängerung der Nahverkehrslinie L8 Llobregat-Anoia des Betreibers Ferrocarrils de la Generalitat von Katalonien | 400 | Die Bauarbeiten an 4 km Tunnel und drei neuen Bahnstationen haben begonnen, geplante Fertigstellung ist 2029. | Auftragsgewinner: Ferrovial, Sacyr, Copcisa und Copisa |
Dreh- und Angelpunkt der Bahninfrastruktur ist der staatliche Betreiber ADIF. Mit der Plattform Contrataciones del Estado existiert eine zentrale Basis für Ausschreibungen. Dabei können Vergabeverfahren langwierig sein. In Spanien existiert eine etablierte Konkurrenz durch die lokale Bahnindustrie. Durch die hohe Zahl von Auftragsvergaben ist der zu verteilende Kuchen aber auch größer als üblich. Damit gehen auch bessere Chancen für deutsche Anbieter einher.
Das gesamte Bahnnetz in Spanien ist circa 15.600 Kilometer lang. Davon weisen 72 Prozent die iberische Spurweite von 1.668 Millimetern auf. Zudem verfügt das Land über ein Hochgeschwindigkeitsnetz mit der international gängigen Spurweite von 1.435 Millimetern. Mit einer Länge von 4.000 Kilometern belegt Spanien international einen Spitzenplatz.
Portugal modernisiert sein Schienennetz
Portugal setzte während der eigenen EU-Ratspräsidentschaft 2021 auch die Eisenbahninfrastruktur auf die europäische Agenda. Neben dem Ausbau spielt im eigenen Land die Modernisierung der Netze eine wichtige Rolle. Mehr Effizienz soll Fahrtzeiten verkürzen. Auch die Sicherheit wird berücksichtigt. Konkret geht es um elektronische Signalanlagen und die Elektrifizierung von Strecken.
In Portugal dominiert das Auto klar als Verkehrsmittel Nummer eins. Nach der überwundenen Pandemie nutzen aber auch immer mehr Menschen den Schienenverkehr, vor allem in den Städten. Im Güterverkehr zeigt der Nachfragetrend ebenfalls nach oben.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Anmerkungen/Projektstand | Projektträger |
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Neue Schnellzuglinie Porto- Lissabon | maximal 1.661 | Erste Teilstrecke zwischen Porto und Oiã (71 km) | Es handelt sich um ein Konzessionsprojekt über 30 Jahre, 5 Jahre für den Infrastrukturbau und den Rest für den Betrieb. Ausschreibung Veröffentlichung im portugiesischen Amtsblatt. Angebotsangabe bis 13.06.2024. Auftraggeber: Infaestructuras de Portugal |
Metro Porto Linienerweiterung (Linha Amarela) und Neubau (Linha Rosa) | 765 | Linha Rosa und Linha Amarela im Bau bis Ende 2024 Linha Rubí (Casa de Música-Santo Ovidio) und Linha BRT Boavista-Império im Bau bis 2025 | Auftragnehmer: Baukonsortium Ferrovial/ACA. Finanzierung von Linha Rosa und Amarela teilweise durch EU-Kohäsionsprogramm POSEUR. Linha Rubí und BRT sind in den Plano de Recuperação e Resiliência (PRR) einbezogen. |
Corredor Internacional Sul (internationaler Südschienenkorridor) Strecke Évora-Elvas (Endstation Caia) | 530 | Strecke Freixo-Alandroal (20,5 km) und Strecke Alendroal-Elvas (38,5 km) im Bau, Fertigstellung 2024 | Auftragnehmer: Mota Engil, Sacyr Infraestructuras-Somague; Projekt zur Verbindung des Hafen Sines und Portugals Süden mit dem Rest Europas; Teil von Ferrovia 2020 |
Neue Stadtbahnlinie "Linha Violeta" in Lissabon/ Metro Lissabon | 527 | Vor Bekanntmachung der Ausschreibung; Geplante Inbetriebnahme 2026 | Neue Stadtbahnlinien mit 17 Bahnstationen und 11 Kilometer Länge. Die Investitionssumme umfasst die Bahninfrastruktur und rollendes Material, Mitfinanzierung durch den Plano de Recuperação e Resiliência (PRR). |
Metro Lissabon Linienerweiterung (neue Ringlinie Linha Circular) | 210 | Im Bau bis Ende 2024 | Mitfinanzierung durch das EU- Kohäsionsprogramm POSEUR |
Mit der Ausschreibungsdatenbank BASE existiert eine zentrale Plattform. Oft sind die Fristen kurz und die Erstellung der notwendigen Unterlagen aufwendig. Hier kann die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner hilfreich sein.
Infraestruturas de Portugal (IP) verwaltet den Großteil des Schienennetzes im Land. Dieses ist insgesamt 3.622 Kilometer lang und weitgehend elektrifiziert. IP veröffentlicht im eigenen Internetauftritt umfangreiche Informationen zu aktuellen Vorhaben. Lokale Unternehmen mit Erfahrung bei Bahnprojekten sind beispielsweise Fergrupo und Somafel.