Deutsche Wettbewerbsposition | Vereinigtes Königreich
Deutsch-britischer Handel leidet unter dem Brexit
Deutschlands Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Deutsche Abhängigkeiten bestehen vor allem in einer Branche.
08.03.2022
Von Marc Lehnfeld | London
Das Vereinigte Königreich gehört zu den internationalen Schwergewichten im Außenhandel und als Investitionsstandort. Laut der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) stand die britische Insel 2020 auf dem fünften Platz der größten Warenimporteure weltweit. Bei den ausländischen Direktinvestitionsbeständen ist das Königreich der drittgrößte Standort in der Welt.
Vor diesem Hintergrund kommen deutsche Exporteure kaum um den britischen Markt herum, auch wenn der Brexit die Markteintrittshürden wesentlich erhöht hat und damit den Zugang auch in Zukunft verteuern wird. Darunter werden vor allem mittelständische Exporteure leiden. Langfristig bleibt das Vereinigte Königreich als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt ein wichtiger Absatzmarkt für deutsche Unternehmen.
Das Vereinigte Königreich importierte 2021 laut britischem Statistikamt Waren im Wert von umgerechnet rund 554,1 Milliarden Euro, davon stammten 11,2 Prozent aus Deutschland. Destatis zufolge lag das Land im gleichen Jahr auf Rang 8 der wichtigsten deutschen Absatzmärkte. |
Das Vereinigte Königreich exportierte 2021 Waren im Wert von umgerechnet rund 372,8 Milliarden Euro. 9,2 Prozent davon gingen nach Deutschland - Rang 13 der wichtigsten deutschen Bezugsmärkte. |
Laut Schätzung von Germany Trade & Invest auf der Basis der Unternehmensdatenbank Orbis sind rund 19.600 deutsche Unternehmen im Vereinigten Königreich ansässig, die rund 450.000 Arbeitsplätze im Land abdecken. |
Abwendung von der EU ohne neue strategische Wirtschaftspartner
Der deutsch-britische Handel hat in den vergangenen Jahren allerdings deutlich eingebüßt, das Königreich ist im Ranking der deutschen Handelspartner auf den zehnten Platz abgerutscht. Noch 2017 belegten die Briten Platz fünf.
Das liegt nicht nur am Brexit, sondern auch am Strukturwandel in der Automobilindustrie. Aus britischer Sicht war die Bundesrepublik 2021 zwar der zweitwichtigste Beschaffungsmarkt, allerdings verlor Deutschland seinen jahrzehntelangen ersten Platz an China.
Die Folgen des Brexit werden in den nächsten Jahren nicht nur den Handel mit Deutschland, sondern auch mit der Europäischen Union (EU) weiter bremsen. Sichtbar sind die Folgen der Zollgrenze schon jetzt: Der Anteil britischer Importe aus der EU ist 2021 erstmals seit Jahrzehnten unter die 50-Prozent-Marke gefallen.
Die Zukunftsaussichten sind schwer zu beurteilen. Auch wenn das Freihandelsabkommen mit der EU als Erfolg gilt, zeigen die Probleme bei der Umsetzung des Nordirland-Protokolls, dass das Vereinigte Königreich ein schwieriger Handelspartner geworden ist. Trotz Bemühungen der britischen Regierung um Freihandelsabkommen - vor allem mit den USA und Indien - ist derzeit nicht erkennbar, wie damit tiefgreifende Wirtschaftspartnerschaften als Alternative zur EU etabliert werden können. Obwohl sich der Handel mit China in den vergangenen Jahren stark entwickelt hat, bleibt eine strategische Kooperation mit der Volksrepublik schwierig.
Wichtigste deutsche Exportgüter resilient
Deutschland gehört in vielen Produktkategorien zu den wichtigsten Lieferanten des Königreichs. Zentral ist die Rolle der Bundesrepublik bei der Lieferung von Autos, dem wichtigsten deutschen Exportgut dorthin. Der Marktanteil von 39,5 Prozent in 2020 konnte trotz steigender Konkurrenz sogar ausgebaut werden.
Doch neben dem Brexit hemmen der Strukturwandel in der britischen Automobilindustrie und die steigende Nachfrage nach Elektroautos die deutschen Pkw- und Kfz-Teile-Exporte wertmäßig erheblich. Sollten die deutschen Automobilhersteller den Strukturwandel hin zur Elektromobilität schaffen, dürfte sich das Geschäft auf der Insel stabilisieren.
Bei chemischen Erzeugnissen und Industriemaschinen hat Deutschland weiterhin hohe Marktanteile. In den vergangenen Jahren hat allerdings vor allem die mit dem Brexit verbundene Zurückhaltung britischer Investitionen die Nachfrage nach deutschen Industriegütern gehemmt. Nachholeffekte post-Brexit bringen jetzt gute Absatzchancen für deutsche Exporteure. Das größte Risiko für Deutschlands starke Wettbewerbsposition im Königreich ist, dass die bürokratische Zusatzbelastung durch die Zollgrenze einstige Wettbewerbsvorteile schmälert. Es könnte sogar dazu kommen, dass einige deutsche Exporteure den britischen Markt meiden.
Rang | Produkt | 2000 | 2010 | 2020 |
---|---|---|---|---|
Pkw 2) | ||||
1 | Deutschland | 26,6 | 33,2 | 39,5 |
2 | Belgien | 13,6 | 14,7 | 19,0 |
3 | Spanien | 7,9 | 9,4 | 9,3 |
Chemische Erzeugnisse 3) | ||||
1 | Niederlande | 10,9 | 11,4 | 16,1 |
2 | Deutschland | 16,1 | 16,0 | 16,0 |
3 | Belgien | 7,8 | 9,6 | 9,6 |
Industriemaschinen 4) | ||||
1 | USA | 23,4 | 23,0 | 24,0 |
2 | Deutschland | 18,0 | 18,7 | 17,2 |
3 | China | 1,5 | 4,9 | 8,1 |
Britische Airbus-Standorte - eine starke Verbindung nach Deutschland
Das Vereinigte Königreich gehört nicht zu den wichtigsten Beschaffungsmärkten Deutschlands. Im Ranking der wichtigsten deutschen Lieferländer belegten die Briten 2021 den 13. Platz nach dem elften Rang im Vorjahr. Bei den größten britischen Exportprodukten nach Deutschland gehört das Königreich zwar oft zu den zehn wichtigsten Lieferländern, aber nur selten zu den Top 3. Ausreißer sind Nicht-Eisen-Metalle (Platz 3) und Luftfahrzeuge (Platz 2).
Im Flugzeugbau integriert vor allem Airbus mit seinen mehr als 25 britischen Produktionsstandorten und rund 12.500 Beschäftigten das Königreich in seine europäische Wertschöpfungskette.
Als Rohstofflieferant hat die britische Insel bei Gold und Erdöl eine größere Bedeutung. Die britischen Bohrinseln in der Nordsee machen das Königreich zum fünftgrößten Erdöllieferanten Deutschlands, nach Russland, den Niederlanden, USA und Kasachstan. Der britische Marktanteil lag 2020 aber lediglich bei 5,3 Prozent. Bei Gold sind die Briten mit 4,3 Prozent sechst wichtigster Lieferant für Deutschland. London zählt zu den weltweit führenden Handelsplätzen für Gold.