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Branchen | Ukraine | Gesundheitswesen

Neue Rehazentren entstehen in der Westukraine

Das ukrainische Gesundheitssystem ist in Kriegszeiten stark auf internationale Hilfe angewiesen. Im Bereich der Prothetik erhält die Ukraine Know-how und Technik aus Deutschland.

Von Verena Matschoß | Bonn

Die Coronapandemie stellte das modernisierungsbedürftige ukrainische Gesundheitssystem in den letzten Jahren auf eine harte Probe. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges verschlimmerte sich die Lage drastisch: Medizinische Fachkräfte mussten das Land verlassen, Logistikketten wurden unterbrochen und es kam zu einem Mangel an Medikamenten und medizinischen Verbrauchsmaterialien. Um die Versorgung aufrecht zu erhalten, wurden Kliniken und Fachärzte in sicherere Landesteile verlagert. 

Mehr als 1.000 Gesundheitseinrichtungen beschädigt

Laut ukrainischem Gesundheitsministerium wurden bis Mitte Dezember 2022 bei russischen Angriffen 144 medizinische Einrichtungen zerstört und über 1.000 beschädigt. Besonders betroffen seien Regionen in Frontnähe wie Donezk, Charkiw, Cherson, Mykolajiw und das Gebiet Kiew. 

Für den Wiederaufbau benötige die Ukraine mindestens 1 Milliarde US-Dollar (US$). Die Summe belaufe sich sogar auf 14 Milliarden Euro, wenn man moderne Einrichtungen bauen möchte, sagte der stellvertretende Gesundheitsminister, Bohdan Borukhovskyi, bereits am 20. August 2022:

"Die Ukraine muss moderne Krankenhäuser nach den besten europäischen Verfahren bauen."

Das Gesundheitsministerium hat bereits Ziele und Prioritäten erarbeitet, nach denen das Gesundheitssystem nach dem Krieg wiederaufgebaut werden soll. 

Stromversorgung ist gesichert

Medizinische Einrichtungen wurden nicht nur physisch zerstört, durch russische Angriffe auf die Energieinfrastruktur ist auch die Versorgung der Patienten gefährdet. Hier hat die Ukraine vorgesorgt: In ukrainischen Krankenhäusern stehen derzeit über 3.000 Generatoren zur Verfügung, um im Notfall den Betrieb von wichtigen Geräten und Abteilungen sicherzustellen. Laut Gesundheitsministerium verfügt jede stationäre medizinische Einrichtung über eine Notstromversorgung. Von den Vereinigten Arabischen Emiraten erhält das Land nun 640 weitere Generatoren. Diese werden in der Hauptstadt und dem Gebiet Kiew installiert, aber auch in frontnahen und wiedereroberten Gebieten wie Charkiw, Dnipropetrowsk, Tschernihiw und Sumy.

Über 3,5 Milliarden Euro für Garantieprogramm 2023

Das ukrainische Gesundheitssystem galt vor dem Krieg als unterfinanziert, modernisierungsbedürftig und ineffizient. Im Jahr 2017 wurde deshalb eine umfassende Gesundheitsreform gestartet, die bereits Früchte trägt. Im April 2020 fiel der Startschuss für das zentrale Finanzierungsprogramm im Gesundheitswesen, das sogenannte Programm der medizinischen Garantien (PMG). 

Am 27. Dezember 2022 hat die ukrainische Regierung das PMG für das Jahr 2023 genehmigt. Über 142 Milliarden Hrywnja (UAH; rund 3,6 Milliarden Euro; Wechselkurs am 24. Januar 2023: 1 Euro = 39,75 UAH) sollen dieses Jahr für kostenlose Gesundheitsleistungen zur Verfügung stehen. Für die Erstattung von Arzneimitteln werden 4,7 Milliarden UAH (rund 118 Millionen Euro) veranschlagt. Laut Gesundheitsministerium wird das PMG verstärkt der Kriegsrealität Rechnung tragen. So wurde das Programm beispielsweise um staatlich finanzierte Rehamaßnahmen erweitert.

Deutschland unterstützt bei Rehabilitation von Verwundeten 

Vor allem im Westen des Landes entstehen immer mehr Einrichtungen, die sich um die Behandlung der Kriegsversehrten kümmern. Die Stadt Lwiw hat viele geflüchtete Ukrainer aufgenommen, darunter nach Angaben des Bürgermeisters Andriy Sadovyy auch 11.000 Verwundete. Für deren Behandlung ist in der westukrainischen Stadt das Nationale Rehabilitationszentrum Unbroken entstanden. Das Zentrum ist angedockt an die Erste Medizinische Assoziation Lwiw, die wiederum zwei Krankenhäuser und eine Kinderklinik umfasst.  

Hier ist auch Deutschland aktiv. Finanziert mit Mitteln der Bundesregierung wurde Mitte September 2022 ein mobiler Werkstatt-Container in Betrieb genommen, in dem Prothesen der deutschen Firma Ottobock gefertigt werden. Die Prothesen können vor Ort hergestellt werden, aber auch mithilfe von 3D-Scannern in Deutschland. Ukrainische Techniker wurden dafür in Deutschland angelernt.

Im April 2023 soll ein neues Gebäude im Rahmen des Rehazentrums Unbroken entstehen. Sieben Stockwerke sind geplant, 10.000 Patienten könnten dort pro Jahr behandelt werden. Ein Teil der notwendigen Reha-Ausrüstungen wurde Pressemeldungen zufolge bereits aus der Schweiz und Deutschland geliefert.

Auch in anderen westlichen Landesteilen entstehen Rehazentren: Im Gebiet Riwne wurde ein Zentrum für Rückenmarksverletzungen eröffnet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die britische Regierung unterstützten das ukrainische Gesundheitsministerium bei diesem Pilotprojekt. Seit Anfang 2023 ist das Krankenhaus auch an das PMG angeschlossen, wodurch der National Health Service (NHSU) die Kosten für Behandlung und Rehabilitation übernehmen kann. Seit 2018 ist der NHSU die zentrale Finanzierungs- und Abrechnungsstelle im Gesundheitswesen.

Spendenportal United24 informiert über aktuellen Bedarf

Neben Ottobock unterstützen zahlreiche andere deutsche Firmen die Ukraine im Gesundheitsbereich. So spendete der Chemie- und Pharmakonzern Bayer 1,3 Millionen Euro über das zentrale Spendenportal United24. Ein Teil des Geldes wurde in die Instandsetzung des medizinischen Zentrums von Tschernihiw für moderne Onkologie investiert.

Fundraising-Plattform UNITED24: Verwendung der Spenden für den Gesundheitssektor

Anzahl

Wert (in Mio. UAH)

Wert (in Mio. US-Dollar)

Gesamt

1.008,5

28,3

Beatmungsgeräte (ALV)

35

26,5

0,9

Gepanzerte Ambulanzfahrzeuge

13

123,9

3,4

Narkosegeräte

83

116,1

3,2

Röntgen-Operationstische 

81

72,1

2,0

Rettungswagen (Typ C)

133

351,2

9,6

Beatmungsgeräte für Kinder (ALV)

28

34,8

1,0

C-Bogen (Röntgengerät)

22

74,2

2,5

Vakuum-unterstützte Verschlussvorrichtungen

172

13,3

0,4

Modulare externe Fixateure

7.954

25,5

0,7

Generatoren

824

96,0

2,6

Neurochirurgische Mikroskope

4

32,3

0,9

Rehabilitations-Ausrüstungen

9

10,5

0,3

Begonnener Wiederaufbau von Krankenhäusern

2

32,2

0,9

Stand 19. Januar 2023Quelle: United24; Nationalbank der Ukraine 2023

Die deutsche Bundesregierung greift der Ukraine im medizinischen Bereich auf mehreren Ebenen unter die Arme: Ukrainische Kranke und Verletzte werden in Deutschland behandelt, es gibt telemedizinische Projekte mit ukrainischen Krankenhäusern und ukrainisches Personal wird in Deutschland geschult. Das deutsche Bundesgesundheitsministerium hat bereits medizinische Hilfsgüter im Wert von mehr als 150 Millionen Euro gespendet. Hinzu kommen laut Ministerium Spenden im Wert von rund 100 Millionen Euro von der deutschen Gesundheitswirtschaft. Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen bietet auch die German Health Alliance

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