Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Löhne und Gehälter
Das Lohnniveau in Tschechien wächst wieder stärker als die Inflation. Zusatzleistungen und flexible Arbeitszeiten sind aber ebenso entscheidend für die Gewinnung von Fachkräften.
27.11.2024
Von Gerit Schulze | Prag
Ungeachtet der schwachen Wirtschaftsentwicklung legen die Löhne in Tschechien stark zu. Nach zwei Jahren Reallohnverlusten in Folge erwarten die Beschäftigten wieder satte Lohnzuschläge und können diese Ansprüche angesichts des Fachkräftemangels auch durchsetzen. Analysten weisen darauf hin, dass der reale Wert des tschechischen Durchschnittslohns im Herbst 2024 immer noch auf dem Niveau von 2018 lag.
Im 1. Halbjahr 2024 stieg der Durchschnittslohn real um 4,5 Prozent auf umgerechnet 1.800 Euro. Besonders hohe Zuschläge verzeichneten Beschäftigte der kommunalen Versorgungsbetriebe, im Logistiksektor und in der Verwaltung.
Für 2025 erwartet die Regierung einen Reallohnzuwachs von 4,2 Prozent und für 2026 von 3 Prozent. Spätestens 2026 dürfte der Durchschnittslohn in Tschechien die Marke von 50.000 Tschechischen Kronen (Kč) und umgerechnet 2.000 Euro überschreiten.
Mindestlohn soll schneller steigen
Beim Mindestlohn drückt die Regierung auf die Tube. Er soll sich künftig stärker am Lohnniveau im Land orientieren und bis 2029 mindestens 47 Prozent des Durchschnittslohns erreichen. Für 2025 wurde eine Schwelle von 42,2 Prozent festgelegt, was 20.800 Kč (rund 820 Euro) entspricht.
Für ausländische Beschäftigte, die im Rahmen von Regierungsprogrammen angeworben wurden, müssen Unternehmen ab Januar 2025 einen Mindestlohn von 30.000 Kč (1.200 Euro) zahlen. Derzeit liegt das Lohnniveau ausländischer Arbeitnehmer laut Medienberichten zwischen 23.000 und 26.000 Kč (900 bis 1.030 Euro).
Frauen verdienen deutlich weniger als Männer
Bemerkenswert ist, dass Tschechien in der EU Spitzenreiter beim Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern ist. Im "Global Gender Gap Index" des World Economic Forum belegt das Land Platz 104 von 146 Staaten. Das Lohnniveau der Frauen erreicht demnach bei gleicher Arbeit nur 60 Prozent des Wertes ihrer männlichen Kollegen. Tschechische Frauen arbeiten selten in Führungspositionen und müssen nach dem Mutterschutzurlaub auf der Karriereleiter häufig wieder unten beginnen. Außerdem treten sie bei Gehaltsverhandlungen weniger selbstbewusst auf als die Männer.
Löhne in Prag weit über Landesdurchschnitt
Regional sind die Lohnunterschiede in Tschechien relativ gering. Nur Prag sticht deutlich hervor, hier liegt das Lohnniveau um ein Viertel über dem Landesdurchschnitt. In der Stadt haben sich viele internationale Großunternehmen angesiedelt, die ihre Geschäfte in ganz Mittelosteuropa steuern und viele Expats beschäftigen. Außerdem ist die Moldaumetropole dank ihrer Lebensqualität und der vielen Hochschulen ein Zentrum der IT-Branche, die hohe Gehälter offeriert. Neben Prag ist die Umlandregion Mittelböhmen die einzige Region, in der die Löhne über dem Landesdurchschnitt liegen. Ein vergleichsweise hohes Lohnniveau weisen auch Tschechiens zweitgrößte Stadt Brno und ihr Speckgürtel auf.
Besonders niedrig sind die Löhne in den strukturschwachen Grenzregionen zu Sachsen wie Karlovy Vary oder Liberec. Auch die vom Strukturwandel betroffene Montanregion Mährisch-Schlesien hat noch ein recht niedriges Lohnniveau.
IT-Experten stark umworben
Die im Vergleich zu Deutschland geringen Einkommen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass für Spezialisten in bestimmten Branchen auch in Tschechien hohe Löhne gezahlt werden. Am meisten verdienen die Beschäftigten im IT- und Telekommunikationssektor sowie in der Finanzwirtschaft. Im IT-Bereich werden Hochschulabsolventen häufig gleich nach Ausbildungsende ohne Berufserfahrung mit hohen Einstiegsgehältern angelockt.
Branche | 1. Halbjahr 2024 (in Kč) | Veränderung 1. Halbjahr 2024 / 1. Halbjahr 2023 1) | 1. Halbjahr 2024 (in Euro) 2) |
---|---|---|---|
Durchschnittslohn | 44.900 | 6,9 | 1.800 |
Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei | 33.400 | 5,3 | 1.340 |
Bergbau | 48.800 | 7,2 | 1.950 |
Verarbeitendes Gewerbe | 44.500 | 7,8 | 1.780 |
Strom-, Gas-, Wärme- und Kälteversorgung | 73.500 | 4,8 | 2.940 |
Wasserversorgung, Abfallwirtschaft | 40.600 | 8,9 | 1.620 |
Baugewerbe | 37.900 | 7,7 | 1.520 |
Groß- und Einzelhandel, Reparatur von Kfz | 42.300 | 6,8 | 1.690 |
Transport und Lagerhaltung | 40.600 | 8,3 | 1.620 |
Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie | 26.500 | 7,9 | 1.060 |
Informations- und Kommunikationsleistungen | 83.000 | 6,7 | 3.320 |
Finanz- und Versicherungswesen | 79.800 | 5,7 | 3.190 |
Immobilienbranche | 42.400 | 4,4 | 1.700 |
Professionelle, wissenschaftliche, technische Tätigkeit | 55.900 | 7,4 | 2.240 |
Verwaltung, unterstützende Tätigkeit | 32.100 | 8,8 | 1.280 |
Die offiziellen Werte sind auch in Tschechien nur ein Teil der Wahrheit. Je nach Beruf und Spezialisierung, aber auch je nach Arbeitgeber können die Gehälter stark variieren. Ein gutes Bild der Situation erlaubt das Informationssystem ISPV. Es bildet quartalsweise den Median des Bruttomonatslohns in der gesamten Tiefe der Berufsklassifizierung ab. Dieser lag zur Jahresmitte 2024 bei 39.100 Kč (1.560 Euro). Das war in Euro gerechnet wegen der abgewerteten Landeswährung nur geringfügig mehr als ein Jahr zuvor.
Niederlassungen deutscher Firmen zahlen in der Regel höhere Löhne als im Landesdurchschnitt. Jeweils zum Jahresende fragt die Auslandshandelskammer in Prag (AHK Tschechien) bei ihren Mitgliedsunternehmen Angaben zu Gehältern in 80 Schlüsselpositionen, zu variablen Anteilen und Zusatzleistungen, Fluktuationsrate und Krankenquote ab. Die "Gehaltsbenchmark Tschechische Republik" liefert damit eine gute Orientierung für die Planung der Geschäfte im Land.
Stellenbezeichnung (Klassifizierung nach CZ-ISCO, Klasse) | 1. Halbjahr 2024 (in Kč) | Veränderung 1. Halbjahr 2024 / 1. Halbjahr 2023 1) | 1. Halbjahr 2024 (in Euro) 2) |
---|---|---|---|
Durchschnittslohn (insgesamt) | 48.000 | 7,6 | 1.920 |
Führungskraft (1) | 118.200 | 7,5 | 4.730 |
Personal mit akademischer Ausbildung (2) | 78.200 | 7,7 | 3.120 |
Techniker:in (3) | 51.100 | 7,1 | 2.040 |
Unterstützende Bürokraft (4) | 37.600 | 6,6 | 1.500 |
Dienstleistungs- und Verkaufskraft (5) | 31.500 | 6,9 | 1.260 |
Fachkraft in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft (6) | 33.800 | 5,3 | 1.350 |
Handwerker:in (7) | 40.300 | 6,4 | 1.610 |
Anlagen- und Maschinenbediener:in, Montagekraft (8) | 38.400 | 6,5 | 1.540 |
Hilfskraft (9) | 27.700 | 6,1 | 1.110 |
Zuschüsse für Mittagessen und Versicherungen
Um Arbeitskräfte zu halten und zu motivieren, ist nicht allein die Gehaltshöhe entscheidend. Arbeitgeber sollten weitere Benefits und Zusatzleistungen anbieten.
Besonders beliebt und lange etabliert sind Essensgutscheine. Diese Zusatzleistung bieten laut Gehaltsbenchmark der AHK Tschechien fast alle befragten Unternehmen an. Zuschüsse zur privaten Rentenversicherung bekommen demnach 66 Prozent der gewerblichen Angestellten. Rund 86 Prozent der nicht in der Produktion Beschäftigten konnten 2024 flexible Arbeitszeitmodelle nutzen. Bonus- und Prämienzahlungen sind in fast allen Betrieben üblich. Weniger verbreitet sind Zuschüsse zu Lebensversicherungen, Zeitkonten und ein 13. Gehalt. Für weitere Informationen siehe Abschnitt Personalsuche und Personalmanagement.
Sozialabgaben über ein Drittel der Lohnsumme
Die Gesetzgebung unterscheidet zwei Pflichtversicherungssysteme: Die Kranken- und die Sozialversicherung. Die Sozialversicherung schließt die Rentenversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Arbeitslosenversicherung ein. Die Gesamthöhe der Sozialabgaben und Krankenversicherungsbeiträge (ohne Unfallversicherung) beträgt 2024 für Arbeitgeber 33,8 Prozent des Bruttoverdienstes, für Arbeitnehmer 11,6 Prozent.
Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 21,5 |
Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 9,0 |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschaftsschutz (Arbeitgeberanteil) | 2,1 |
Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 1,2 |
Sonstige Versicherungen (Arbeitgeberanteil), darunter Beiträge zur Unfallversicherung | 0,28 - 5,04 |
Erläuterungen zur Beitragsbemessung
In Tschechien gilt eine einheitliche Bemessungsgrenze für alle Sozialabgaben (außer der Krankenversicherung). Sie entspricht 2024 einem Jahreseinkommen ab dem 48-Fachen des durchschnittlichen Monatslohns, also 2.110.416 Kč (rund 84.150 Euro). Für 2025 rechnet das Finanzministerium mit einem Monatslohn von durchschnittlich 46.557 Kč (etwa 1.860 Euro). Die Beitragsbemessungsgrenze steigt dadurch auf 2.234.736 Kč Kč (89.100 Euro).
Der Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung hängt vom Gefährdungspotenzial der Branche ab. Im Produktionssektor liegt er in der Regel bei 0,84 Prozent des für die Sozialversicherung herangezogenen Bemessungsbetrags. Banken, Versicherungen und Verlage müssen nur 0,28 Prozent bezahlen, Bergbaubetriebe 5,04 Prozent. Die Mindestprämie beträgt 100 Kč je Quartal.