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Branchen | Vereinigtes Königreich | Dekarbonisierung

Schottische Industrie rüstet sich für Dekarbonisierung

Schottlands Schwerindustrie sucht bei der Dekarbonisierung den Weg über die CO₂-Speicherung in der Nordsee. Das Projekt Acorn soll dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Von Marc Lehnfeld | London

Die schottische Regierung strebt bis 2045 die Klimaneutralität ihres Landes an. Damit liegen sie fünf Jahre vor dem erklärten Ziel des Vereinigten Königreiches. Um es zu erreichen, muss besonders die schottische Schwerindustrie dekarbonisiert werden. Denn rund 80 Prozent der schottischen Industrieemissionen sind auf 28 Produktionsanlagen dieses Industriezweigs zurückzuführen. Unter den zehn größten Emittenten finden sich vor allem Industrieanlagen aus dem Raffinerie-Cluster in Grangemouth, aber auch Kraftwerke, die von den deutschen Konzernen RWE und E.ON betrieben werden.

Schottlands zehn größte industrielle Kohlenstoffdioxid-Emittenten

Rang

Betrieb (Ort)

CO2-Emissionen 2021 (in Tausend Tonnen)

Beschreibung

1

SSE Thermal Power Station (Peterhead)

1.128

Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk mit einer Gesamtleistung von 1.180 Megawatt

2

Petroineos Manufacturing (Grangemouth)

775

Schottlands einzige Raffinerie mit einer Leistung von 210.000 Barrel pro Tag

3

ExxonMobil Fife Ethylene Plant (Mossmorran)

687

Ethylen-Produktionsanlage

4

INEOS Chemicals (Grangemouth)

602

Chemieherstellung im Grangemouth-Cluster

5

INEOS Infrastructure (Grangemouth)

564

Infrastrukturbetreiber im Grangemouth-Cluster (140 Megawatt Kraftwerk und Hafeninfrastruktur)

6

Grangemouth CHP (Grangemouth)

514

Kraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Grangemouth-Cluster

7

Tarmac, Dunbar Plant (Dunbar)

488

Kalk- und Zementwerk

8

Stevens Croft Power Station (Lockerbie)

389

Biomasse-Kraftwerk des deutschen Energiekonzerns E.ON mit einer Leistung von 44 Megawatt

9

RWE Markinch (Glenrothes)

372

Biomasse-KWK-Kraftwerk des deutschen Energiekonzerns RWE mit einer Leistung von 55 Megawatt

10

Viridor Dunbar ERF (Dunbar)

307

Heizkraftwerk mit einer Leistung von 36 Megawatt

Quelle: SEPA (Scottish Pollutant Release Inventory 2021), 2022

Dekarbonisierung kostet über 10 Milliarden Euro

Um die schottische Industrie entlang der Scottish Net Zero Roadmap zu dekarbonisieren, sind Investitionen von umgerechnet rund 10,4 Milliarden Euro notwendig. Die Maßnahmen werden im dafür geschaffenen erweiterten Scottish Cluster gebündelt. Es umfasst den sogenannten "Central Belt", also die Region zwischen Edinburgh und Glasgow. Wie die britische Regierung will auch Schottland bei der Dekarbonisierung der Industrie auf die CO₂-Abscheidung, -Nutzung und -Lagerung (CCUS) setzen. Dieses Vorhaben ist mit dem Projekt Acorn bereits konzipiert. 

Es sieht vor, dass das Industrie-Konsortium die bisher für den Transport von Erdgas genutzte "Feeder 10"-Pipeline vom Raffinerie-Cluster Grangemouth bis in den Nordosten nach Aberdeen nutzt. Auf diese Weise soll in Zukunft das ausgestoßene Kohlenstoffdioxid der angeschlossenen Schwerindustrien wie Ineos, ExxonMobil und SSE abgenommen werden. Über den Hafen von Peterhead bei Aberdeen wird es dann mithilfe bestehender Offshore-Leitungen in den Lagerstätten Acorn Storage Site und East Mey gespeichert.

Laut den Projektverantwortlichen fassen die bereits lizenzierten Lagerstätten ein Volumen von 250 Millionen Tonnen CO₂. Damit fasst die Anlage nicht nur die rund 5 bis 10 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr, die von den Industrieproduzenten stammen. Perspektivisch könnten über den Hafen von Peterhead auch CO₂-Emissionen aus dem Ausland importiert und endgelagert werden.

Mit den Partnern Shell, Harbour Energy, North Sea Midstream Partners (NSMP) und der Koordinierung von Storegga verfügt Acorn bereits über wichtige Stakeholder und investitionsstarke Unternehmen. Um dieses Schlüsselprojekt und weitere CCUS-Vorhaben im Scottish Cluster umsetzen zu können, buhlen die Investoren aber auch um staatliche Subventionen.

Gute Chancen auf Förderung für "Scottish Cluster"

Um Förderungen zu erhalten, ist die Aufnahme in das auf vier Cluster begrenzte CCUS-Clusterprogramm der britischen Regierung erforderlich. In der ersten Runde (Track 1 Cluster Sequencing) war die schottische Initiative nicht erfolgreich. Nach dem ausgewählten East Coast Cluster um die Flussmündungen von Tees und Humber und dem HyNet North West im erweiterten Großraum von Liverpool wurde die Initiative zur Verärgerung der Schotten als unbestimmtes "Reservecluster" geführt.

Für das "Scottish Cluster" bestehen nun aber gute Chancen in der zweiten Runde zur Bestimmung der letzten zwei Cluster im britischen CCUS-Programm. Das Interessenbekundungsverfahren des Track 2-Process startete Ende März 2023 und endete am 28. April 2023. Unklar ist derzeit, welche Cluster sich beworben haben. Laut dem britischen Department for Energy Security and Net Zero (DESNZ) explizit sowohl das "Scottish Cluster" als auch das Viking-Projekt explizit die Anforderungen. Letzteres ist wie das "East Coast Cluster" ebenfalls am ostenglischen Humber gelegen. Der politische Druck aus Schottland auf die britische Regierung bleibt hoch, das Cluster des größten Landesteils im Königreich zu berücksichtigen. Mit einem ersten Signal der britischen Regierung ist im Sommer 2023 zu rechnen.

Käme das schottische Cluster zum Zuge, zeigt die Liste förderfähiger Projekte aus dem Track 1-Verfahren, welche schottischen Teilprojekte besonders profitieren könnten. Denn nicht nur für die ausgewählten CCUS-Cluster an Humber bzw. Tees und Liverpool wurden in einer Shortlist bereits förderfähige Projekte genannt, sondern auch für das schottische "Reservecluster". Gute Chancen bestünden dann für ein geplantes CCUS-Kraftwerk von SSE in Peterhead, den Fife Hydrogen Hub, die weiteren Acorn-Projektbausteine für blauen Wasserstoff und die Kohlenstoffabscheidung sowie die CO₂-Abscheidung für das von Shell betriebene Erdgasterminal in St. Fergus.

SPE Offshore Europe

Vom 5. bis 8. September 2023 findet im schottischen Aberdeen, dem Zentrum der britischen Erdöl- und Erdgasindustrie, die SPE Offshore Europe statt. Deutsche Unternehmen können ihre Sichtbarkeit auf der Messe und Konferenz über den Gemeinschaftsstand des Bundes erhöhen.

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