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Verarbeitendes Gewerbe punktet bei ausländischen Investoren
Die verarbeitende Industrie ist in Usbekistan der wichtigste Empfänger ausländischer Investitionen und Kredite. Ambitionierte Branchenprogramme bieten viel Geschäftspotenzial.
16.06.2023
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Das verarbeitende Gewerbe kennt seit dem Start der wirtschaftlichen Liberalisierung und Marktöffnung Usbekistans 2017 nur einen Trend: eine klare Entwicklung nach oben.
Ausländische Gelder sind der Treiber für neue Projekte
Die bisherigen Erfolge und ebenso die Aussichten der verarbeitenden Industrie werden maßgeblich durch den Kapitalzufluss aus dem Ausland getragen. Auf den Wirtschaftszweig entfielen 2019 bis 2022 im Schnitt hohe 39 Prozent der alljährlich in das Land geflossen ausländischen Investitionen und Kredite. Im 1. Quartal 2023 lag der Anteil sogar bei 46,8 Prozent.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
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Zufluss ausländischer Investitionen und Kredite in die verarbeitende Industrie (in Mrd. US$) | 3,2 | 3,6 | 3,7 | 4,3 |
Anteil der verarbeitenden Industrie am Kapitalzufluss aus dem Ausland (Investitionen und Kredite; in %) | 33,3 | 42,1 | 37,5 | 42,5 |
Investiert wird vor allem in jene Branchen, in denen Usbekistan mit komparativen Vorteilen punkten kann oder die gute Entwicklungsmöglichkeiten für die Bedienung des nationalen, regionalen und auch internationalen Marktes versprechen. Hierzu zählen die Produktgruppen Textilien (Baumwollerzeugnisse), Bekleidung (Maschen- und Nähwaren), Lebensmittel (Obst/Gemüse, Milch- und Fleischerzeugnisse) Elektroausrüstungen (Elektrizitätsverteilungs- und Schalteinrichtungen, Transformatoren und Kabel), Leder- und Lederwaren, Chemieerzeugnisse (Stickstoff- und Kalidünger, Kunststoffe) und verschiedene Baustoffe.
Regierung will verarbeitende Industrie gezielt weiterentwickeln
Die usbekische Regierung sieht in der forcierten Herstellung von Produktions- und Konsumgütern einen Eckpfeiler für die Diversifizierung der Wirtschaft. Zudem will sie die Ausfuhr von Erzeugnissen mit einer hohen Wertschöpfung ausweiten und so zusätzliche Exportmilliarden generieren. Die jährlichen Exporte insgesamt sollen bis 2026 auf 30 Milliarden US-Dollar (US$) steigen, gegenüber 19,3 Milliarden US$ 2022.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
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reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr (in %) | 6,6 | 7,9 | 8,3 | 5,3 |
Es gibt noch einen Beweggrund für das rege Geschehen im Wirtschaftszweig: Dieser schafft im Land dringend benötigte Arbeitsplätze. Usbekistan steht mit seiner dynamischen Bevölkerungsentwicklung bei der Beschäftigungssicherung vor enormen Herausforderungen. Das Land verfügt über große ungenutzte Arbeitskräfteressourcen. Allein im Jahr 2023 werden etwa 730.000 junge Menschen Bildungseinrichtungen aller Stufen verlassen. Schon 2030 dürfte diese Zahl 1 Million übersteigen. Der jährliche Bedarf der Wirtschaft an neuen jungen Arbeitskräften ist bisher mangels regulärer Beschäftigungsmöglichkeiten weit geringer.
Vier Hauptbranchen prägen das Produktionsgeschehen
Vier Industriesektoren bilden mit einem Anteil von zwei Dritteln am wertmäßigen Ausstoß und an der zusätzlichen Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes das Schwergewicht des Industriezweigs:
- Hüttenwesen inklusive der Produktion von Metallerzeugnissen,
- Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Schuhindustrie,
- Lebensmittel-, Getränke und Tabakindustrie,
- Fahrzeugbau.
Der Kapitalzufluss im Hüttenwesen konzentriert sich auf zwei Großunternehmen für die Produktion von Bunt- und Edelmetallen (Bergbau- und Aufbereitungskombinate Nawoi und Almalyk) sowie die Stahlhütte Uzmetkombinat in Bekabad. Absolute Priorität in der Branche genießt der Aufbau eines leistungsfähigen Clusters für die Kupferindustrie.
Die Gesamtinvestitionen in die Produktgruppen Textilien und Bekleidung summierten sich 2020 bis 2022 im Schnitt auf jährlich gut 1 Milliarde US$. Der Ausstoß in der Branche hat sich 2022 mit 7,2 Milliarden US$ im Vergleich zu 2017 verdoppelt und der Export im gleichen Zeitraum von 1,1 Milliarden auf 3,2 Milliarden US$ fast verdreifacht. Der Ausbau von Wertschöpfungsketten in mehr als 130 Baumwoll- und Textilclustern sorgt für viele neue Projekte.
Die Schuh- und Lederindustrie investiert im Zeitraum 2023 bis 2026 etwa 800 Millionen US$. Der Ausstoß der Branche soll von 2022 bis 2026 von 500 Millionen auf 1,5 Milliarden US$ steigen. Gleichzeitig sollen die Exporte von 0,5 Milliarden auf 1,2 Milliarden US$ wachsen.
Vielfältige Geschäftschancen bietet die Lebensmittelindustrie. Alljährlich werden in der Branche auf zentraler Ebene Projekte für mehr als 200 Millionen US$ auf den Weg gebracht. Hinzu kommen zahlreiche Vorhaben, die auf regionaler Ebene oder im Rahmen von Clusterinitiativen in der Land- und Ernährungswirtschaft realisiert werden. Das Ausbaupotenzial ist riesig. So werden beispielsweise vom jährlichen Rohmilchaufkommen von 11,6 Millionen Tonnen (2022) nur weniger als 3 Millionen Tonnen weiterverarbeitet. Gering sind die Verarbeitungsquoten auch bei Fleisch, Obst und Gemüse.
2020 | 2021 | 2022 | |
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Hüttenindustrie (Bunt- und Eisenmetallurgie) | 7,9 | 9,1 | 9,7 |
Textil- und Bekleidungsindustrie (inklusive Baumwollentkernung) | 4,7 | 6,2 | 7,3 |
Lebensmittel- und Getränkeindustrie (ohne Tabakindustrie) | 4,9 | 5,5 | 6,7 |
Fahrzeugbau | 3,3 | 3,0 | 4,7 |
Chemische Industrie | 2,1 | 2,6 | 3,0 |
Baustoffindustrie | 1,6 | 2,0 | 2,0 |
Elektronische und elektrotechnische Industrie | 1,2 | 1,6 | 1,9 |
Ölverarbeitung | 1,1 | 1,1 | 1,5 |
Produktion fertiger Metallerzeugnisse | 0,7 | 1,0 | 1,1 |
Kunststoff- und Gummiindustrie | 0,7 | 0,8 | 0,9 |
In die Automobilindustrie kommt ordentlich Bewegung
Neue Projekte in- und ausländischer Fahrzeugbauer sorgen für Vielfalt und Wettbewerb in der Kfz-Industrie. Die bislang angekündigten Investitionen in laufende und fest geplante Projekte belaufen sich 2023 bis 2024/2025 auf bis zu 500 Millionen US$. Ein neues mittelfristiges Ausbaugramm für die Branche ist in Sicht.
Milliardenschwere Investitionen in der Baustoff- und Chemieindustrie
Vielfältige Geschäftschancen bieten auch die Baustoff- und elektrotechnische Industrie. Ihr jährlicher Ausstoß soll sich in den Jahren 2022 bis 2026 gegenüber dem heutigen Niveau verdoppeln. Die Betriebe der Branchenvereinigung Uzeltexsanoat wollen ihre Exporte 2023 auf 1 Milliarde US$ und 2024 auf 1,5 Milliarden US$ ausweiten (Ist 2022: 800 Millionen US$).
In der Baustoffindustrie sind im Zeitraum 2022 bis 2026 Investitionen von bis zu 5 Milliarden US$ avisiert. Lohnen kann sich auch ein Blick auf die Investitionspläne der chemischen Industrie sowie in der Gasveredelung. Künftig sollen bis zu 20 Prozent des im Land geförderten Erdgases (Förderung 2022: 51,7 Milliarden Kubikmeter) veredelt werden, gegenüber bisher nur etwa 8 Prozent (2021).
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