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Gedämpfte Stimmung auf dem Automarkt

Das starke Absatzwachstum hält zwar 2024 an, geht aber teilweise auf vorgezogene Käufe zurück. Eine angekündigte Zusatzsteuer wird für einen Einbruch sorgen.

Von Waldemar Lichter | Warschau

Nach einem Absatzplus von 61 Prozent im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr sind die Neuwagenverkäufe im 1. Halbjahr 2024 um weitere 16,3 Prozent auf 34.100 Pkw gestiegen, meldet die Kyjiwer Marktforschungsagentur Auto-Consulting. Führende Anbieter waren Toyota, BMW, Renault, Skoda und VW. Allerdings holt der Markt damit nur auf, was er durch den Ausbruch des russischen Angriffskrieges verloren hat: Im 1. Kriegsjahr 2022 brach der Absatz um 63 Prozent auf nur noch 37.900 Fahrzeuge ein. Von früheren Verkaufszahlen ist der Markt noch weit entfernt.

Geplante Sondersteuer wird den Pkw-Markt ausbremsen

Der Nachholeffekt nach dem kriegsbedingten Absatzschock von 2022 lässt jedoch langsam nach. Seit Mai 2024 ist eine Stagnation auf dem Markt zu beobachten. Der Trend könnte sich verfestigen oder sogar ins Negative drehen. Denn die Regierung will spätestens im Herbst 2024 eine Sondersteuer von 15 Prozent auf alle neu gekauften Pkw einführen, um die Einnahmen des defizitären Staatshaushalts aufzubessern.

Die Ankündigung allein hat dem Markt im Juli 2024 eine kleine Sonderkonjunktur beschert. Wer dazu in der Lage war, hat seinen Autokauf vorgezogen. Von einem richtigen Aufschwung der Nachfrage könne dennoch keine Rede sein, so Marktbeobachter. Im Gegenteil: Die geplante Steuer werde sich bereits kurzfristig negativ auswirken. Ein deutlicher Rückgang der Autoverkäufe sei zu erwarten.

Nachfrage nach E-Autos bleibt hoch

Ungebrochen scheint dagegen der Verkaufsboom von Elektroautos in der Ukraine anzuhalten. Im 1. Halbjahr 2024 wurden nach Angaben des Branchenverbandes UkrAvtoProm mehr als 24.400 batteriebetriebene Elektrofahrzeuge zugelassen. Das sind 94 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der überwiegende Teil davon entfiel auf Gebrauchtwagen. Beliebteste Modelle waren Volkswagen ID.4, Nissan Leaf sowie die Tesla-Modelle 3 und Y.

Das Beliebtheitsranking bei neuen E-Autos führen dagegen Produkte Made in China an. Die massive Expansion ihrer Hersteller auf dem ukrainischen Markt habe 2021 begonnen, so Branchenkenner - sowohl über Grauimporteure als auch offizielle Vertreter. Die beliebtesten Marken sind MG, JAC, Maxus, Cenntro, Skywell und Ora.

Dem Trend zum Stromer unterstützt mitunter ein rascher Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Anzahl der Ladestationen hat sich nach Angaben von Marina Kitina, Branchenexpertin der Investitionsförderagentur Ukraine Invest, binnen fünf Jahren nahezu verdreifacht - auf fast 15.000 im Mai 2024. Bis Ende 2025 werden im ganzen Land 40.000 und bis 2030 rund 100.000 Ladestationen erwartet. Für den Betrieb sind derzeit mehr als 20 ukrainische Unternehmen verantwortlich. Landesweit sind laut Kitina auch mehr als zehn Hersteller von Ausrüstungen für Ladestationen tätig.

Busse im Rückwärtsgang

Die Nachfrage nach Bussen schwächelt dagegen. Nach Angaben der UkrAvtoProm wurden im 1. Halbjahr 2024 nur 869, davon 478 neue und 391 gebrauchte Fahrzeuge zugelassen. Das entspricht einem Rückgang von insgesamt 29 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Bei fabrikfrischen Fahrzeugen betrug das Minus demnach 39 Prozent, bei gebrauchten 13 Prozent. Im Gesamtjahr 2023 wurde mit 1.701 Erstzulassungen neuer Busse noch ein Anstieg um 86 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet.

Der Markt wird zwar durch das staatliche Programm für die Beschaffung von Schulbussen gestützt. Davon profitieren vor allem ukrainische Bushersteller, wie Tscherkassy Bus (Marke Ataman), das Automobilwerk Tschernihiw (Etalon) oder ZAZ. Das Volumen des Programms ist jedoch zu gering, um der Nachfrage und der lokalen Produktion bedeutende Impulse zu geben. Im Staatshaushalt 2024 sind für entsprechende Zuschüsse umgerechnet 22,4 Millionen Euro vorgesehen. Die Regierung will im Rahmen des Programms in den nächsten drei Jahren rund 1.500 Busse ukrainischer Hersteller finanzieren.

Die Beschaffung von Bussen durch ukrainische Gemeinden wird zum Teil aus Krediten internationaler Finanzorganisationen finanziert, darunter der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Im Rahmen des Projekts zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs finanziert die EIB beispielsweise die Beschaffung von Niederflurbussen in der südukrainischen Stadt Mykolajiw mit 4,5 Millionen Euro.

Nutzfahrzeuge preschen vor

Die gute Absatzkonjunktur auf dem Lkw-Markt hält abgeschwächt an. In den ersten sieben Monaten 2024 fanden 2.853 Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen Kunden - ein Plus von 8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Dynamik im Gesamtjahr 2023 lag allerdings noch bei 56,5 Prozent, verkauft wurden damals 4.853 Fahrzeuge. Etabliert auf dem ukrainischen Lkw-Markt sind vor allem MAN, Scania, Iveco, Volvo und Renault.

Schneller wachsen die Segmente kleinerer Nutzfahrzeuge. Mit 4.000 verkauften Lieferwagen bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht wurde im 1. Halbjahr 2024 eine Steigerung von 17,2 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum verzeichnet. Marktführer sind Renault, Citroën und VW. Im gleichen Zeitraum verdreifacht hat sich sogar die Nachfrage nach Pickups. Die beliebtesten unter den 1.372 im 1. Halbjahr 2024 zugelassenen Pritschenwagen waren Peugeot Landtrek, Mitsubishi L200 und Toyota Hilux. Käufer waren fast ausschließlich juristische Personen.

Krieg fördert Nachfrage nach Spezialfahrzeugen

Wachsende Nachfrage besteht bei Kommunal- und Baumaschinen sowie bei Autokränen. Diese werden zunehmend benötigt, um die Trümmer zu beseitigen und beschädigte Häuser wiederaufzubauen. Bedarf besteht nach Spezialfahrzeugen für Versorgungs- und Energieunternehmen. In diesem Bereich treten auch ukrainische Hersteller an, die auf Chassis ausländischer Produzenten die vom Kunden benötigten Aufbauten montieren. Geliefert werden die Fahrwerke aus China und Italien. Oder von der japanischen Firma Sojitz, die zu einem der Leuchtturmprojekte internationaler Investitionen in der Ukraine gekrönt wurde.

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