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Bahntechnikfirmen investieren verstärkt in den USA
Die immer strikteren Local-Content-Auflagen können deutsche Exporteure bald benachteiligen. In Erwartung lukrativer Aufträge weiten Zugbauer ihre Kapazitäten vor Ort aus.
13.03.2023
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Siemens will sein US-Geschäft ausbauen, unter anderem in seiner Zugsparte Mobility. Diese will in Lexington, North Carolina, für 220 Millionen US-Dollar (US$) eine weitere Zugfabrik bauen. Bisher fertigt Siemens Mobility Lokomotiven und Waggons in den USA nur in Sacramento, Kalifornien.
Die Münchner konnten in den USA bereits mehrere Großaufträge an Land ziehen, den größten im Jahr 2021: 73 Züge für Amtrak, teilweise mit Hybrid-Antrieb, im Wert von 3,4 Milliarden US$. Nun hofft Siemens auf weitere Aufträge des halbstaatlichen Fernverkehrsbetreibers.
Bahnbetreiber erhoffen sich üppige Bundeszuschüsse aus dem Infrastrukturpaket
Der Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) von November 2021 sieht rund 66 Milliarden US$ vor, um das Schienennetz zukunftssicher zu machen. Ein Großteil davon dürfte an Amtrak gehen. Neben Tunnel- und Brückensanierungen will der Bahnbetreiber bis 2035 insgesamt 30 neue Routen bauen und auf 20 bestehenden Strecken neue Züge einsetzen.
Davon können auch deutsche Zulieferer profitieren - insbesondere aber die, die vor Ort produzieren: So wird Knorr Brake, die US-Tochter des Knorr-Bremse-Konzerns, Siemens-Mobility-Züge für Amtrak mit Brems-, Klima- und Sanitärsystemen ausstatten. Knorr Brake erhielt bereits 2021 den Zuschlag zur Ausrüstung von bis zu 254 U-Bahn-Wagen des Schweizer Zugbauers Stadler für die Metro Atlanta. Montiert werden diese in Salt Lake City, Utah.
Auch Alstom produziert in den USA Schienenfahrzeuge. Die Franzosen liefern wie Siemens Hochgeschwindigkeitszüge an Amtrak. Stromversorgungssysteme wie Transformatoren, Stromabnehmer, Getriebe und Batterien bezieht Alstom aus Virginia, South Carolina und New Jersey, Achsen und Räder aus Kentucky, Illinois und Pennsylvania.
Die Regierung unter Joe Biden hat die Local-Content-Erfordernisse verschärft
Alle diese Unternehmen – Siemens Mobility, Knorr Brake, Stadler US und Alstom USA – erfüllen die „Buy American“-Anforderungen, die Präferenzen für inländische Produkte bei öffentlichen Ausschreibungen auf Bundesebene festschreiben. Sie gelten vor allem für Transportinfrastrukturprojekte und wurden in den letzten Jahren verschärft. So liegt der erforderliche heimische Wertschöpfungsanteil seit Oktober 2022 bei 60 Prozent; bis 2029 soll er schrittweise weiter auf 75 Prozent steigen. Ausnahmen sind nur bei sonst deutlich überhöhten Preisen möglich, wenn es zu größeren Verzögerungen käme oder US-Hersteller Stahl, Eisen und andere Industrieerzeugnisse nicht in gleichwertiger Qualität liefern könnten. Zudem muss auch die Endmontage in den meisten Fällen in den USA erfolgen.
Das kann sich für deutsche Exporteure, die Vertragspartnern einer US-Bundesbehörde Produkte zuliefern, negativ auswirken. Denn durch die wachsenden Local-Content-Anforderungen müssen diese US-Kunden - egal ob eine deutsche US-Tochter oder andere US-Firma - künftig womöglich stärker auf US-Zulieferer zurückgreifen als bisher.
Außerdem sind nicht nur Firmen betroffen, die sich direkt oder indirekt als Zulieferer um US-Staatsaufträge bemühen. Selbst wenn eine Bundesbehörde nur einen Teil eines bundesstaatlichen oder kommunalen Infrastrukturprojekts finanziert, gelten die auf Bundesebene maßgeblichen Local-Content-Bestimmungen für das gesamte Projekt.
Auch regionale Verkehrsanbieter verfolgen interessante Projekte
So voraussichtlich auch für das Vorhaben des Privatanbieters Brightline West, der sich Bundeszuschüsse aus dem IIJA erhofft: Die gleichnamige 8 Milliarden US$ teure Hochgeschwindigkeitsstrecke von Los Angeles nach Las Vegas könnte sogar noch vor dem ersten Teilstück der seit rund 15 Jahren geplanten Verbindung zwischen Los Angeles und San Francisco (Betreiber: California High-Speed Rail Authority) fertig werden. Brightline West will auf der Strecke Hochgeschwindigkeitszüge von Siemens Mobility einsetzen.
Oder für das Projekt von Texas Central: Die Privatgesellschaft, die eine Highspeed-Strecke zwischen Nordtexas und dem Großraum Houston entwickelt, will sich ebenfalls um Bundesmittel aus dem IIJA bewerben. Bislang ist aber unklar, ob Texas Central die Buy-American-Anforderungen erfüllt. Zum einen orientiert sich das Bahnsystem an einem für japanische Hochgeschwindigkeitszüge. Zum anderen ging der Planungs- und Bauauftrag bereits an das italienische Unternehmen WeBuild. Und als Bahnbetreiber wurde Renfe Operadora aus Spanien auserkoren.
Darüber hinaus gibt es in den USA für Bahntechnikunternehmen noch andere interessante Auftraggeber. Und regionale Verkehrsanbieter, die keine Fördermittel auf Bundesebene erhalten, sind bei Auftragsvergaben auch nicht an nationale Buy-American-Klauseln gebunden. Allerdings haben manche US-Bundesstaaten eigene Buy-American-Gesetze, sodass die Situation im Einzelfall stets zu prüfen ist.
Alternative Antriebe werden in der Bahntechnik immer wichtiger
Die Southeastern Pennsylvania Transportation Authority (SEPTA), New Jersey Transit (NJT), Maryland Area Rail Commuter (MARC) und die Metro-North Railroad befahren einige Strecken mit Elektrozügen und haben in den letzten Jahren immer wieder Projekte ausgeschrieben. Bisher ist in den USA erst weniger als 1 Prozent der Bahnstrecken elektrifiziert, gegenüber rund einem Drittel weltweit.
Batterieelektrischen Zuglösungen kommt daher eine besondere Bedeutung zu. In Kalifornien wurden in den letzten Jahren bereits elektrische Güterzuglokomotiven mit Akku getestet. Der US-Zugausrüster Wabtec und General Motors (GM) bündelten 2021 ihre Kräfte und entwickeln seither gemeinsam Brennstoffzellen-Antriebslösungen.
Stadler hat sich mit dem ASPIRE Engineering Research Center an der Utah State University zusammengetan, um den ersten batteriebetriebenen zweiteiligen Triebzug für den regionalen Personenverkehr zu entwickeln. Auch Wasserstoffzüge will Stadler auf den US-Markt bringen: Im September 2022 haben die Schweizer mit dem kalifornischen Verkehrsministerium (Caltrans) eine Absichtserklärung über die Bestellung von zunächst vier Triebzügen mit einer Option über 25 weitere unterzeichnet.