Deutsche Wettbewerbsposition | Ungarn
Deutschland mit Abstand Ungarns Partner Nummer eins
Deutsche Unternehmen dominieren als Investoren und Lieferanten in den wichtigsten Branchen. Die Bedeutung asiatischer Wettbewerber könnte in den nächsten Jahren zunehmen.
03.02.2022
Von Waldemar Lichter | Budapest
Ungarn gehört zu den wirtschaftlich stärksten Ländern Mittel- und Osteuropas. Das Bruttoinlandsprodukt (2020: rund 136 Milliarden Euro) ist mehr als doppelt so hoch wie das Bulgariens, Kroatiens oder Sloweniens. Die ungarische Wirtschaft zählt auch zu den am schnellsten wachsenden in der Europäischen Union (EU). Hinzu kommt die hohe Modernisierungsaffinität der Unternehmen und der ungarischen Regierung.
Wachstums- und Investitionsstärke machen den Absatzmarkt attraktiv
All das macht den ungarischen Markt für deutsche Unternehmen hochinteressant - sowohl für Anbieter von Konsum- als auch Investitionsgütern. Ein besonderer Vorteil ist die verkehrsgünstige Lage des Landes in Zentraleuropa und seine mittlerweile gut ausgebaute (Transport-)Infrastruktur. Dadurch etabliert sich Ungarn mehr und mehr als Logistikdrehscheibe sowie als Ausgangspunkt für die Bearbeitung anderer Märkte in der Region.
Wegen seiner guten Rahmenbedingungen, günstiger Körperschaftsteuern und Lohnkosten ist Ungarn gleichzeitig attraktiv für ausländische Investoren. Deutsche Unternehmen sind in großer Zahl im Land aktiv. Einige, wie Audi, Mercedes oder Bosch, gehören zu den umsatzstärksten im Land. Der Zustrom neuer deutscher Investoren hält weiter an.
Ungarn importierte 2020 laut Eurostat Waren im Wert von 101,4 Milliarden Euro, davon stammten 24,4 Prozent aus Deutschland. Destatis zufolge lag das Land auf Rang 13 der wichtigsten deutschen Absatzmärkte. |
Ungarn exportierte 2020 Waren im Wert von 105,4 Milliarden Euro. 28 Prozent davon gingen nach Deutschland - Rang 13 der wichtigsten deutschen Bezugsmärkte. |
Laut Daten der Bundesbank waren 2019 rund 790 deutsche Unternehmen in Ungarn ansässig. Damit stellen deutsche Firmen etwa 216.000 Arbeitsplätze im Land. |
Deutschland ist Ungarns unangefochtener Wirtschaftspartner Nummer eins - sowohl im Handelsaustausch als auch bei Investitionen. Angesichts des starken Engagements deutscher Unternehmen und der guten Position der deutschen Industrie als Lieferant für Ungarns verarbeitendes Gewerbe und andere Sektoren dürfte das auch in den nächsten Jahren so bleiben.
Allerdings nimmt der Wettbewerb zu. Ungarn verfolgt außenwirtschaftlich eine Strategie der "Öffnung nach Osten" - im Hinblick auf eigene Exporte, aber auch in Bezug auf das Engagement von Investoren aus Asien. Ein sichtbares Ergebnis dessen ist die signifikante Zunahme ausländischer Direktinvestitionen etwa aus Südkorea, vor allem im Automobilzuliefersektor. Aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu China, etwa in Gestalt von Kooperationen im Transportsektor, sowie Investitionen aus der Volksrepublik werden intensiver.
Stabil hoher Importanteil Deutschlands
Deutschland ist der mit Abstand wichtigste ausländische Beschaffungsmarkt für die ungarische Wirtschaft. Aus der Bundesrepublik stammt rund ein Viertel der ungarischen Einfuhren - der Anteil liegt seit Jahren stabil in dieser Höhe.
Wettbewerber aus Asien sind in den vergangenen Jahren dagegen deutlich stärker gewachsen. So nahmen die Importe aus China 2020 gegenüber 2015 um über 77 Prozent zu, die aus Südkorea haben sich in diesem Zeitraum sogar verdreifacht. China stieg inzwischen zur Nummer zwei unter den wichtigsten Importländern Ungarns auf und verdrängte damit Österreich. Südkorea belegte 2020 mit einem Anteil von 3,7 Prozent immerhin schon den zehnten Platz. Größter Verlierer ist Russland. Sein Anteil an den ungarischen Importen sank zwischen 2010 und 2020 von 8,1 auf 2,5 Prozent.
Deutschland bleibt in vielen Branchen bevorzugter Lieferant
In den wichtigsten Produktgruppen wie Maschinen, Elektrotechnik oder Chemie steht Deutschland als Lieferant nach wie vor unangefochten auf Platz eins. Jedoch gingen in einigen Sparten die Anteile zurück, etwa im Maschinenbau oder bei Kfz und Kfz-Teilen. Deutsche Elektrotechnik, Elektronik oder Chemie konnte hingegen gegenüber Wettbewerbern zulegen.
Südkorea und China haben ihre Anteile über die letzten Jahre hinweg als wichtige Konkurrenten Deutschlands punktuell gesteigert, etwa im Maschinenbau oder der Kfz-Zulieferindustrie. Steigende Investitionen aus Fernost in Ungarn dürften den Wettbewerb künftig intensivieren. Koreanische und japanische Firmen, die sich in Zentraleuropa etablieren, beziehen ihre Ausrüstungen und zum Teil auch Halbprodukte bevorzugt aus ihren Heimatländern, berichten Fachleute.
Rang | Produkt | 2000 | 2010 | 2020 |
---|---|---|---|---|
Maschinen 2) | ||||
1 | Deutschland | 50,8 | 43,5 | 36,5 |
2 | Italien | 7,0 | 7,8 | 5,9 |
3 | China | 1,7 | 3,6 | 5,6 |
Kfz und Kfz-Teile 3) | ||||
1 | Deutschland | 43,6 | 54,1 | 36,8 |
2 | Tschechien | 3,1 | 6,3 | 11,8 |
3 | Österreich | 2,6 | 3,5 | 6,0 |
chemische Erzeugnisse 4) | ||||
1 | Deutschland | 23,3 | 23,3 | 22,2 |
2 | Südkorea | 0,4 | 1,0 | 10,3 |
3 | Niederlande | 4,9 | 5,5 | 8,4 |
Ungarn will Hightech- und Zukunftsbranchen ausbauen
Ungarn hat noch viel Potenzial zum Ausbau von Lieferbeziehungen und Kooperationen mit Deutschland. Möglichkeiten für deutsche Bezüge aus Ungarn und für den Ausbau von Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit bestehen vor allem in der Automobil- und -Zulieferbranche, aber auch in der Metallverarbeitung und im Energiesektor.
Ziel der ungarischen Wirtschaftspolitik ist es, Industriezweige und Dienstleistungssektoren mit hoher Wertschöpfung und Hightech-Anteil aufzubauen, um damit besser auf ausländischen Märkten zu punkten. Große Anstrengungen werden unternommen, um Forschung und Entwicklung (F&E) im Land zu stärken und damit für Investoren attraktiver zu werden.
Deutsche Unternehmen nutzen dieses Potenzial bereits. Sie bauen ihre F&E-Aktivitäten in Ungarn aus, beispielsweise in den Bereichen Elektromobilität (etwa Audi sowie zahlreiche Zulieferunternehmen) oder künstliche Intelligenz (Bosch oder Continental). Ungarn will in Zukunft auch Kapazitäten für Erzeugung, Speicherung und Transport von Wasserstoff ausbauen, darunter auch für den Export nach Deutschland.