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Annäherung durch deutsch-britische Wasserstoffkooperation
Eine neue Wasserstoffkooperation bringt Deutschland und das Vereinigte Königreich wieder näher zusammen. Auf der Insel sind bereits 20 Gigawatt Leistung projektiert.
19.10.2023
Von Marc Lehnfeld | London
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das britische Department for Energy Security and Net Zero (DESNZ) setzen auf eine Kooperation beim Aufbau ihrer Wasserstoff-Ökonomien. Dafür unterzeichneten Philipp Nimmermann, Staatssekretär im BMWK, und Lord Callanan, Parliamentary Under-Secretary of State im DESNZ, auf der UK-Germany Hydrogen Partnership Conference am 26. September 2023 in der britischen Botschaft in Berlin eine gemeinsame Absichtserklärung. Die Joint Declaration of Intent (JDoI) ist ein wichtiges Signal der wirtschaftspolitischen Annäherung beider Länder seit dem britischen Austritt aus der Europäischen Union 2020.
Gleiches Ausbauziel, unterschiedliche Rollen
Das Kapazitätsziel für die Erzeugung von emissionsarmem Wasserstoff ist auf beiden Seiten des Ärmelkanals gleich. Sowohl die Bundesrepublik als auch das Vereinigte Königreich haben ihre Ausbauziele verdoppelt und wollen bis 2030 ihre Wasserstofferzeugungskapazitäten auf 10 Gigawatt erhöhen. Die Absichtserklärung ist keine Symbolpolitik, sondern ein logischer Schritt von Partnern mit ergänzenden Interessen. Während die Bundesregierung schon mit einem Importbedarf von 45 bis 90 Terawattstunden rechnet, positioniert sich auf britischer Seite, insbesondere Schottland, als möglicher Wasserstoffexporteur. So verweist der schottische Hydrogen Action Plan auf ein Exportpotenzial von etwa 2,5 Millionen Tonnen Wasserstoff in 2024, vorzugsweise in die nahegelegene EU, noch besser nach Deutschland.
Schottland legt Pläne für Pipeline nach Emden vor
Schottlands Exportpläne in Richtung Deutschland werden immer konkreter. Sie begannen mit einer ersten Marktsondierung in der Scot2Ger-Studie und mündeten zuletzt in der Veröffentlichung einer Studie für eine mögliche Pipeline nach Emden.
Die vom schottischen Net Zero Technology Centre erstellte "Hydrogen Backbone Link"-Studie diskutiert bereits den möglichen Verlauf einer Pipeline. Sie favorisiert nach der Einspeisung über die Shetland Inseln (Sullom Voe), die Orkney Inseln (Flotta), den grünen Freihafen von Cromarty Firth (Nigg Bay) und den Gashub von St. Fergus die Anbindung durch norwegisch-dänische Gewässer nach Deutschland. Das Projekt soll nach ersten Einschätzungen rund 3 Milliarden Euro kosten und Anlegern eine Kapitalrendite von 6 Prozent jährlich bieten.
Die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der schottischen Pipeline liegt laut Studie in den günstigen Transportkosten (0,40 Euro pro Kilogramm Wasserstoff versus 1,40 Euro pro Kilogramm per Schiff aus anderen Ländern). Sie rechnet bei einem Gesamtpreis des Wasserstoffs inklusive Transportkosten von 3,10 Euro pro Kilogramm mit einem schmalen Preisvorteil von 10 Cent pro Kilogramm.
Möglich ist auch ein Anschluss der britischen Pipeline an ein europäisches Verbundnetz, das in der Nordsee entsteht. Im Projekt AquaDuctus haben Gascade und Fluxys als deutscher beziehungsweise belgischer Netzbetreiber bereits die Machbarkeit eines solchen Pipelinenetzes untersucht. Ohnehin kooperieren die Nordseeanrainer. Sie haben sich im April 2023 in der Erklärung von Ostende auf eine vertiefte Zusammenarbeit beim Ausbau der Offshore Wind-Kapazitäten auf 500 Gigawatt bis 2050 geeinigt. Zudem streben sie eine grenzüberschreitende Kooperationen beim Wasserstoff an.
Projektierte Leistung von 20 Gigawatt bis 2037
Um den Export in großem Stil möglich zu machen, muss die britische Produktionslandschaft für nachhaltigen Wasserstoff erst noch entstehen. Im Net Zero Hydrogen Fund (NZHF) fördert die Regierung den Aufbau dieser Anlagen. Sie setzt dabei in ihrem "twin track approach" auf "emissionsarmen Wasserstoff", dessen Erzeugung Emissionen maximal 20 Gramm CO₂-Äquivalente pro Megajoule Heizwert (CO2e/MJLHV) verursachen darf. Folglich sind nicht nur grüner Wasserstoff, sondern auch blauer Wasserstoff förderwürdig. Von den anvisierten 10 Gigawatt in 2030 sollen aber mindestens die Hälfte, also 5 Gigawatt, aus der Elektrolyse gewonnen werden.
Anhand der bisherigen Förderrunden des mit umgerechnet etwa 276 Millionen Euro ausgestatteten NZHF lassen sich fast 40 Projekte mit einer geplanten Leistung von rund 20 Gigawatt identifizieren. Einzeln aufgeführt werden sie in der Hydrogen Net Zero Investment Roadmap von April 2023. Die Liste ist weder abschließend, noch ist eine Projektrealisierung garantiert.
Das zeigt auch das Ergebnis der ersten Hydrogen Allocation Round (HAR1), in der erfolgreiche Projektbewerbungen eine 15-jährige Preissubvention erhalten, allerdings nicht auf exportierten Wasserstoff. Die vom DESNZ im August veröffentlichte Shortlist umfasste ursprünglich 20 Projekte für grünen Wasserstoff mit einer geplanten Erzeugungsleistung von 408 Megawatt. Allerdings haben sich drei Projekte aus der nächsten Phase der individuellen Verhandlungen mit der Regierung zurückgezogen, sodass 17 Projekte mit 262 Megawatt verbleiben.
Einerseits bleibt der Staat mit seiner anvisierten Förderleistung von 250 Megawatt damit noch im selbst gesteckten Rahmen, Branchenexperten äußern sich hingegen kritisch über den Förderprozess. Das Dokument für die Preissubventionierung im Low Carbon Hydrogen Agreement umfasst mehr als 600 Seiten und gilt damit alles andere als pragmatisch. Mit den Förderzusagen aus der Hydrogen Allocation Round 1 (HAR) wird bis zum Ende des Jahres gerechnet.
Zweite Förderrunde für 4. Quartal 2023 angekündigt
Für das letzte Jahresviertel 2023 kündigte die britische Regierung bereits eine weitere HAR2 an. Matthew Hodgkinson, Analyst bei S&P Global Commodity Insights, erwartet, dass das Interesse der Projektentwickler an der HAR2 ein noch größerer Indikator für den Appetit privater Investoren in der britischen Wasserstoffwirtschaft sein wird. Zudem würde es zeigen, ob sie Vertrauen in die britische Gesetzgebung haben.