Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Wiederaufbau
Koreanische Unternehmen rechnen mit Aufträgen in der Ukraine
Vorhaben zum Wiederaufbau und zur Modernisierung der Transport- und Versorgungsinfrastruktur stehen im Fokus koreanischer Firmen. Die Regierungsagentur KIND begleitet sie dabei.
16.07.2024
Von Waldemar Lichter | Warschau
Die Aussichten auf lukrative Aufträge beim Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft nach dem Krieg wecken das Interesse zahlreicher Unternehmen aus der Republik Korea (Südkorea). Große Konzerne wie Hyundai oder Samsung haben sich mit ersten Verträgen und Absichtserklärungen eine gute Ausgangsbasis für das Geschäft in der Ukraine gesichert. Mit ihrer Beteiligung werden bereits erste Masterprojektpläne und Machbarkeitsstudien für künftige Vorhaben erstellt.
Regierungsagentur KIND flankiert Vorhaben
Begleitet und unterstützt werden die Aktivitäten und die Projektanbahnung von der staatlichen Korea Overseas Infrastructure & Urban Development Corporation (KIND), die ein gefragter und angesehener Partner der ukrainischen Regierung ist. Die Agentur begleitet bereits mehrere langfristige Vorhaben in der Ukraine, insbesondere zum Ausbau und zur Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur.
Die ukrainische Regierung möchte die Zusammenarbeit weiter ausbauen, da sie KIND als geeignete Schnittstelle zu privaten Investoren betrachtet. Bei einem Videotreffen mit deren Geschäftsführung Anfang Juli 2024 schlug das ukrainische Wirtschaftsministerium deshalb vor, die koreanische Unterstützung auf Vorhaben zum Wiederaufbau der Energieinfrastruktur und zum Aufbau dezentraler Energieversorgung auszuweiten.
Koreanische Beteiligung bei Energieprojekten erwünscht
"Wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten, zerstörte Anlagen wieder herzustellen“, erklärt der stellvertretende Wirtschaftsminister Wolodymyr Kuzyo. Daran sollte möglichst der private Sektor beteiligt werden. "Wir sind uns des Interesses der koreanischen Wirtschaft an solchen Projekten bewusst", so Kuzyo. Der Bedarf ist riesig. Das Wirtschaftsministerium schätzt das Investitionspotenzial im Energiesektor in den nächsten zehn Jahren auf umgerechnet 155 Milliarden Euro.
Die gewünschten Investitionsvorhaben im Energiebereich kämen zu den sechs großen Projekten, an denen die koreanische KIND bereits arbeitet. Dabei handelt es sich um
- die Ausarbeitung eines Verkehrsmasterplans für die Region Kyjiw,
- die Erstellung eines Smart-City-Masterplans für die Stadt Uman (Region Cherkassy),
- einen Plan für den Wiederaufbau/die Wiederherstellung ukrainischer Flughäfen,
- technische Hilfe beim Wiederaufbau des Kachowka-Staudamms,
- die Modernisierung der Bahninfrastruktur, einschließlich der Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeitsverbindung von Kyjiw nach Polen,
- sowie das Projekt für ein System zur Abwasseraufbereitung in der Stadt Butscha.
Starke Präsenz von Hyundai E&C
An den geplanten Projekten im Verkehrssektor wird sich Hyundai Engineering & Construction (Hyundai E&C) beteiligen. Die Arbeiten am Verkehrsmasterplan für das Gebiet Kyjiw sollen im September 2024 beginnen und eine Machbarkeitsstudie umfassen. Das Unternehmen wird ferner Partner bei der Sanierung und Modernisierung des Flughafens Boryspil sein. Entsprechende Vereinbarungen wurden im November 2023 mit Hyundai E&C, Korea Airports Corp. sowie AECOM (Infrastrukturberatung) unterzeichnet. Die Kosten des Wiederaufbauprojekts für den Flughafen werden auf rund 420 Millionen Euro geschätzt.
Hyundai E&C engagiert sich außerdem in der ukrainischen Energiebranche. Mit dem Stromkonzern Ukrenergo hat das Unternehmen eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding, MoU) unterzeichnet, die den Bau und die Reparatur von Übertragungsleitungen und Transformatoren beinhaltet. Zudem arbeitet Hyundai E&C mit Energoatom zusammen, um neue Kernkraftwerke zu entwickeln und zu bauen (möglicherweise am Standort Chmelnyzkyj).
Koreaner bei Smart-City-Projekten engagiert
An der Entwicklung einer "intelligenten" Stadt in Lwiw wird das Unternehmen Samsung C&T arbeiten. Geplant ist die Verbindung städtischer Infrastruktur mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie. Ein entsprechendes MoU unterzeichnete der südkoreanische Konzern im Juli 2023. Beteiligt an dem Projekt ist die seit 2004 in der Ukraine tätige türkische Baufirma Onur. Für die Erstellung des Masterplans für eine nachhaltige und effiziente Entwicklung der Stadt Uman wurde die koreanische Korea Water Resources Corporation (K-water) ausgewählt. K-water ist außerdem an dem Vorhaben zur Verbesserung der Abwasseraufbereitung in der Stadt Butscha beteiligt.
Umfangreicher Kredit für Wiederaufbaubedarf zugesagt
Zur Unterstützung des Wiederaufbaus und der Beteiligung eigener Unternehmen daran hat die koreanische Regierung der Ukraine einen Kredit von umgerechnet 1,9 Milliarden Euro zugesagt. Der größte Teil davon wird ab 2025 in Form von langfristigen zinsgünstigen Krediten über den Wirtschaftsentwicklungs- und Kooperationsfonds (EDCF) bereitgestellt. Diese Mittel sollen für die Beschaffung von Ausrüstung und zur Finanzierung von Wiederaufbauprojekten im Infrastrukturbereich zur Verfügung stehen.