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Branchenbericht | Ukraine | Transport und Logistik

In ukrainischen Häfen wird wieder investiert

Die ukrainische Hafenwirtschaft leidet unter Russlands Angriffskrieg und der Seeblockade. Zum Teil können die Flusshäfen an der Donaumündung die Verluste kompensieren.

Von Gerit Schulze | Berlin

Das Tor zur Welt steht in der Ukraine nur noch einen Spalt weit offen. Seit Russlands Invasion sind die Seehäfen weitgehend blockiert. Im Asowschen Meer hat die Ukraine keine Kontrolle mehr über ihre Häfen. Am Schwarzen Meer können nur Agrargüter an drei Standorten umgeschlagen werden.

Umschlag schrumpft auf ein Drittel des Vorkriegswertes

Angesichts dieser Ausgangslage erstaunt es, dass die ukrainischen Häfen 2022 immerhin 59 Millionen Tonnen Fracht verschiffen konnten. Das war etwa ein Drittel des Vorjahreswertes (153 Millionen Tonnen), berichtete die Verwaltung der Seehäfen AMPU. Zum Vergleich: Die ukrainische Eisenbahn beförderte 2022 rund 151 Millionen Tonnen Güter, ein Rückgang um 52 Prozent gegenüber dem Vorkriegsjahr.

Trotz der eingeschränkten Nutzung war der Seeweg 2022 die wichtigste Transportroute für ukrainische Ausfuhren. Rund 54 Prozent der knapp 100 Millionen Tonnen Exportgüter wurden über die Häfen realisiert.

Boom in den Donauhäfen trotz veralteter Anlagen

Einen Boom erleben die Donauhäfen an der Grenze zu Rumänien, da sie nicht von der Seeblockade betroffen sind. An den drei Umschlagplätzen Ismajil, Reni und Ust-Dunajsk wurden 2022 rund 16,5 Millionen Tonnen Güter verladen und damit dreimal so viel wie vor dem Krieg. Über die Donau erreichen die Schiffe die Schwarzmeerhäfen in Bulgarien und Rumänien.

Doch die Infrastruktur entlang der Donau ist veraltet; die An- und Abfahrt auf dem Straßen- und Schienenweg beschwerlich. Bei der Einfahrt ins Donaudelta stauen sich die Schiffe oft. Die Hafenverwaltung AMPU hat mit eigener Flotte 2022 die Fahrrinnen ausgebaggert. Für die kommenden Monate seien weitere Investitionen in die Hafeninfrastruktur, neue Terminals und die Vertiefung der Fahrrinnen nötig, teilte die Behörde mit.

Regierung lässt Ankerplätze privatisieren

Außerdem versucht die Regierung, mehr privates Kapital in die Häfen zu locken. Im Januar 2023 privatisierte der Staatliche Vermögensfonds den Hafen Ust-Dunajsk im Donaudelta bei Wylkowe. Das Startgebot verdreifachte sich im Laufe des Auktionsverfahrens auf 5,1 Millionen Euro. Den Zuschlag bekam das Unternehmen Elixir Ukraine. Experten vermuten, dass der neue Eigentümer den Hafen für die Anlieferung von Mineraldünger aus seinem serbischen Werk nutzen will.

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine konnte Ust-Dunajsk erst ab 1. April 2022 wieder seine Arbeit aufnehmen. Bis Jahresende wurden dort 153.000 Tonnen Agrargüter für den Export umgeschlagen und 58.000 Tonnen Importgüter angelandet, laut Portal Ports.ua. Die Jahreskapazitäten von über 4 Millionen Tonnen wurden bei weitem nicht ausgeschöpft. Wegen der geringen Wassertiefe können nur Schiffe bis 3.000 Tonnen Tragfähigkeit anlegen. Im Seehafen Odessa liegt der Höchstwert bei 80.000 Tonnen, berichtete das Onlineportal Forbes.ua.

Der neue Eigentümer muss laut Experten erhebliche Mittel investieren, um das Frachtvolumen im Hafen zu erhöhen. Es gibt nur eine Straßen-, aber keine Gleisanbindung.

Aufschwung könnte sich 2023 fortsetzen

Im März 2023 soll der nächste Hafen privatisiert werden: Bilhorod-Dnistrowskyj am Mündungsarm des Dnister kurz vor dem Schwarzen Meer. Der Startpreis beträgt umgerechnet 4,8 Millionen Euro. Zu den Aktivposten des Hafens gehören 18 Kräne und 9 Schiffe. Vom Meer aus ist der Hafen zurzeit blockiert. Es findet dort aber Trockenumschlag für die anderen Donauhäfen statt.

Der Aufschwung der Donauhäfen könnte sich 2023 fortsetzen. Die Donau-Reederei UDP in Ismajil vermeldete Anfang des Jahres einen Großauftrag des Stahlproduzenten HBIS Serbia. Der Vertrag sieht die Lieferung von 500.000 Tonnen Erzen in die serbische Industriestadt Smederevo vor.

Der Agrar- und Logistikkonzern Nibulon baut in Ismajil ein neues Getreideterminal für 10 Millionen US$.

Logistikunternehmen bauen ihre Terminals aus

Auch rund um die Häfen am Schwarzen Meer gibt es Aktivitäten. Bei Odessa ist die Privatisierung einer Lager- und Produktionsfläche geplant. Der Komplex "Progress" liegt im Ort Nowi Biljari unweit des Hafens Piwdennyj. Der staatliche Fonds zur Vermögensverwaltung hat dafür eine Präsentation in Englisch zusammengestellt. 

Das auf die Logistik von Ölsaaten spezialisierte Unternehmen Risoil baut die Abfertigungskapazitäten in Tschornomorsk aus. Der größte ukrainische Produzent von Sonnenblumenöl, Kernel, kaufte im Dezember 2022 ein Umschlagterminal für pflanzliche Öle am Hafen Piwdennyj (früher Juschne). Laut Zeitungsberichten soll das Unternehmen dafür 20 Millionen US-Dollar (US$) bezahlt haben. Dort können fast 50.000 Tonnen Pflanzenöle gelagert und 500 Tonnen pro Stunde auf Schiffe verladen werden. Die Anlage soll die derzeit nicht nutzbaren Kapazitäten am Hafen Mykolajiw ersetzen, wo vor dem Krieg die Hälfte der ukrainischen Ölsaaten für den Export umgeschlagen wurden.

Die Häfen im Gebiet Mykolajiw würden nach Angaben der Regionalverwaltung gern am Getreideabkommen teilnehmen. Bislang ruhen dort noch die Arbeiten.

Auch in Cherson, das seit Anfang November 2022 wieder unter ukrainischer Kontrolle steht, arbeitet der Betreiber des örtlichen Hafens an einer Wiedereröffnung. Der Umschlagplatz am Dnipro liegt unweit der Mündung ins Schwarze Meer. An einer Arbeitsgruppe zur Belebung des Hafens sind das Regionalministerium und das Kiewer Beratungsbüro Spilno beteiligt. Aktuell sind ein Betrieb des Hafens und Schiffsverkehr nicht möglich, da Cherson regelmäßig von russischer Artillerie beschossen wird.

Metallurgie braucht dringend Seetransporte

Die ukrainische Regierung versucht seit längerem, das Getreideabkommen auf andere Warengruppen und Häfen auszuweiten. Vor allem für Stahlexporteure ist der Seeweg überlebenswichtig. Ihre Ausfuhren sanken 2022 um 72 Prozent. Doch Russland sperrt sich dagegen. Nach Schätzungen des Komitees der Internationalen Handelskammer ICC Ukraine könnte die Aufhebung der Seeblockade dem Land zusätzliche Einnahmen von 20 Milliarden US$ bringen.

Aktueller Stand beim Getreideabkommen

Das am 1. August 2022 in Kraft getretene Getreideabkommen erlaubt die Verschiffung von ukrainischen Agrargütern über die drei Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschornomorsk und Piwdenny (Juschne).


Bis zum 11. Februar 2023 haben 730 Schiffe rund 21 Millionen Tonnen Mais, Weizen, Sonnenblumen- und Rapsprodukte, Gerste und Soja aus der Ukraine auf die Auslandsmärkte gebracht (Quelle: Joint Coordination Centre). Die wichtigsten Zielländer waren China, Spanien und die Türkei.


Am 17. November 2022 stimmten die Vertragspartner des Getreideabkommens in Istanbul einer Verlängerung bis zum 18. März 2023 zu.


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