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Rekordinvestitionen in die nächste Stufe der KI-Revolution
Mit massiven Ausgaben bereitet sich der US-Tech-Sektor auf die nächste Entwicklungsphase der KI vor: autonome Agenten, die eigenständig handeln und entscheiden können.
29.01.2025
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Die Investitionsausgaben der US-Technologieunternehmen erreichen von Jahr zu Jahr neue Höchststände. Laut Prognosen von Morgan Stanley werden allein die vier Big-Tech-Giganten Amazon, Alphabet (Google), Meta und Microsoft im Jahr 2025 Investitionen in Höhe von etwa 300 Milliarden US-Dollar (US$) tätigen. Dies wäre ein Anstieg von rund 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 244 Milliarden US$. Die künstliche Intelligenz (KI) ist dabei entscheidender Impulsgeber.
Im Jahr 2026 könnte es mit erwarteten Ausgaben von 336 Milliarden US$ ein weiteres Plus von knapp 12 Prozent geben. Unter Einbeziehung weiterer Tech-Größen nimmt die Gesamtdimension weiter zu. Beispielsweise beziffert Oracle die investiven Ausgaben für das Geschäftsjahr 2025 auf rund 14 Milliarden US$.
Der Investitionsschub ist eng mit dem Beginn einer neuen Ära verknüpft. Während in den vergangenen Jahren generative AI im Fokus stand, dominierte auf der Fachmesse CES 2025 in Las Vegas ein neuer Trend – die Agentic AI. Darunter versteht man KI-Systeme, die eigenständig entscheiden und handeln können. Ein Fortschritt, der den Bedarf für Rechenleistung und spezielle Hardware wie KI-Chips drastisch in die Höhe treibt.
KI-Agenten bald Seite an Seite mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?
"Das Zeitalter der KI-Agenten hat begonnen", verkündete Nvidia-Gründer Jensen Huang bei seiner Keynote auf der CES 2025. Dabei beschrieb der KI-Visionär in einer vollbesetzten Großarena eine Zukunft, in der Unternehmen neben ihren menschlichen Mitarbeitern ganz selbstverständlich auch "digitale Arbeitskräfte" beschäftigen.
Diese KI-Agenten der Zukunft markieren einen technologischen Durchbruch, der weit über die Fähigkeiten heutiger Chatbots und KI-Assistenten hinausgeht. Während generative KI-Modelle nur auf spezifische Eingaben reagieren, können autonome KI-Agenten komplexe Probleme angehen, indem sie diese in kleinere, lösbare Schritte aufteilen.
Beispielsweise können in der Lagerhaltung eines Unternehmens spezialisierte KI-Agenten eingesetzt werden, die eigenständig den Lagerbestand überwachen und dabei sowohl Anomalien wie Bestandsverluste sowie Anzeichen für eine erhöhte Nachfrage erkennen. Dabei können diese Agenten auch proaktiv agieren, indem sie auf Basis definierter Regeln Nachbestellungen bei Lieferanten auslösen.
In naher Zukunft erwarten Experten auch die ersten Multi-Agenten-Systeme. Dabei kooperieren mehrere KI-Agenten, die auf bestimmte Aufgaben spezialisiert sind. Koordiniert werden sie hierbei von einem übergeordneten Agenten. Ein vielversprechendes Anwendungsgebiet liegt im Bereich E-Commerce: Prozesse wie Warenrücknahme und Umtausch können nahezu vollständig automatisiert werden. Bei den jeweiligen Schritten arbeiten Kommunikations- und Prüfagenten bis hin zu Lager- und Erstattungsagenten nahtlos zusammen.
Prozesse im Geschäftsalltag werden neu definiert
Die Ankunft der KI-Agenten wird die Arbeitswelt deutlich verändern. Statt Routineaufgaben zu erledigen, werden menschliche Mitarbeiter zunehmend damit beschäftigt sein, ein Team von KI-Agenten zu steuern, deren Leistung zu überwachen und bei Bedarf einzugreifen.
"Im Jahr 2025 werden 30 Prozent der eingesetzten virtuellen Agenten eigenständig handlungsfähig sein, während es 2024 nur 1 Prozent waren. Stellen Sie sich also den enormen Sprung vor, den wir dieses Jahr erleben werden", sagte Michael Anderson von Soundhound AI bei der CES. Das im Silicon Valley ansässige Unternehmen gehört zu den Pionieren im Bereich der Konversations-KI.
Andere Teilnehmer nutzten die Technologieshow in Las Vegas, um auf die enormen Effizienzpotenziale für Unternehmen hinzuweisen: "Frühe Anwender von Agentic AI berichten von Produktivitätssteigerungen von über 60 Prozent", erklärte Vanessa Lyon von der Boston Consulting Group. "In Fallstudien sehen wir, dass ein Arbeitsprozess, für den ein sechsköpfiges Marketingteam eine Woche benötigt, durch KI-Agenten mit einem menschlichen Koordinator in nur einer Stunde erledigt werden kann", so die Expertin.
Auch das Marktforschungsinstitut Gartner glaubt an den Vormarsch der KI-Agenten: Bis 2028, so die Prognose, würden mindestens 15 Prozent der alltäglichen Geschäftsentscheidungen autonom von agentischer KI getroffen.
Erste Unternehmen starten durch – unter ihnen deutsche Anbieter
Bei der Integration von KI-Agenten in digitale Plattformen und Angebote sind vor allem führende US-Tech-Unternehmen Vorreiter. Das überrascht kaum, denn Big Tech erkennt in Agentic AI die Chance, endlich die profitablen Anwendungsfälle zu schaffen, über die sich die immensen Entwicklungsausgaben amortisieren lassen.
Microsoft baut erste Lösungen in Plattformen wie Dynamcis 365 oder Copilot Studio ein. Google Cloud will mit der Plattform Agentspace den Einsatz von KI-Agenten ermöglichen. Zudem wurde mit Gemini 2.0 ein neues Sprachmodell für das Zeitalter der agentischen KI entwickelt. Salesforce wiederum geht mit der Plattform Agentforce 2.0 an den Markt.
Auch deutsche Unternehmen laufen vorn mit. Im Deutschen Pavillon bei der CES präsentierte das Münchner Start-up Blinkin seine Lösungen. "Unsere Philosophie ist klar: KI-Agenten sollten am besten von ihren späteren Anwendern entwickelt werden, nicht zentral von der IT-Abteilung oder externen Anbietern", erklärt Gründer Josef Süß.
Mit dem Software-Studio von Blinkin können Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmensbereichen wie Vertrieb oder Wartung einfach und schnell eigene KI-Agenten erstellen, die gezielt bei der täglichen Arbeit unterstützen. Durch Kooperationen mit Unternehmen wie Bosch oder Wilo trägt Blinkin dazu bei, dass KI-Agenten vermehrt auch bei deutschen Firmen Einzug halten. In den USA arbeiten die Münchner mit Intel Research Labs zusammen. Durch die Teilnahme an der CES konnte das Start-up seine Kontakte in die USA vertiefen. "Sowohl von potenziellen Geschäftspartnern als auch möglichen Kapitalgebern erfahren wir großes Interesse", so Süß.
Die USA sind das Eldorado für KI-Start-ups
Bei der Finanzierung von KI-Neugründungen behaupten sich die Vereinigten Staaten als weltweit unangefochtener Spitzenreiter. Im Jahr 2024 sammelten Jungunternehmen für KI einen Rekordwert von 97 Milliarden US$ an Wagniskapital ein (+66 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Im Vergleich dazu dürften es in Deutschland nur etwa 2 Milliarden Euro gewesen sein.
Für deutsche KI-Gründer eröffnen sich in den USA vielversprechende Chancen zur Kapitalbeschaffung. Mittlerweile fließen rund 50 Prozent des vergebenen Risikokapitals in den Bereich KI. Wagniskapitalgeber in den USA zeichnen sich durch eine höhere Risikobereitschaft, schnellere Entscheidungsprozesse und deutlich größere Fondsvolumina im Vergleich zu Investoren in Deutschland aus.
Für interessierte Start-ups kann der German Accelerator Unterstützung bei der Skalierung und Internationalisierung in die USA bieten.
Von 7. bis 11. April 2025 führt die AHK New York in Zusammenarbeit mit SBS systems for business solutions eine BMWK-Geschäftsanbahnung nach Boston und Pittsburgh durch. Thema der Reise ist KI, Robotik und Autonome Systeme in den USA.